Biographie

Neumann, Gerhard

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Maler
* 15. August 1907 in Oppeln/Oberschlesien
† 13. November 2004 in Bonn-Bad Godesberg

Aus der Staatlichen Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau, die Opfer der Brüningschen Sparmaßnahmen wurde und mit Jahresende 1931 schließen musste, ist eine Reihe namhafter Künstler oberschlesischer Provenienz hervorgegangen, zu denen auch Gerhard Neumann gehört.

Als Sohn eines Berufsoffiziers kam Gerhard Neumann am 15. August 1907 in Oppeln, der damals mehr als 30.000 Einwohner zählenden Stadt an der Oder, zur Welt. An der dortigen Oberrealschule legte er 1925 die Reifeprüfung ab. Lange vor dem Abitur entschied sich der Gymnasiast für den Beruf des Bildhauers, doch der Direktor der Holzschnitzschule in Bad Warmbrunn, Prof. Cirillo dell’Antonio, der die spezifische Begabung des Bewerbers sogleich erkannte, riet ihm vom Studium der Bildhauerei ab und empfahl ihm das der Malerei. Aufgrund von Arbeitsproben, die der 18-Jährige dem Direktor der Breslauer Kunstakademie, dem Jugendstilkünstler August Endell, vorgelegt hatte, konnte er ohne weiteres 1925 mit dem Studium beginnen, das er 1927 abschloss. Seine Lehrer waren der Expressionist Otto Mueller und der Impressionist Oskar Moll, dessen Assistent Neumann 1931 wurde. 1928 ging er nach Paris, wo er im Atelier von Fernand Léger arbeitete und im Louvre Kompositionsstudien betrieb. Während des Aufenthalts in der französischen Hauptstadt kam es zur Begegnung mit so bekannten Künstlern wie Georges Braque, André Lhote und André Lurçat.

Dem Rat seines Lehrers Otto Mueller folgend, entschied sich der angehende Künstler zusätzlich für den Beruf des Kunsterziehers, weil ihm der Beamtenstatus finanzielle Sicherheit zu bieten und Unabhängigkeit zu ermöglichen schien. Mit besonderer Genehmigung des preußischen Kultusministers Carl Heinrich Becker durfte er vorzeitig 1927 in Breslau das wissenschaftliche und 1928 das pädagogische Staatsexamen für das künstlerische Lehramt an höheren Schulen ablegen. Zwischen 1929 und 1943 unterrichtete er mit kurzen Unterbrechungen das Fach Kunsterziehung an folgenden Gymnasien: zunächst in Cosel, 1932 am Jüdischen Reformrealgymnasium in Breslau – hier wurde er 1933 aus dem Dienst entlassen –, danach in Liebenthal, Habelschwerdt, Hindenburg und Oppeln, wo er von 1940 an als Fachleiter am Studienseminar wirkte.

Nachdem er 1942 als „Kriegsmaler“ in Russland, danach in Griechenland und auf Kreta gearbeitet hatte, wurde er 1943 zum Wehrdienst einberufen und geriet 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft, aus der er Ende des Jahres entlassen wurde. Von 1946 an lebte Neumann als Flüchtling mit seiner Familie im thüringischen Kirchheim, wo er als freier Maler arbeitete, bis ihm 1950 die Flucht aus der sog. DDR nach West-Berlin gelang. Hier kehrte Normalität in sein Leben zurück. Er fand wieder eine Anstellung im Schuldienst, bildete Referendare und Lehrer für den Werk- und Kunstunterricht aus, gehörte zu den Gründern der Bauhütte für christliche Künste in Berlin-Dahlem und konnte 1953 auf der Internationalen Kunsterziehertagung in Hannover mit einer pädagogischen Reihe hervortreten, die als Einzelbeitrag des Landes Berlin gezeigt wurde. 1954 erhielt er einen Ruf an das Staatliche Nicolaus-Cusanus-Gymnasium in Bad Godesberg mit dem Auftrag, den Kunstunterricht aufzubauen. Hier konnte der geborene Pädagoge fast zwei Jahrzehnte bis zum Eintritt in den Ruhestand (1973) erfolgreich wirken.

In über sechs Jahrzehnten hat Neumann ein umfangreiches Œuvre geschaffen. Allerdings büßte er davon mit dem Verlust der Heimat auch sein gesamtes Frühwerk ein, ausgenommen neun Arbeiten des erst 19-Jährigen. Weitere etwa 30 Bilder aus den Jahren 1927 bis 1938 blieben wenigstens in fotografischer Wiedergabe erhalten und belegen seine frühe Eigenständigkeit. Nach dem künstlerischen Neubeginn entstanden neben grafischen Blättern, Glasfenstern und Mosaiken vor allem Ölbilder, die den Schwerpunkt seines Werkes bilden.

Neumann, der ein inniges Verhältnis zu Natur in ihren verschiedenartigen Erscheinungsformen hatte, wandte sich thematisch der Landschaftsmalerei zu, wobei er als Bildträger ausschließlich großformatige Pressholztafeln verwendete. Als abstrakter Maler strebte er danach, die Landschaft stark zu vereinfachen, gewissermaßen ihre Struktur sichtbar zu machen. Stets hat er entschieden widersprochen, wenn flüchtige Betrachterseiner Landschaftsbilder diese als gegenstandsfrei bezeichneten. Er selbst pflegte sie„Abstraktionen nach Seherfahrungen“ zu nennen. Es will scheinen, dass die knappen Bildtitel den einfach aufgefassten Landschaften entsprechen. Meist nur aus einem einzigen Substantiv bestehend, werden sie gelegentlich um ein Adjektiv erweitert. Bei den mitEis(schollen) auf der Oder bezeichneten Bildern – Reminiszenzen an das Herkunftsland – erscheint der Eindeutigkeit wegen die Ortsbestimmung als Zusatz. Nur viermal kommt in den späteren Jahren der Mensch auf der Bildfläche vor, gipfelnd in Neumanns Selbstbildnisvon 1976. Seine monumentalen, menschenleeren Landschaftsbilder haben nichts Bedrohliches, vielmehr strömen sie durch die Harmonie der Formen und Farben wohltuende Ruhe aus und laden zum Verweilen und Meditieren ein.

Ein weiter Bogen spannt sich von der ersten Ausstellung des 19-jährigen Studenten, die 1926 in der Galerie Max Glauer in Oppeln zu sehen war, bis zu seiner letzten, die anlässlich der Vollendung seines 95. Lebensjahres 2002 im Haus an der Redoute in Bad Godesberg gezeigt wurde. Dazwischen liegen über 70 Einzel- und rund 250 Gruppenausstellungen im In- und Ausland.

Mehrfach wurde Neumanns künstlerische Leistung öffentlich anerkannt: 1927 erhielt er den Kunstpreis der Akademie Breslau, 1976 wurde ihm der Oberschlesische Kulturpreis des Landes Nordrhein-Westfalen (Hauptpreis) verliehen, 1983 die Ehrengabe des Lovis-Corinth-Preises überreicht und 1987 der Kulturpreis Schlesien des Landes Niedersachsen (Sonderpreis) zuerkannt.

Der Maler und Studiendirektor a.D. Gerhard Neumann starb in biblischem Alter am 13. November 2004 in Bad Godesberg. Seine Werke waren in der NS-Zeit als „entartet“ verpönt und durften 1933 bis 1937 nicht ausgestellt werden. Des ungeachtet blieb der Künstler seiner Überzeugung durch die Jahrzehnte treu, ohne Zugeständnisse an den jeweiligen Zeitgeist zu machen.

Lit.:Vommer, Bd. 3. – Hannes Schmidt, Gerhard Neumann – ein Maler des Monumentalen, in: Schlesien XX (1977), H. 3. – Günther Ott, Künstlerprofile 1, Düsseldorf 1980. – Ausstellungskatalog: gerhard neumann, Köln 1982. – Hugo Borger, Laudatio auf Gerhard Neumann, in: Erbe und Auftrag. Oberschlesischer Kulturpreis 1965-1985, Düsseldorf 1988.

Bild:Landsmannschaft der Oberschlesier, Bundesverband, Ratingen.