Biographie

Kuranda, Ignaz

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Schriftsteller, Publizist
* 28. April 1811 in Prag
† 3. April 1884 in Wien

Ignaz Kuranda sollte sich, wie sein Vater und Großvater, im Antiquariatsbuchhandel betätigen, verließ jedoch 1834 seine Heimatstadt und ging nach Wien. Hier hörte er philosophische Vorlesungen und suchte Kontakte zu berühmten Dichtern, u. a. Franz Grillparzer und Nikolaus Lenau. In diese Zeit fielen auch seine ersten literarischen Versuche, die in den Zeitungen „Bohemia“ und im „Telegraph“, dessen Theaterkritiker er von 1836 bis 1838 war, erschienen. Auf einer im Auftrag des Verlegers durchgeführten Reise nach Stuttgart lernte er Ludwig Uhland, Gustav Schwab und David Friedrich Strauß kennen; in Paris machte er die Bekanntschaft mit Heinrich Heine. In der Folgezeit war er in Brüssel als Korrespondent der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ tätig und hielt Vorträge über deutsche Literatur. Er kam hier in Berührung mit flämischen Gruppen. 1841 gründete er die Wochenschrift „Die Grenzboten“ zur Pflege der wechselseitigen Beziehungen zwischen Flamen und Deutschen. Schon im folgenden Jahr mußte Kuranda die Redaktion seiner Zeitschrift nach Leipzig verlegen. Sie befaßte sich nun vorrangig mit der Innenpolitik Österreichs und den Beziehungen des Kaiserreiches zu den anderen Mitgliedern des Deutschen Bundes. Sie war in dieser Zeit das einzige Sprachrohr der liberalen Österreicher. Neben der Leitung der „Grenzboten“ und zahlreichen Reisen durch Mitteleuropa studierte Kuranda in Leipzig Geschichte und Staatswissenschaften und erwarb den akademischen Grad eines Dr. phil. Als 1848 in Frankreich die Februar-Revolution ausbrach, sah er die Zeit gekommen, in Wien politisch tätig zu werden. Aus diesem Grunde überließ er im Sommer die Redaktion der „Grenzboten“ Julian Schmidt und Gustav Freytag. Von der Universität Wien wurde er in den Fünfziger-Ausschuß des Frankfurter Vorparlaments delegiert, das ihn beauftragte, in Prag die Parlamentswahlen vorzubereiten. Bei den tschechischen Nationalisten hatte Kuranda keinen Erfolg, wurde aber von der Gemeinde Teplitz in Böhmen in das Paulskirchenparlament gewählt. Im Spätsommer des gleichen Jahres kehrte er nach Wien zurück, wo er die Zeitung „Ostdeutsche Post“ gründete, in deren Leitartikeln er sein politisches Programm formulierte. Er sprach sich für die Einführung der konstitutionellen Monarchie im Habsburgerreich aus. Das Deutschtum war für ihn der Garant der Freiheit, das nichtdeutsche Element dürfe in Österreich nicht die Vorherrschaft erlangen. Deswegen lehnte er alle föderalistischen Bestrebungen in der Donaumonarchie ab. Österreich sollte, da die Bildung eines großdeutschen Reiches nicht möglich sei, einen Zoll- und Wehrverband mit dem übrigen Deutschland bilden. Als mit dem durch den Deutsch-Österreichischen Krieg von 1866 erfolgten Zerfall des Deutschen Bundes seine politischen Hoffnungen sich als illusorisch erwiesen hatten, stellte er im Juli 1866 das Erscheinen der Zeitung ein. Er wandte sich nun in verstärktem Maße seiner parlamentarischen Arbeit als Abgeordneter der Verfassungspartei zu, die er seit dem Jahre 1861 im niederösterreichischen Landtag und im Reichstag, zeitweise auch im Wiener Stadtrat, vertrat. 1872 wurde er Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien und wegen seiner Förderung jüdischer Studien Vizepräsident der Israelitischen Allianz. Im gleichen Jahr wurde er zum Ritter des Leopoldsordens erhoben, ohne daß er von dem damit verbundenen Adelsprädikat Gebrauch machte, und 1881 zum Ehrenbürger der Stadt Wien ernannt. – Ignaz Kuranda gehörte als Herausgeber der „Grenzboten“ und der „Ostdeutschen Post“ zu den Wegbereitern des politischen Liberalismus in Österreich.

Lit.: ADB 5l; Baumgartner, M.: Kurandas „Ostdeutsche Post“ und die deutsche Frage von 1859-1863. Diss. Wien 1948; Franz, G.: Liberalismus. Die deutsch-liberale Bewegung in der habsburgischen Monarchie. 1955.