Biographie

Lüpertz, Markus

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Maler, Grafiker, Bildhauer
* 25. April 1941 in Reichenberg/ Böhmen

Markus Lüpertz zählt zu den bekanntesten Künstlern der Gegenwart und wird gerne als „Malerfürst“ tituliert, eine Bezeichnung, die er selbst aber ablehnt. Tatsächlich ist er heftig umstritten, nicht nur wegen seines exzentrischen Auftretens. Auch Lüpertz´ Werke stoßen mitunter auf massive Kritik.

Seine Anfänge waren zwangsläufig bescheiden. Markus Lüpertz kam am 25. April 1941 im böhmischen Reichenberg (heute Liberec) zur Welt, doch infolge des Zweiten Weltkriegs wurde seine Familie 1948 „ausgesiedelt“ und fand eine neue Heimat im rheinländischen Rheydt. Möglicherweise war es diese prägende Erfahrung, die ihn dazu veranlasst hat, den Krieg später zu einem zentralen Thema seiner Kunst zu machen.

Nach der Schule fand der Heranwachsende eine Lehrstelle als Maler für Weinflaschenetiketten, wurde aber wegen „mangelnden Talents“ entlassen. Auch mit seinem zweiten Lehrherrn, einem Gebrauchsgrafiker, hatte der junge Lüpertz kein Glück, denn das Unternehmen ging wenig später pleite. Doch die Kunst sollte sein Leben auch weiterhin bestimmen. Von 1956 bis 1961 besuchte er die Werkkunstschule Krefeld und absolvierte während dieser Zeit einen Studienaufenthalt im Kloster Maria Laach – mit weitreichenden Folgen. Die intensive Beschäftigung mit Kreuzigungsbildern versetzte ihn wohl vorübergehend in eine Phase religiöser Euphorie, sodass Lüpertz beschloss, zum Katholizismus zu konvertieren. Später sagte er dazu: „Gott ist für mich als Katholik die Projektion alles Guten, alles Wissens.“

Doch dem jungen Mann stand der Sinn zunächst nach Abenteuer. Er verpflichtete sich bei der französischen Fremdenlegion, desertierte aber schon nach wenigen Monaten, um nicht im Algerienkrieg eingesetzt zu werden.

Zurück in Deutschland ging er an die renommierte altehrwürdige Düsseldorfer Kunstakademie, um Malerei zu studieren. Hier kam es schon bald zum Eklat. Nachdem Lüpertz seinen Professor mit Bildern von Cowboys am Lagerfeuer sichtlich verärgert hatte, folgte eine heftige – wohl auch körperliche – Auseinandersetzung, die mit seinem Rausschmiss und der Exmatrikulation endete. Damals ahnte noch niemand, dass Lüpertz von 1988 an die Düsseldorfer Kunstakademie zwei Jahrzehnte lang leiten würde.

Um dem Wehrdienst zu entgehen, zog Lüpertz 1962 nach West-Berlin, wo seine eigentliche malerische Laufbahn begann, nachdem erste Gemälde bereits um 1960 entstanden waren. Hier entwickelte er die sogenannte „Dithyrambische Malerei“, mit der er sich von der zeitgenössischen Abstraktion absetzte. Der Begriff bezieht sich auf den Dithyrambos, jenen stürmischen und leidenschaftlichen Chorgesang der alten Griechen. Entsprechend kraftvoll und monumental gestaltete Lüpertz seine Gemälde, die meist der Stilrichtung des Neoexpressionismus zugerechnet werden, gekennzeichnet durch figürliche Darstellung von expressiver Farbigkeit.

Zentrales Thema seiner künstlerischen Auseinandersetzung in den 1960er Jahren war Deutschlands Rolle im Zweiten Weltkrieg. Schon bald wurden Stahlhelme zu seinem bevorzugten Motiv, aber auch Fahnen, Schaufeln und Uniformen. Es waren monumentale Werke, fünf oder sechs Meter groß, farblich meist in grün, braun und ocker gehalten, also bezugnehmend auf das Militärische. In einer Zeit, in der die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in Deutschland noch kein Thema war, legte Lüpertz den Finger in diese Wunde, weckte Erinnerungen und schuf gleichzeitig Assoziationen zu Schuld, Sterben und Todesangst.

Schon bald hatte sich Markus Lüpertz mit seinen expressiven Werken einen Namen gemacht. Mit nur 33 Jahren erhielt er eine Professur an der Kunstakademie Karlsruhe, wo er nach eigenen Angaben eine äußerst erfüllte Zeit erlebte, die er später in einem Gedicht beschrieb: „Karlsruhe war für mich die erste Freiheit/ Das dunkle Berlin bestimmte mein Leben/ Die kalten Nächte und ungeheizten Ateliers/ Die große Straße, die Eckkneipe, die Ruhmlosigkeit/ …Und Karlsruhe lockte mich, den Dreißigjährigen/ Und die Stadt und die Möglichkeiten knipsten das Licht an/  Wärmten mich mit südlichen Charme und idyllischen Plätzen.“

Auch die Themen veränderten sich. Seit den 1980er Jahren nahm Lüpertz zunehmend Bezug auf Kunstgeschichte und Mythologie und begann damals auch mit der Herstellung von Skulpturen. Bis 1986 blieb Markus Lüpertz in Karlsruhe, bevor er – sicherlich mit großer Genugtuung – an die Düsseldorfer Kunstakademie wechselte, zunächst als Professor, von 1987 bis 2009 als deren Rektor. Offene Stellen besetzte er mit anderen international bekannten Künstlern wie A.R. Penck, Rosemarie Trockel oder Jörg Immendorf, mit denen er freundschaftlichen Umgang pflegte.

1989 erhielt Markus Lüpertz den ersten Auftrag, für die Kathe­drale von Nervers im französischen Burgund ein Kirchenfenster zu gestalten. Dem folgten weitere Aufträge, unter anderem für die Lübecker Marienkirche und die romanische Kirche St. Andreas in Köln. Während diese Werke durchaus Anerkennung fanden, sorgte Lüpertz mit einem anderen Kirchenfenster für einen handfesten Skandal. Sein enger Freund, der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder, hatte 2018 der evangelischen Marktkirche in Hannover ein bleiverglastes Lüpertz-Fenster gestiftet. Das wollte der Sohn und Erbe des Architekten, der die Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut hat, auf jeden Fall verhindern und zog mit der Begründung vor Gericht, der Entwurf passe nicht zur „schöpferischen Grundaussage“ der Architektur. Umstritten war das 13 Meter hohe Fenster aber wohl deshalb, weil die Figur des Reformators Martin Luther von fünf Fliegen umschwärmt wird. Doch das Landgericht Hannover entschied zwei Jahre später zugunsten von Markus Lüpertz.

Es war nicht die erste Kritik an seinem Werk. Vor allem Lüpertz` klobige Skulpturen sorgten immer wieder für Empörung. Seine Aphrodite-Brunnenfigur in Augsburg musste 2001 wieder abgebaut werden, seine Mozart-Plastik in Salzburg wurde 2005 von einem erzürnten Aktivisten geteert und gefedert.

Auch der vielfach ausgezeichnete „Malerfürst“ selbst polarisiert, was nicht zuletzt daran liegt, dass er, ein Meister der Selbstinszenierung, seinen eigenen Geniekult pflegt, stets gekleidet im edlen Zwirn eines Londoner Herrenausstatters, mit Accessoires wie Totenkopfringen und einer teuren Markenuhr.  Doch Lüpertz winkt ab. Er mache sich beim Malen nun einmal dreckig und habe anschließend das Bedürfnis, sich „einigermaßen zu kleiden“. Das sei wohl selbstverständlich, wenn man über „gewisse Mittel“ verfüge. Immerhin erzielen seine Werke, die in zahlreichen Museen und öffentlichen Sammlungen zu sehen sind, auf Versteigerungen mindestens sechsstellige Preise.

Lit.: Siegfried Gohr, Markus Lüpertz, Köln 2001. – Markus Lüpertz im Gespräch mit Heinz Peter Schwerfel, Köln 1989. – Sylvia Weber (Hrsg.), Markus Lüpertz – Malerei, Zeichnung, Skulptur, Künzelsau 2002.

Bild: Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen.

Karin Feuerstein-Praßer