Biographie

Logau, Friedrich

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Epigrammatiker
* 24. Januar 1604 in Brockut, Kr. Nimptsch
† 24. Juli 1655 in Liegnitz

„Bald werd en wir einen von unsern besten alten Dichtern wieder unter uns aufleben sehen. Zwei hiesige Gelehrte arbeiten an einer neuen Aussage des Logau. Es kann leicht sein, daß ich Ihnen hier einen ganz unbekannten Mann nenne. Dieser Zeitverwandte, und Landsmann des großen Opitz, ist, wie es scheinet, nie nach Verdienst gewürdigt worden, und noch ein halbes Jahrhundert hin, so wäre es vielleicht ganz um ihn geschehen gewesen. Kaum, daß unsere neuen Kunstrichter und Lehrer der Poesie seinen Namen noch anführen; weiter führen sie auch nichts von ihm an. Wie viele vortreffliche Beispiele hätten sie nicht aus ihm entlehnen können“. Das schrieb Gotthold Ephraim Lessing im 36. seiner „Briefe, die neueste Literatur betreffend“ im Jahre 1759. Die beiden genannten Gelehrten heißen Lessing und Karl Wilhelm Ramler. Ein Jahrhundert nach dem Tode von Friedrich von Logau brachten beide noch im Jahre 1759 eine Sammlung der Sinngedichte von Friedrich von Logau heraus. Mit Recht gilt daher Lessing als Entdecker des Werkes und der Größe dieses Werkes des hoch geschätzten großartigen deutschen Epigrammatikers.

In der „Geschichte der deutschen Literatur in Schlesien“, verfaßt von Hans Heckel (1929 erschienen) heißt es: „Friedrich von Logau ist vor Andreas Grypius der einzige schlesische Dichter von Rang. Seine Bedeutsamkeit erhält er nicht wie Martin Opitz durch seine historische Stellung, sondern einzig durch sein Werk, so bescheiden es sich gibt. Er hielt sich nicht für einen großen Dichter und war weit entfernt, mit den Zünftigen um die Palme streiten zu wollen. Er spricht einfach seine Meinungen und Ansichten in poetischer Form aus.“

Im Jahre 1968 veröffentlichte der an der Universität Breslau lehrende polnische Germanist Marian Szyrocki eigens für die Rowohlt-Verlags-Reihe „Deutsche Enzyklopädie“ „Die deutsche Literatur des Barock“. Der hervorragende Kenner des Barock schreibt: „Das Epigramm fand seinen Meister in Friedrich von Logau. Der Dichter hält seiner Zeit einen Spiegel vor. Die Fülle von Einfällen und Wortspielen, die Mannigfaltigkeit der Formen, die Leichtigkeit der dichterischen Gestaltung ist erstaunlich und oft mustergültig für den Barockstil im engeren Sinn des Wortes“.

Die Geburtsdaten von Martin Opitz 1597, Friedrich von Logau 1604, Daniel Czepko von Reigersfeld 1605, Andreas Gryphius 1616, alle mit dem Geburtsort in Schlesien, zeigen an, daß diese Lebensläufe durch den Dreißigjährigen Krieg geprägt worden sind, und wir dürfen sie zusammen die „Erste schlesische Dichterschule“ nennen. Friedrich von Logau ist als Sohn eines schlesischen Landedelmanns auf Gut Brockut im Kreise Nimptsch am 24. Januar 1604 geboren. Der Einjährige verlor bereits seinen Vater. Der einzige Sohn besuchte das Gymnasium in Brieg, der Hauptstadt des gleichnamigen Herzogtums. Früh schon bestanden Verbindungen zur Familie des Herzogs Johann Christian, und Friedrich von Logau diente der Herzogin als Page. Mit 21 Jahren begann er das Studium der Rechtswissenschaft. Genannt wird die Universität Altdorf nahe Nürnberg (sie bestand von 1623 bis 1809), andere Quellen berufen sich auf die Viadrina in Frankfurt an der Oder.

Als Landedelmann wie sein Vater konnte er angesichts der Verschuldung des Besitzes nicht überleben, sein Dienstherr wurde der Herzog von Brieg. Mit 40 Jahren wurde er zum Herzoglichen Rat ernannt und sorgte in dieser hoch angesehenen Position für die Kanzlei und die Kammer. Als sich die drei Söhne des Herzogs nach dessen Tod mit Hofhaltung und Beamtenschaft auf drei unterschiedliche Sitze trennten, wurde Liegnitz Sitz des Herzogs Ludwig IV. und somit auch der Ort seiner wichtigen Stellung.

Ein Jahr nach dem Umzug von Brieg nach Liegnitz ist Friedrich von Logau, 51 Jahre alt, am 24. Juli 1655 gestorben, wie berichtet wird an der Gicht.

Im Jahre 1638 hatte Friedrich von Logau unter dem Namen Salomon von Golaw (leicht als Logau zu entschlüsseln) „Zwei Hundert Teutscher Reimensprüche“ veröffentlicht. 1654 folgte die Sammlung „Deutscher Sinn-Getichte Drei Tausend“, erschienen in Breslau. Zu Lebzeiten blieben die Epigramme und Sinngedichte wenig beachtet, eine kaum bemerkte selektierte Neuauflage hat es kurz nach der Jahrhundertwende gegeben, und wenn nicht Gotthold Ephraim Lessing gewesen wäre, wäre er wohl ganz vergessen worden.

Bis in unsere Tage gibt es keine sich Bedeutung zusprechende Anthologie des deutschen Gedichts, in der nicht Friedrich von Logau präsent wäre. In der als Taschenbuch erschienenen Sammlung „Deutsche Epigramme aus fünf Jahrhunderten“ ist Friedrich von Logau der am häufigsten genannte Autor, es sind über 90 Epigramme. Misslich ist jedoch, daß bei der Wiedergabe der Epigramme gern diese nach ihrer zitierfähigen Anwendbarkeit wie Liebe, Alter, Tod, Kampf, Vaterland geordnet werden. Dadurch wird das Fluidum der gereimten Sinngedichte zerstört. Bei Reclam in Stuttgart ist 1984 ein wortgetreuer Nachdruck „Salomons von Golaw Deutsche Sinn-Getichte Drey Tausend“ erschienen, doch ist die Lektüre des Originals ob der Orthographie des 17. Jahrhunderts und wegen nicht gleich zu begreifender Ausdrücke nicht leicht. Im Anhang mußten Ausdrücke aus der griechischen und römischen Mythologie erklärt werden.

Friedrich von Logau hat die Tage, weshalb die Sinngedichte gelegentlich auch als ein Tagebuch interpretiert werden, aufmerksam begleitet. Aus vielfacher Beobachtung und aufgrund persönlicher Erfahrungen und Erlebnisse resultiert zugleich das in seiner Zeit allgemein Gültige. Aber gerade dieses gibt den Versen dauernde Glaubwürdigkeit bis in unsere Tage. Die Zeitkritik wird nicht grimmig oder polemisch vorgetragen, eher resignativ. So ist es halt, so sind die Menschen, so verläuft mein Weg, diesem Geschick haben wir uns alle zu stellen, wollen wir überleben.

„Heutige Weltkunst“ lautet die Überschrift des Sinngedichts: „Anders sein und anders scheinen;/ Anders reden, anders meinen;/ Anders loben, anders tragen;/ Alles heucheln, stets behagen;/ Allem Winde Segeln geben;/ Bös’ und Gutes dienstbar leben;/ Alles tun und alles Dichten/ Bloß auf eigenen Nutzen richten;/ Wer sich dessen will befleißen/ Kann politisch heuer heißen“. Der redlich lebende Biedermann, wo findet man ihn, so mag sich immer wieder der Epigrammatiker gefragt haben, aber die Verhältnisse sind nun einmal so, wie sie sind und die ich in Verse kleide. Überzeitlich auch das Epigramm zu Freud und Leid des Besitzers: „Wozu ist Geld doch gut?/ Wer’s nicht hat, hat nicht Mut;/ Wer’s hat, hat Sorglichkeit;/ Wer’s hat gehabt, hat Leid“.

Wiederholt münden die bitteren Beobachtungen der Mitmenschen in dieser, und nicht nur in dieser seiner Zeit, trotz Neid und Gehässigkeit, trotz Vorteilnahme und Ungerechtigkeit erlösend im Vertrauen auf Gott, den Lenker und Richter. Aber dieses feste Ruhen im Glauben an Gott hält Friedrich von Logau nicht davon ab, zeitkritisch anzumerken „Lutherisch, Päpstisch und Calvinisch, diese Glauben alle drei/sind vorhanden; ist Zweifel, wo das Christentum denn sei“.

Nicht minder das Wort des aufklärerischen Skeptikers gegenüber dem Frieden, dem Westfälischen Frieden von 1648, nachdem er die Jahrzehnte des Krieges hat erleben und erleiden müssen „Gewaffneter Friede“: „Krieg hat den Harnisch weggelegt, der Friede zieht ihn an./ Wir wissen, was der Krieg verübt; wer weiß, was der Frieden kann?“ Unter dem Titel „Friede und Ruh“ heißt es „Die Ruh hat guten Fried und Friede gute Ruh;/ Die Welt läuft immer noch im Kriege zu“.

Dem Modischen, den neuen französischen Sitten gilt sein Zorn, und in vielen Versen wird Nachäffen gegeißelt, was allerdings von heutigen Interpreten der Epigramme als eine Deutschtümelei ausgelegt wird, ein kritisches Wort, das unangebracht ist. Nationalbewußtsein, dies vor allem geboren aus den Jahrzehnten des Dreißigjährigen Krieges, und Gerechtigkeitssinn bestätigt ihm Marian Szyrocki in seiner Darstellung des Barock. Zum Gerechtigkeitssinn kommt als Ausdruck der Glaubwürdigkeit die Fülle kritischer Aphorismen über das Leben am Hofe, hier konnte er aus eigener Erfahrung als Beamter des Herzogs schöpfen. Man hat 200 Sinngedichte gezählt, die sich mit dem Tun und Lassen auf dem Hofe beschäftigen. Schon die Titel sind bezeichnend, die da lauten: „Hofe-Leben, Hofe-Falschheit, Hofe-Füchse, Hofe-Flöhe, Hofeläuse, Hofeschmarotzer“. Es sind kritische Anmerkungen zum Alltag am Hofe. „Was dient bei Hofe am meisten? Der Kopf? Nicht gar, die Zunge!/ Was dient bei Hofe am treuesten? Das Herz? O nein, die Lunge“. Die Überschrift lautet „Hofelehre“ mit diesem Text: „Wer bei Hofe dienen will, will daselbst Gnad erringen,/ Wie muß der sich stellen an, recht zu raten seinen Dingen?/ Ist er treu und redlich gleich, dennoch ist er gar verloren,/ Alles ist gewonnen dann, wenn er dient nur den Ohren“. Trotzig, klingt es über den „Hofe-Wert“: „Bei Hofe ist mehr ein Pferd/ Als oft ein Diener wert:/ Manch Diener kümmt gelaufen,/ Die Pferde muß man kaufen“.

So leben wir in meinen Jahrzehnten, einem kurzen Leben, das Friedrich von Logau gegönnt war. Ihm geht es immer darum, als Realist und zugleich als Skeptiker das Wort zu nehmen und Zustände wie Verhältnisse so zu schildern, wie der Dichter sie selbst erlebt und erfahren hat. Dazu die Gewißheit: ändern wird sich an all dem nichts, wir müssen die Welt so hinnehmen, wie sie ist.

Deshalb sind die Sinngedichte vielfach zu Weisheiten geworden, die über die Jahrhunderte auch heute gelten. Man kann behaupten, was aber nicht abschätzig gemeint ist, Friedrich von Logau sind in seinen Gedichten für den Alltag Kalendersprüche, jederzeit anwendbar, Dichtungen für jedermann, zitierungswürdig, gelungen.

Die überzeitliche Geltung wird nicht gemindert, wenn das Schlesische in den Epigrammen entdeckt wird. Hans Heckel schrieb in seiner „Geschichte der deutschen Literatur in Schlesien“: „Die schlesische Stammesart bekundet sich in dem liebenswürdigen heiteren, harmonisch geklärten Wesen des Mannes, den erst trübe Erlebnisse und der Anblick des allgemeinen Niedergangs zum zürnenden und strafenden Sittenrichter machte. Er ist kein geborener Melancholiker wie Andreas Gryphius. Und dabei mildert die feine, geistsprühende Ironie, dessen erster Meister im deutschen Schrifttum er ist, die Wucht auch der härtesten Anklagen“.

Ein kluger Kopf hat seine Zeit, und es ist immer wieder auch unsere Zeit, erfahren und kritisch begleitet. Schön und liebenwert, daß ein Dichter diese Beschreibung der Zeit und die Kritik an dieser in wohlgesetzter, das heißt rühmenswerter Poesie darbietet. Der Superlativ, den Lessing gesprochen hat, sei gern wiederholt, er nannte Friedrich von Logau „einen von unseren besten alten Dichtern“.

Bild:Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen.

Herbert Hupka