Biographie

Popp, Philipp

Herkunft: Ungarn
Beruf: Ev. Bischof, Märtyrer
* 23. März 1893 in Bezanija bei Semlin/ Kgr. Ungarn
† 29. Juni 1945 in Zagreb

Eine bekannte Fotografie zeigt den ersten und einzigen evangelischen Bischof im Vorkriegsjugoslawien, Philipp Popp, in seinen besten Jahren, nicht mit dem Bischofskreuz, sondern dekoriert mit einigen Orden, Ehrenzeichen und mit einer breiten hellen Schärpe wie bei hohen Militärs und Diplomaten – überwiegend Auszeichnungen des jugoslawischen Staates, etliche vom serbischen König Alexander selbst verliehen. Ein ungewöhnliches Bild eines Kirchenmannes, bezeichnend für sein Leben. Dennoch lässt sich allein an diesen Zeichen seine Einstellung nicht messen.

Da Popp nahezu der einzige evangelische Pfarrer war, der ein serbisches Gymnasium besucht hatte und die Staatssprache sicher beherrschte, fiel ihm in dem 1918 entstandenen Staat der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS) bei der Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse eine besondere Rolle zu. Die große Loyalität zu diesem Jugoslawien, das 1941 einschließlich des Königtums zerbrach, aber auch seine Glaubenstreue wurde ihm in den Umwälzungen 1945 zum Verhängnis.

Popp wurde 1893 in der Nähe von Belgrad geboren, Kind einer donauschwäbischen Familie, die Eltern waren einfache Bauern. Philipp besuchte die Schulen in Semlin und kannte sich in der zukünftigen Hauptstadt, die gerade jenseits der Grenze Ungarns lag, aus. Er entwickelte schon als Schüler eine Neugier für seine prawoslawischen Nachbarn, beobachtete ihre farbenprächtigen Gottesdienste und wurde sogar als Sänger in den Chor der Orthodoxen aufgenommen. Diese Kenntnis und Achtung der serbischen Kultur sollte sein Leben prägen.

Nach dem Abitur studierte Popp 1913-1917 Theologie am lutherischen Seminar in Presow (Nordungarn, heute östl. Slowakei), damals eher unter dem ungarischen Namen „Eperjes“ bekannt, wie auch Ungarisch die Hauptsprache war, die dem Studenten Popp nicht leicht fiel. Dieser Studiengang war anders als an deutschen Fakultäten eine straffe, auf die Praxis ausgerichtete Ausbildung. Wahrscheinlich hat ihn der Bedarf an Pfarrern vor der Einberufung zum Kriegsdienst bewahrt. Vielleicht hat auch eine Rolle gespielt, dass im Gegensatz zu vielen, die sich freiwillig meldeten, er sich scheute, gegen die ihm vertrauten Serben zu kämpfen.

Nach Abschluss des Studiums 1917 wurde er zunächst als Vikar in eine verwaiste Gemeinde nach Agram (Zagreb) geschickt und 1918 ebenda als Pfarrer gewählt. Gewiss trug zu dieser Entscheidung bei, dass er dort seine Liebe, die Lehrerin Malwine Schmidt, fand und heiratete. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Agram/Zagreb wurde seine zweite Heimat. So nahm er die Gelegenheit wahr, in der noch sehr österreichisch-ungarisch geprägten Stadt nebenher etwas Jura und Philosophie zu studieren. In letzterem Fach promovierte er über Das Verhältnis von Religion und Ethik und war somit wohl der erste der jugoslawischen bzw. donauschwäbischen Pfarrer, der einen „Doktor-Titel“ vorweisen konnte, selbst wenn dieser nicht in evangelischer Theologie, sondern vermutlich bei katholischen Philosophen erworben war. Weil es ihm gelang, nach dem Zerbrechen des k.u.k.-Staates die recht unter­schiedlich geprägten evangelischen Gemeinden von Zagreb zu einigen und zu ordnen, wählte man ihn, den kaum 30-jährigen, zum Senior (Dekan). Sein Einblick in das Rechtswesen war ihm bei der Aushandlung von Kirchenverfassungen und Staatsverträgen zweifelsohne von Nutzen. Daher war er bei der Neuordnung der evangelischen Kirche nach dem Ersten Weltkrieg tatkräftig beteiligt, einer Kirche, deren Mehrheit jedoch 400 km östlich von Zagreb in der Batschka lebte.

Dass er diesen Staat vorbehaltlos akzeptierte, war auch die Voraussetzung dafür, dass man ihn 1927 als Nachfolger des überraschend verstorbenen Kirchenpräsidenten Wagner aus Neu-Werbass zum „Distriktpräsidenten“ der evangelischen Kirche wählte, ohne damit seinen Amtssitz in die Vojvodina verlegen zu müssen. Es schien dem Ansehen der kleinen Exilkirche zum Vorteil zu gereichen, wenn ihr Oberhaupt in der angesehenen Hauptstadt einer Teilrepublik residierte. Allerdings kam es immer wieder zu Anläufen, den Amtssitz von Zagreb nach Osten ins Herz der Batschka zu verlegen.

Ab 1928, mit der Planung eines Bischofsamtes, erhielt Popp die Bezeichnung „Bischöflicher Administrator“. Nach Verabschiedung der neuen Kirchenverfassung und der staatlichen Anerkennung, dem sog. „Protestantengesetz“ von 1930, verlieh man ihm den Titel Bischof, im Protestantismus eine ungewöhnliche Entscheidung. Denn das Bischofsamt war seit der Reformation ziemlich diskreditiert, nun aber erfolgte eine Anpassung an die Gewohnheiten in Jugoslawien, das von orthodoxen und katholischen Hierarchien geprägt war.

Sehr hilfreich war, dass der Deutsche Popp einen guten Draht zum serbischen König hatte und dieser ihn als Berater schätzte. Ab 1930 änderte sich die Situation der Lutheraner wie auch aller Deutschen in Jugoslawien zum Besseren, zweifellos auch ein Verdienst Popps. Das serbische Königshaus akzeptierte die deutsche Minderheit als kreative Kraft und ließ sie gewähren. Auch dem protestantischen Fünftel schenkte man fortan mehr Aufmerksamkeit. Der König sandte Vertreter zu den anstehenden 150-Jahr-Feiern der evangelischen Dörfer. Von protestantischer Seite wurde besonders honoriert, dass man die Schulstiftung einrichtete und endlich eine ordentliche Lehrer­ausbildung für die deutschen Schulen förderte (Schulgesetz von 1933).

Während der Amtszeit Popps und des neuen Aufbruchs um 1930 kam es zu manchen neuen Initiativen in den evangelischen Gemeinden Jugoslawiens: z.B. Gustav-Adolf-Feste, bei denen man nicht länger nur dankbarer Empfänger war, sondern genug sammelte, um andere Minderheitskirchen zu unterstützen. Mehrmals wurden Sängerfeste der evangelischen Gemeinden veranstaltet, Großereignisse mit Tausenden Teilnehmern. Ein begabter Kantor, nach Deutschland gesandt, um Kirchenmusik zu studieren, hielt als „Kirchenmusikwart“ Kantorenkurse und Chorleiterlehrgänge in Neu-Werbass. Jährlich wurde die Pfarrerschaft zu Rüstzeiten mit deutschen Professoren als Referenten eingeladen. Beachtlich ist auch, dass diese Kirche mit nur 70 Gemeinden um 1930 etwa 25 Theologiestudenten hatte, fast alle in Deutschland oder Österreich, so viele, dass der Bischof neue Interessenten davor warnte, dieses Studium zu ergreifen, weil nicht genug Pfarrstellen für alle Vikare vorhanden seien.

1931 wurden zwei „Landeskirchentage“ (Synoden) für die Umsetzung der neuen Kirchenverfassung abgehalten: der erste im Februar in Neu-Werbass, der zweite Ende September 1931 in Zagreb, bei welchem der bisherige Administrator Popp die Bischofsweihe erhielt. Zu diesem Anlass waren zahlreiche hochrangige Repräsentanten des europäischen Luthertums angereist: der Landesbischof von Mecklenburg-Schwerin als Vertreter des Deutschen Kirchenbunds, der Kirchenpräsident von Paris, ein Abgesandter aus Kopenhagen, ein Professor aus Oslo, ein Bischof aus Schweden, Oberkirchenräte aus Posen, ebenso aus der Tschechoslowakei, ein Bischof und ein Professor aus Ungarn u.a. sowie die Vertreter des orthodoxen Patriarchen, der altkatholischen Kirche, der jüdischen Glaubensgemeinschaft, ein Domherr von der katholischen Diözese nebst Repräsentanten des jugoslawischen Staates. Es war ein Ereignis, wie man es bis dahin nicht kannte, es trug zum Ansehen der Protestanten bei. Bischof Popp fehlte es nicht an Anerkennung, weder im Inland noch im Ausland. Man nahm diese „Deutsche Evangelische Kirche A.B. im Königreich Jugoslawien“ fortan wahr. Das Oberhaupt dieser etwa 100.000 evangelischen Deutschen zusammen mit ca. 25.000 Wendischen (teils deutschsprachigen Slowenen) in einer Kirche wurde so etwas wie eine nationale Institution. Gerühmt war Popps Redegabe und Schlagfertigkeit. Wenn er reiste und seine Kirche vertrat, warb er wie selbstverständlich auch für seinen königlichen Staat. Als der junge Monarch Alexander 1934 einem Attentat zum Opfer fiel, war Popp zutiefst betroffen und ordnete Trauergottesdienste an.

Auch in Deutschland war man auf Popp aufmerksam geworden. Der 1922 gegründete „Deutsche Evangelische Kirchenbund“ (Vorläufer der EKD), dem alle 28 damaligen Landeskirchen angehörten, sowie das zur Betreuung der deutschen Auslandsgemeinden eingerichtete „Außenreferat“ und besonders dessen 1928 eingesetzter Leiter Dr. Theodor Heckel unterhielten eine recht intensive Verbindung zu Popp. Die ansehnliche Versammlung lutherischer Oberhäupter bei der Bischofsweihe in Zagreb wäre ohne dieses deutsche kirchliche Außenamt kaum zustande gekommen. Popp, der bald selbst viel in Europa reiste, wurde innerhalb weniger Jahren zum herausragenden Partner des Berliner Kirchenamts, d.h. diese Behörde wurde zum engen Ratgeber und Sponsor des agilen Bischofs. Zahlreiche Volksmissionare und Festredner wurden über das Außenamt vermittelt.

Da dieses Kirchenamt durch den von Hitler ernannten „Reichsbischof“ Müller zunehmend nationalistische Motive verfolgte, richtete es seinen Blick auf die sog. „Volkstumskirchen“. Folglich wurde das „Außenamt“ 1934 mit der Ernennung Heckels zum „Auslandsbischof“ entsprechend aufgewertet. Dieser war zwar kein Nationalsozialist, arbeitete aber doch bewusst unter diesen Voraussetzungen. Vor der oppositionellen „Bekennenden Kirche“ und Pastor Niemöller wurde Popp ausdrücklich gewarnt.

Schon am 21. Februar 1934 hatte Popp ein „freundschaftliches Übereinkommen“ mit dem Deutschen Kirchenbund geschlossen. Für den folgenden Tag arrangierte der „Reichsbischof“ eine Audienz Popps bei Hitler, der das Abkommen ausdrücklich lobte. Bischof Popp und die „Deutsche Evangelische Kirche A.B. im Königreich Jugoslawien“ wurden so zum Lieblingskind des Außenamtes, dessen Mitarbeiter bei zahlreichen Gelegenheiten in Zagreb und in der Batschka auftraten. Zusammen mit Heckel betrieb Popp auch den Bau einer repräsentativen Evangelischen Kirche mitten in Belgrad.

Popp hielt ausschließlich Kontakte zu diesem Außenamt. Eine Einladung zu einer Evangelischen Woche in Stuttgart, die von der oppositionellen Bekennenden Kirche gestaltet war, sagte man auf den „Rat“ des Außenamtes ab. Ein neu eingesetzter Jugendpfarrer in Jugoslawien musste wegen seiner nazi-kritischen Haltung zurücktreten, die Jugendarbeit geriet daraufhin unter Einfluss der „Erneuerer“, einer Richtung, die den Nazis nahestand. Popp erhielt 1936 von der Evangelischen Fakultät der Universität Breslau den Ehrendoktor für Verdienste am deutschen Volkstum. Mit der finanziellen Hilfe des Außenamtes wurde 1936 erstmals ein einheitliches Gesangbuch für die deutschen Gemeinden geschaffen. Damit war die kirchenpolitische Ausrichtung der evangelischen Donauschwaben in Jugoslawien zum ungarischen Kulturbereich nach 150 Jahren endgültig beendet.

So war die Zusammenarbeit mit Berlin vielseitig, jedoch glaubte das Außenamt, eine Führungsrolle gegenüber der Kirche in Jugoslawien zu haben. Popps ehemaliger Vikar Matthias Merkle berichtet, dass der Hamburger Pfarrer und Volksmissionar Dr. Barnikoel von Heckel in Belgrad installiert worden sei, nicht nur um in den verstreuten Gemeinden Jugoslawiens missionarisch zu wirken, sondern um Popp zu kontrollieren und zu manipulieren.

Der Glaubenskonflikt in der Deutschen Christenheit ging dennoch nicht an Popp vorbei. Zusammen mit Pfr. Gerhard May nahm er 1937 an der ökumenischen Weltkirchenkonferenz in Oxford teil, die auch eine Erklärung zum Thema „Kirche und Volk“ verabschiedete: wo die Liebe zum eigenen Volk zur Verdrängung und Unterdrückung anderer Völker und Volksgruppen führt, ist dies Sünde und Auflehnung gegen Gott“. Weil Popp diesen Passus zustimmend in seinem Rechenschaftsbericht aufnahm, griff ihn die Volksgruppenführung heftig an. Popp verteidigte sich und bewahrte diese Haltung auch als 1938/39 die ersten aus dem „Reich“ vertriebenen Juden in Zagreb Zuflucht suchten. Die evangelische Gemeinde sorgte für ihre Unterbringung und half bei der Weiterreise. Trotz aller deutlich bekundeten Neutralität im deutschen Kirchenstreit geriet der Bischof wider Erwarten in eine Opposition zu den „Erneuerern“, die gegen ihn agierten.

Für Philipp Popp muß die Zerschlagung Jugoslawiens nach dem sog. Aprilkrieg 1941 und die Besetzung durch das „deutsche Reich“ eine persönliche Katastrophe gewesen sein. Alles, wofür er seit zwei Jahrzehnten gearbeitet hatte, die Verständigung zwischen den zahlreichen Volksgruppen, der Vielvölkerstaat und nicht zuletzt das Königshaus waren zerstört. Seine Evangelische Kirche war in vier verschiedene Territorien/Besat­zungszonen zerteilt. Da Reisemöglichkeiten noch gegeben waren, lud der Bischof die Senioren im Mai 1941 zu einer Sitzung zwecks Neugliederung ein.

Besonders geschmerzt hat Popp die Mitteilung des Budapester lutherischen Bischofs, der bezüglich der Evangelischen in der Batschka nur von der „Rückkehr der abgetrennten Gemeinden“ sprach und Gehorsam erwartete. Dagegen ergriff Popp die Maßnahme, dass er Pfr. Meder aus Neu-Werbass als vorläufigen Leiter einsetzte. Für die wenigen Gemeinden im Banat, serbische/deutsche Militärverwaltung, wurde später Pfr. Hein zum Bischof gewählt. Die Überlegung, das Batschka-Seniorat an die „Reichskirche“ anzuschließen, war bald vom Tisch. Aber es hatte sich eine latente Opposition um Popp gesammelt. Vermutlich waren es zwei Fakten, die ihn damals vor der Absetzung aus dem Bischofsamt bewahrten: sein Rückzug auf Zagreb und die Mitteilung von der Aufwertung des Bischofsamtes in Kroatien. Es war beachtlich, dass fortan der kroatische Staat sein Gehalt und etliche Kosten des Bischofsamts tragen wollte, vermutlich eine Anlehnung an die Praxis gegenüber der katholischen Kirche. Ob Popp sich auch der Gefahr dieser neuen Abhängigkeit im faschistischen Staat bewusst war?

Inzwischen hatte der „Reichsführer SS“ Himmler schon sein Auge auf den ganzen Südosten geworfen und mit der VOMI (Mittelstelle für Volksdeutsche), einer Einrichtung des Reichssicherheitshauptamtes der SS, ein Instrument geschaffen, mit dem er in den betroffenen Gebieten mitregierte. So hatte er mit Ungarn, Kroatien und Rumänien ausgehandelt, dass die jungen Volksdeutschen nicht in die nationalen Armeen eingezogen werden, auch nicht zur Wehrmacht, sondern als „Freiwillige“ zur SS gehen mussten. Popp hat diese Entwicklung viele Sorgen bereitet, die er umgehend Heckel darlegte, der, zunehmend selbst in Verlegenheit, vorläufig beschwichtigte.

Zur Neuordnung der verbliebenen kleinen Deutschen Evangelischen Kirche in Kroatien war mit dem kirchlichen Außenamt in Berlin eine neue Kirchenverfassung geplant, die am 18. April 1943 zum Beschluss anstand. Darin sollten keine demokratischen Rechte mehr enthalten sein, sondern – wie der Reichsbischof wünschte – der „völkische“ Charakter der Kirche betont werden, mit dem „Führerprinzip“ und der Ernennung des Kurators durch den Volksgruppenführer, also eines Nazi-Sympathi­santen. Jedoch kam diese Verfassung – angeblich wegen der Kriegsereignisse – nicht mehr zustande, vielleicht hat Popp sie selbst blockiert, weil die Mitwirkung seiner Gemeinde damit ausgeschaltet worden wäre.

Weit mehr aber litt Popp unter dem brutalen Vorgehen der Ustascha-Milizen gegen die verstreut in Kroatien und Bosnien lebenden Serben. Heftig beklagte er die Maßnahmen von Ausweisungen, Vertreibungen und Morden. Er war entsetzt über die Wut seiner Landsleute, die sogar ein KZ einrichteten, in dem bis 1945 wohl eine halbe Million Serben ums Leben kamen. Popp konnte nur helfen, wo es um die rasche Flucht ging, auch bemühte er sich energisch um die schnelle Aufnahme der ca. 100.000 vertriebenen Serben in ihrem Stammland, das unter deutscher Militärverwaltung stand. Sicher verdanken ihm Tausende Menschen ihr Leben.

1942 folgten die ersten Angriffe von Tito-Partisanen auf deutsche Siedler. Zugleich kamen einige Serben dieser kommunistischen Truppe auf die kühne Idee, Popp selbst in ihren Reihen aufnehmen zu wollen, weil er den sozialistischen Ideen nahestünde. Er wies das „Angebot“ weit von sich.

Für seine Kirche lautete der Ertrag ganz anders: Im Herbst 1942 wurden wegen der Partisanengefahr in Bosnien einige tausend Deutsche, darunter viele Evangelische „ausgesiedelt“ und nach Lietzmannstadt/Lodz (damals sog. Generalgouver­nement, eigentlich Polen) verbracht. Weitere Zwangsumsiedlungen unter der „Schirmherrschaft der SS“ folgten.

Seit Frühjahr 1944 machte man bei der VOMI schon Pläne für eine Umsiedlung aller Deutschen aus Kroatien. Eine relativ geordnete Umsiedlung statt panikartiger Flucht wurde tatsächlich im Oktober jenes Jahres durchgeführt. Auch Popp wurde gefragt, wann er gehe. Aber für ihn stand außer Frage, in Kroatien zu bleiben. Seine Überzeugung hieß: Ein Hirt hat bei seiner Herde auszuharren.

So vereinbarte er es auch mit seinen katholischen Kollegen Kardinal Stepinac, obwohl beide ahnten, dass sie von dem neuen Regiment der Partisanen nichts Gutes zu erwarten hatten. Die Nachrichten, die seit November 1944 aus der Batschka herüberdrangen, verhießen gerade für den Volksdeutschen keine Gnade. Wieder legte man ihm die Flucht nahe. Ein Wagen der schwedischen Botschaft (Lutheraner) war bereit, ihn mitzunehmen. Er schickte die zwei jüngeren Kinder mit. Für sich lehnte er diesen Weg ab, auch seine Frau blieb bei ihm.

Wenige Tage nach dem Zerfall des Ustascha-Regimes und dem Einzug der Tito-Partisanen wurden beide Bischöfe verhaftet, wie auch etliche katholische Priester im Umland. Sehr schnell wurden tausend Unterschriften für die Freilassung Popps gesammelt, auch die Flucht wurde für ihn vorbereitet. Er sollte wenigstens vorübergehend verschwinden. Popp lehnte ab und blieb. Ende Juni 1945 wurde ihm ein kurzer Prozess gemacht. Erwartungsgemäß wurde er zum Tod verurteilt und das Urteil am kommenden Tag, am 29. Juni 1945, durch Erschießen vollstreckt. Offiziell bestand sein Vergehen in der Kollaboration mit dem Ustascha-Regime. Gewiss spielte für die Partisanen auch eine Rolle, dass der Bischof eine besondere Nähe zum serbischen Königshaus – nach kommunistischer Doktrin zu den „Feudalisten“ – gepflegt hatte. Für ihn selbst war die Treue zu seinem Glauben und seiner Gemeinde maßgebend.

Zur gleichen Zeit wurden Popps Ehefrau und sein Sohn Edgar „interniert“, d.h. verhaftet und in verschiedenen Lagern herumgestoßen, dann nach einem Jahr unter Auflagen entlassen. Die beiden Kinder kehrten später zurück. Die Mutter, die zwei Söhne und die Tochter lebten zeitweise in Zagreb. Der älteste Sohn Edgar, ebenfalls Pfarrer, sammelte wieder eine Gemeinde, leitete sie unter schwierigen Bedingungen, bis er 1960 auswanderte und in der Pfälzischen Landeskirche eine Stelle erhielt. Er kam später während der Sommermonate oft nach Kroatien zurück, nicht zuletzt, um für deutsche Urlauber Gottesdienste zu halten.

Popp ist nicht der einzige evangelische Märtyrerpfarrer aus Jugoslawien. Etwa zur gleichen Zeit verhungerte Pfarrer bzw. Senior Wilhelm Kund aus Pancevo/Banat im Vernichtungs­lager Rudolfsgnad. Ebenso kam Pfarrer Michael Schaffer aus Laibach in einem Lager ums Leben. Pfarrer Emanuel Retzer aus Heideschütz/Banat wurde nach Russland verschleppt und starb dort. Diese Namen mögen nur stellvertretend für die etwa 70.000 Deutschen stehen, die zwischen Oktober 1944 und Sommer 1948, als die Lager aufgelöst wurden, zugrunde gingen.

Sowohl durch seine Erfolge wie durch sein Martyrium wurde Philipp Popp zu einer Symbolfigur der Deutschen im Staate Jugoslawien.

Lit.: Georg Wild, Die Deutsche Evangelische Kirche in Jugoslawien 1918-1941, München 1980. – Mattias Merkle, Hirte und Märtyrer. Lebensbild des Landesbischofs D. Dr. Philipp Popp, Selbstverlag, Heilbronn o.J. – Ders., D. Dr. Philipp Popp – Leben und Wirken, Heilbronn 1995. – Klaus Scholder: Die Kirchen und das Dritte Reich, Bd I, Frankfurt 1977.

Bild: Autor.

Helmut Staudt