Biographie

Nipkow, Paul Julius Gottlieb

Herkunft: Pommern
Beruf: Elektroingenieur, Fernsehpionier
* 22. August 1860 in Lauenburg/Pommern
† 24. August 1940 in Berlin

Als Sohn des Bäckermeisters und Stadtverordnetenvorstehers Friedrich Wilhelm wurde Paul Nipkow im pommerschen Lauenburg geboren. Vom Progymnasium Lauenburg wechselte er 1880 zum Gymnasium nach Neustadt. In Berlin studierte er Mathematik und Naturwissenschaften für das höhere Lehramt. Die Beschäftigung mit dem Telefon am Gymnasium setzte er als Student mit Überlegungen zum „Fernsehen“ fort.

Nipkow heiratete 1884 eine Lehrerin, die aber wenig Verständnis für seine Erfindertätigkeit zeigte. „Erfinder sollen nicht heiraten – sie sollen sich nur mit ihren geistigen Kindern beschäftigen“, meinte Nipkow einmal. Nach dem Tod des Vaters brach er das Studium ab und wurde Ingenieur. Beschäftigung fand Nipkow bei der Eisenbahn-Signalbau-Anstalt in Berlin-Borsigwalde. Nachdem 1817 von Berzelius das Selen entdeckt und von May dessen Eigenschaft, bei Lichtbestrahlung den Widerstand zu ändern, erkannt worden war, gingen mehrere Pioniere daran, in der Art des Sprechtelefons auch Bildübertragungen zu erdenken. Bain schlug 1842 vor, mit einer Kontaktfeder die Vorlage abzutasten, die im Selen aufgenommenen Lichteffekte als Stromimpulse zu übertragen und im Empfänger die Impulse zu Helldunkel-Zeichnungen eines Schreibstiftes umzuformen. Bakewell, Caselli, de Paiva, Senlecq und entwickelten teils theoretisch, teils als funktionierende Apparate diese Idee weiter. Um lebendige Bilder zu übertragen, waren alle diese Verfahren der Bildzerlegung zu langsam, Casellis mit synchronen Pendeln gut arbeitender „Pantelegraph“ benötigte für ein Bild ca. zwei Minuten.

Nipkow hatte bei H. v. Helmholtz über das Auge und dessen Trägheit gehört, Spielzeuge wie die Wunderscheibe, an deren Rand die Phaseneiner Bewegung gezeichnet sind und beim Drehen dem Auge als kontinuierlicher Vorgang erscheinen, waren im Umlauf. Auch optische Täuschung einer kreisenden Scheibe mit darauf gezeichneter Spirale war Nipkow sicher bekannt. Am Heiligen Abend 1883 fiel ihm in seiner Studentenbude Philippstraße 13a jene Vorrichtung ein, die nach eigenen Worten die „Generalidee des Fernsehens“ beinhaltete: die „Nipkowscheibe“. Löcher in Spiralform auf einer rotierenden Scheibe führen an sämtlichen Punkten einer Bildvorlage vorüber. Die über eine Linse einer Selenzelle geführten hell-dunkel-Lichtimpulse werden als Stromstöße an einen Empfänger gesendet und dort in Lichtschwankungen einer Glimmlampe geformt, die durch die Löcher einer zweiten Nipkovscheibe auf eine Bildfläche fallen. Die beiden Scheiben laufen synchron. Sorgen breitete Nipkow die Glimmlampe, die es in der gewünschten Perfektion noch nicht gab. Nipkow behalf sich mit zwei gekreuzten Nicol-Prismen, bei denen dem Faradayeffekt zufolge das Magnetfeld der Stromschwankungen Aufhellungen im sonst dunklen Zwischenraum erzeugt. Das Deutsche Reichspatent 30105 für sein „Elektrisches Teleskop“ erhielt Nipkow am 6. Januar 1884.

So manche Verbesserung und Entdeckung stammt noch von Nipkow; besonders stolz war er auf die Erfindung einer mit Muskelkraft angetriebenen Flugmaschine, die jedoch selbst mit modernster Technologie nicht zu verwirklichen ist.

Bald machten sich andere die Erfindung der Scheibe zueigen, nachdem Nipkow die Verlängerungen des Patentschutzes nicht mehr bezahlen konnte. So nutzte etwa Liesegang, der auch den Namen Fernsehen schuf, die Idee für seinen Apparat „Phototel“. Karolus in Leipzig zeigte 1924, daß Nipkows Erfindung betriebsfähig ist. Noch 1927 baute der niederländische Fernsehpionier Kerkhof einen Fernsehempfänger mit Nipkowscheibe und Glimmlampe; zum Abtasten von Filmen für das Fernsehen auf Senderseite hielten sich Nipkowscheiben bis 1943. Ein halbes Jahrhundert war Nipkow vergessen. Doch als in fast allen Industrieländern Fernseher gebaut wurden, flossen die Ehrungen und Geldmittel in reichem Maß: 1935 bestellte man Nipkow zum Ehrenpräsidenten der Fernsehgemeinschaft, am 75. Geburtstag überreicht man dem „Vater des Fernsehens“ ein FE3-Fernsehgerät mit Bildröhre, er wird Ehrendoktor der Frankfurter Universität usw. Als Nipkow zwei Tage nach seinem 80. Geburtstag stirbt, ordnet die NS-Führung ein Staatsbegräbnis an

Lit.: W. Bruch: Die Fernseh-Story. Stuttgart 1969; G. Goebel: Paul Julius Gottlieb Nipkow. In: S. v. Weiher (Hg.): Männer der Funktechnik. Berlin und Offenbach 1983; W. Möbus: Wegbereiter der Funktechnik. München 1951; P. Nipkow: Der Telephotograph und das elektrische Teleskop. In: Elektrotechnische Zeitschrift 10 (1885), 419-425.