Biographie

Meyerheim, Eduard

Herkunft: Danzig
Beruf: Maler
* 17. Januar 1808 in Danzig
† 18. Januar 1879 in Berlin

Zu den angesehenen Malerdynastien im Deutschland des 19. Jahrhunderts gehörten die Meyerheim aus Danzig. Stammvater war Karl Friedrich Meyerheim, dort Meisterältermann der Stubenmaler. Alle vier Söhne wurden Maler. Am bekanntesten sind der vor 200 Jahren geborene Eduard und dessen Söhne Paul (Berlin 1842-1915 ebda.) und Franz (Berlin 1838-1880 Marburg) sowie sein Bruder Friedrich Wilhelm (Danzig 1815-1882 Berlin). Sodann sind zu nennen Gustav Adolf (Danzig 1816), dessen Sohn Robert Gustav (Danzig 1847-1920 London) und Hermann Robert (Danzig 1828).

Eduards Begabung waren mit der ersten künstlerischen Ausbildung beim Vater früh Wege gewiesen. Weiteren Unterricht erhielt er an der Danziger Provinzialkunstschulebei Johann Adam Breysig und bei dessen Neffen Johann Baptista Breysig. „Die Lohmühle … führte ich mit großer Genauigkeit in Oel aus, welche ich später an den Regierungssekretär Pietsch, den Vater des jetzt allgemein bekannten Schriftstellers und Zeichners Ludwig Pietsch, verkaufte“ (Autobiographie). Die gute Beurteilung der damaligen künstlerischen Autorität Danzigs, Johann Carl Schulz, ermöglichte ihm eine „Vergünstigung“ der Danziger Friedensgesellschaft und so konnte er 1830 die Ausbildung bei Gottfried Schadow, Heinrich Daehling und Johann Gottfried Niedlich an der Berliner Akademie fortsetzen. 1833 machte er im Kreis des Malers und Fabrikanten Carl Heinrich Arnold die Bekanntschaft des Maler-Dichters Robert Reinick, Landsmann gleichgestimmter Seele, sowie von Adolph Menzel, die zur lebenslangen Freundschaft mit dem sieben Jahre Jüngeren wurde. Ein Zeugnis der hohen Kunst Meyerheims und der tiefen Freundschaft ist das um 1840 entstandene meisterhafte Menzel-Porträt in der Nationalgalerie.

Anregend wurde Meyerheim die Verbindung zu dem Stettiner Franz Kugler. Mit ihm gab er 1832 seine Bleistiftzeichnungen als Lithographiefolge in dem AlbumDanzig nebst Umgegend heraus, das breite Anerkennung fand und dessen perspektivische Klarheit gelobt wurde. Die Zusammenarbeitfand 1833 Fortsetzung in Architektonische Denkmäler der Altmark Brandenburg. In malerischen Ansichten aufgenommen von Strack, Architekt, und Meyerheim Maler. Lithographiert von Meyerheim. Mit erläuterndem Texte von Dr. Franz Kugler. Der junge Meyerheim wurde auch zur Illustration des berühmten Werks Andeutungen über Landschaftsgärtnerei des Hermann Fürst von Pückler-Muskau in Erwägung gezogen. Das Werk wurde jedoch von August Wilhelm Schirmer realisiert, da Meyerheim sich vom Vedutenzeichnen abwandte. Der Weg zum Genremaler hatte sich in den 30er Jahren rasch vollzogen. Alsbald entsagte er realistischen Spannungen, die in früheren Werken noch virulent sind, wie in der erfolgreichenKegelgesellschaftvon 1834 (Nationalgalerie) oder in der Zeichnung Erntesegen(Ostdeutsche Studiensammlung),wo er der Geborgenheit der dörflichen Gemeinschaft im Hintergrund eine Auswandererszene gegenüberstellt. Ebenso gibt er das vielfigürliche Bild auf und beschränkt sich auf Szenen einzelner oder weniger Personen. Meyerheim folgte seiner „innersten Neigung, der Darstellung des Volks- und Kinderlebens, welche ihn mehr und mehr zum Liebling der Nation machte“ (Boetticher). In seiner Berliner Nachbarschaft und auf Studienreisen in Thüringen, Hessen, im Harz und den Rheingegenden fand er in der häuslichen Welt und im bäuerlichen Leben seine Themen, die er „mit kindlich reiner Seele, mit dem Auge des naiven Volksdichters, der die Einfalt und den köstlichen Humor nicht verschmäht“ (ADB) gestaltete. 1848 charakterisierte Franz Kugler Meyerheims Kunst: „Es ist nichts, durchaus nichts in diesen Zuständenidealisiert; aber Meyerheim hat den Blick für das innerste Herz des Volkslebens, für die Sittlichkeit und Unschuld, die dasselbe gesund und schön machen.“

1836 wurde er Mitglied der Akademie. 1837 heiratete er Karoline Drake, die Schwester des Bildhauers Friedrich Drake. Die Hochzeit fand im Hause des Bildhauers Daniel Rauch statt. Meyerheim war arriviert, wie dies auch sein Porträt im Kreise der Berliner Künstlerschaft in Franz Krügers zweitem Paradebild von 1839 zeigt. Trotz der Anerkennung war er kein Künstler mit großem Atelier, das von der Kundschaft als Sehenswürdigkeit aufgesucht wird. Sein Arbeitsplatz, die einfache Stube, entsprach seiner Bildwelt. 1855 wurde ihm der Professorentitel verliehen, weitere Auszeichnungen folgten, auch wurde er Ehrenmitglied der Akademien in Berlin, Dresden und München. Die letzten sieben Lebensjahre waren von einer Körper und Geist lähmenden Nervenkrankheit überschattet, so dass er nicht mehr malen konnte. Vor seinem Tod erholte er sich noch einmal für kurze Zeit, in der er seine Vaterstadt Danzig aufsuchte. Nach der Rückkehr zehrte das Leiden die Lebenskräfte auf und er verstarb in geistiger Umnachtung. Seine Autobiographie erschien aus dem Nachlass 1880, ergänzt von Sohn Paul, eingeleitet von Ludwig Pietsch mit einem Nachwort von Berthold Auerbach.

Seine Themen wie Elternglück, Kinderfreuden beim Spiel und mit Tieren, Familienheiterkeit usw. legten den Grund zu einer derartigen Genremalerei in Deutschland, die sowohl die Düsseldorfer als auch die Münchner Malerschule beeinflusste und bisins 20. Jahrhundert hinein Wirkung zeigte. Auf eine interessanteQuerverbindung hat sein Landsmann Ludwig Pietsch bereits 1880 hingewiesen:„Immermanns Münchhausen mit der Oberhof-Idylle, von welcher doch erst die ganze moderne deutsche Dorfgeschichtenliteratur ihren Ausgang nimmt, fällt ungefähr in dieselben Jahre wie Meyerheims erste westfälisch-hessische Dorfbilder.“ Der Beliebtheit seiner Bilder entsprach die große Verbreitung als Stahl- und Kupferstich, Lithographie und früh durch die Photographie. In den 1850er Jahren erschien bei Gustav Schauer (Berlin) dasMeyerheim-Album, 10 Gemälde mit Gedichten von Moritz Meyer. Das Album ist nicht nur ein Beispiel für durch Gemälde entstandene Dichtung, sondern auch eine Inkunabel der Photographie von Gemälden. Vor dem Hintergrund der großen Verbreitung seines Schaffens versteht man Max Liebermanns Bemerkung, dass der alte Eduard Meyerheim (neben noch anderen) bis zum Französischen Krieg viel berühmter als Menzel gewesen sei (Wirth, S. 164).

Mehrere Museen, wie Bremen, Dresden, Essen, Leipzig, Marburg, München, St. Petersburg, Schweinfurt, das Westpreußische Landesmuseum Münster und vor allem die Nationalgalerie in Berlin haben Werke im Besitz, ebenso sind Gemälde in die Sammlungen in Danzig, Breslau und Posen gekommen. Seine Gemälde erreichen in Auktionen beachtliche Zuschläge, die im Gegensatz zur kunstgeschichtlichen Bewertung stehen. Nur seine Veduten finden dort periphere Aufmerksamkeit. Die spätere Meinung des inzwischen vom Großstadtjournalismus geprägten Ludwig Pietsch wurde im 20. Jahrhundert zur Ausschließlichkeit:„So wie er sie malt, sonnig, sauber, harmonisch, in sich glücklich und zufrieden, ist die Welt und ist das Volk nicht, und ist es nie gewesen.“ Zu bedenken wäre, dass das Idyll ohne Zeit ist und Meyerheims Augenblicke wie Guten Morgen, lieber Vater,Der Geburtstagskorb,Leckerbissen,Mutter und Kind usw. zum ewig Menschlichen gehören, jenseits jener Anführungszeichen für den Begriff heile Welt, der ohne diese suffisanten Klammern heute gar nicht mehr verwendbar scheint. Man sollte die kurzen Momente des Glücks reiner Süße, wie wir sie alle in menschlicher Selbstvergessenheit erkennen dürfen, – erlebend und anschauend – in der Meyerheimschen Bildwelt und sonst in der Kunst finden, noch freudig aufnehmen können, wenn uns die irdische Bitternis auch fehlen möge, was wir vielleicht erst im Paradies ertragen.

Lit.:Kunst-Lexika und Literatur zur Berliner Kunstgeschichte des 19. Jahrhundert; Helmut Börsch-Supan, Die Kataloge der Berliner Akademie-Ausstellungen 1786-1850,Berlin 1971. – Rudolf Meyer-Bremen, Die Ausstellungskataloge des Königsberger Kunstvereins im 19. Jahrhundert,Köln usw. 2005. – Lionel v. Donop, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Berlin 1885, 21. Bd., S. 640ff. – Ludwig Pietsch, Wie ich Schriftsteller geworden bin, Berlin 1894 u. 1898, NA Berlin 2000, S. 336-340. – Friedrich v. Boetticher, in: Malerwerke des neunzehnten Jahrhunderts,Leipzig 1891, ND Leipzig 1948, Bd. 2/1, S. 570ff. – Willi Drost, Die Danziger Architektur- u. Genremalerei im 19. Jahrhundert,in: Westpreußen-Jahrbuch 1953, Leer, S. 63ff. – Schwarz, in:Altpreußische Biographie, Bd. 2; Marburg 1967. – Galerie der Romantik, Katalog zur Ausstellung Nationalgalerie Berlin 1986, Berlin, 2. Aufl. 1987, S. 145f, 152, 157ff. – Irmgard Wirth, Berliner Maler – Menzel, Liebermann, Slevogt, Corinth in Briefen usw., Berlin 1986 (2. Aufl.), S. 164. – Katalog Von Chodowiecki bis Liebermann. Katalog der Zeichnungen, Aquarelle, Pastelle und Gouachen des 18. und 19. Jahrhunderts,Berlin Museum 1990, S. 278ff. – Exzellenz lassen bitten – Erinnerungen an Adolph Menzel, hrsg. v. Gisold Lammel, Berlin 1992, div. S. – Adolph v. Menzel und ostdeutsche Malerkollegen in Berlin,Freundschaftsgabe der Ostdeutschen Studiensammlung 1994. – Gisold Lammel, Preußens Künstlerrepublik, Kapitel Eduard Meyerheim und seine Bilder vom ländlichen Leben,Berlin 1995, S. 41-46. – Helmut Börsch-Supan, Künstlerwanderungen nach Berlin,München-Berlin 2001, S. 67, 295. – Rudolf Meyer-Bremen/Jörn Barfod, Frühe Ansichten Ost- und Westpreußens im Steindruck,Husum 2001. – Katalog Starogard Gdański/Preußisch Stargard: Danziger Malerei des 19. Jahrhunderts Westpreußisches Landesmuseum Münster, Münster 2005.

Bild:Selbstbildnis nach Katalog 1990 Berlin Museum (Nr. 586).