Biographie

Porsche, Ferdinand

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Automobilkonstrukteur
* 3. September 1875 in Maffersdorf, Reichenberg/Böhmen
† 30. Januar 1951 in Stuttgart

Er gilt als der „Vater des Volkswagens“. Er entwickelte den elektrischen Radnabenmotor, den Allradantrieb und die Drehstabfederung. Er führte das heute allgemein angewandte Mittelmotor-Prinzip bei Rennwagen zum Erfolg. Ganze Modellreihen von Sportwagen und eine weltweit bekannte Automobilfirma tragen noch heute seinen Namen: Ferdinand Porsche.

Porsche wurde am 3. September 1875 in Maffersdorf, einem Ort nahe Reichenberg in Böhmen, geboren. Im väterlichen Betrieb erlernte er das Spenglerhandwerk und trat mit achtzehn Jahren als Praktikant bei der Vereinigten Electricitäts Aktiengesellschaft (vorm. Bela Egger & Co.) in Wien ein. In nur vier Jahren arbeitete er sich dort zum Versuchsleiter empor – ein Sprungbrett für die weitere Karriere: Porsche wechselte zur k. u. k. Hofwagenfabrik Jacob Lohner & Co., wo er sich mit leistungsfähigen, von elektrischen Radnabenmotoren angetriebenen Fahrzeugen bald einen Namen machte. Auch privat etablierte sich Porsche: 1903 heiratete er Aloisia Johanna Kaes, 1904 kam Tochter Louise zur Welt, 1909 wurde Sohn Ferdinand Anton Ernst („Ferry“) geboren.

1906 bot die Österreichische Daimler-Motoren-Gesellschaft m.b.H. (kurz „Austro-Daimler“) in Wiener Neustadt Porsche den Posten eines Technischen Direktors an. Als Chefkonstrukteur entwarf Porsche in den folgenden Jahren zahlreiche Fahrzeuge, deren Leistungsfähigkeit er als Rennfahrer auch selbst unter Beweis stellte. Aber er entwickelte zudem militärisches Gerät wie Zugwagen für Geschütze. Während des Ersten Weltkriegs trugen Porsches Konstruktionen ganz erheblich zur Motorisierung der k. u. k. Armee bei. So konstruierte er beispielsweise den „Landwehr-Train“, der beim Lastentransport auf kurvigen Gebirgsstraßen wie auch auf Schienen zum Einsatz kommen konnte. Porsche setzte hierbei auf ein „gemischtes System“ von Verbrennungsmotor, Generator und zahlreichen Elektromotoren, die alle Räder des lindwurmartigen Gefährts antrieben. Für seine Ingenieurleistungen erhielt Porsche hohe militärische Auszeichnungen und wurde von der TH Wien zum Ehrendoktor ernannt.

1923 boten ihm die Daimler-Motoren-Werke den Posten als Technischer Direktor und Vorstandsmitglied an. Porsche zog nach Stuttgart. Zu seinen wohl bekanntesten Schöpfungen dieser Zeit gehören unter anderem die bald legendären Kompressor-Sportwagen K, S, SS und SSK, die Siegerfahrzeuge in zahlreichen Rennen. Trotz dieser Erfolge mußte Porsche, der bei der Lösung technischer Probleme leicht die Kosten aus den Augen verlor, bald nach der Fusion von Daimler mit Benz & Cie. aus dem Unternehmen ausscheiden. In Stuttgart wünschte man sich einen „weniger genialen“, aber sparsameren und „den Einwirkungen seiner Kollegen zugänglicheren“ Konstrukteur.

1929 ging Porsche zur österreichischen Automobilfirma Steyr-Werke AG, wo er auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Situation des Unternehmens nur ein kurzes Gastspiel geben konnte. Anfang 1931 wagte er daher den Sprung in die Selbständigkeit – mit einem eigenen Konstruktionsbüro in Stuttgart, das schon damals ein Zentrum des Automobilbaus in Deutschland war. Das lukrative Angebot, in der Sowjetunion Chefkonstrukteur zu werden, schlug er hingegen aus.

In den folgenden Jahren entstand in der Dr.-Ing. h.c. Ferdinand Porsche G.m.b.H. Stuttgart-Zuffenhausen eine Vielzahl von Ingenieurleistungen für die unterschiedlichsten Auftraggeber – insgesamt soll es Porsche im Laufe seines Lebens auf 365 Patente gebracht haben. Zu seinen herausragendsten Konstruktionen der Dreißiger Jahre gehörten beispielsweise die Grand-Prix-Rennwagen von Auto-Union mit ihren 16-Zylinder-Mittelmotoren. Aber Porsche befaßte sich auch mit der Idee eines Volkswagens – zunächst im Auftrag von Zündapp, dann von NSU, schließlich im Auftrag des Reichsverbandes der Automobilindustrie (RDA). Schon bald lagen die Grundzüge des späteren „VW Käfer“ fest: Leichtbau, Stromlinienform, luftgekühlter Boxermotor im Heck, günstiger Treibstoffverbrauch und 100 km/h schnell. Ein Konzept, das Anklang bei den neuen Machthabern in Deutschland fand. Ende 1936 fuhren die ersten Prototypen, Mitte 1938 wurde der Grundstein für das VW-Werk in Wolfsburg gelegt. Von dessen Bändern rollten seit Kriegsanfang allerdings keine Wagen für das Volk, sondern für dieWehrmacht – beispielsweise „Kübelwagen“ und „Schwimmwagen“. Die Fabrik lieferte auch Teile für die Flugbombe „V1“. Porsche konstruierte wieder für das Militär: Die Panzertypen „Panther“, „Tiger“ und ein 180-Tonnen-Koloß mit dem Tarnnamen „Maus“ wurden unter seiner Leitung entwickelt, der „Ferdinand“ trug gar seinen Namen. Noch während des Krieges plante Porsche auch Ackerschlepper für die Landwirtschaft. 1944 wurde sein Büro wegen der zunehmenden Bombenangriffe nach Gmünd in Kärnten verlagert.

Nach Kriegsende wurde Porsche von den Franzosen fast zwei Jahre lang inhaftiert. Während dieser Zeit führte sein Sohn Ferry die Firma weiter. Unter dessen Leitung entstand in Gmünd – die Stuttgarter Gebäude waren noch von den Amerikanern besetzt – der Prototyp eines Heckmotor-Sportwagens auf „Käfer“-Basis. Er trug die Konstruktions-Nummer 356.

In den darauffolgenden Jahren erlebte die nach Stuttgart zurückgekehrte Firma einen rasanten Aufschwung. Aus dem reinen Konstruktionsbüro war längst eine Automobilfabrik geworden. Mitte der 60er Jahre wurde der Typ 356 von der mittlerweile ebenso legendären Baureihe 911 abgelöst – einem Modell, das in weiterentwickelter Form noch heute gebaut wird. Ferdinand Porsche hat nur den Anfang dieser Entwicklung noch miterlebt. Von der Haftzeit gesundheitlich angeschlagen, starb er am 30. Januar 1951 in Stuttgart, wenige Monate nach Vollendung seines 75. Lebensjahres.

Ferdinand Porsche war ein im In- und Ausland hoch angesehener Konstrukteur, ein universeller Ingenieur, der intuitiv erkannte, ob eine Konstruktion „schön“ und brauchbar oder noch mit Mängeln behaftet war, ein gelegentlich zu Wutausbrüchen neigender Tüftler, der sich nicht davor scheute, höchstpersönlich unter die Fahrzeuge zu kriechen, wenn es darum ging, einemverborgenen Fehler auf den Grund zu gehen, ein akribischer Techniker, dessen ständige Verbesserungswut seine Geldgeber oft zur Verzweiflung brachte, ihnen aber letztlich auch zukunftsweisendeKonstruktionen bescherte. Es bleibt die Erinnerung an einen Sudetendeutschen, der – im Krieg wie im Frieden – auf zahlreichen Gebieten beachtliche Ingenieurleistungen vollbrachte und die technische Entwicklung vorantrieb.

Lit.: Klaus Parr: Ferdinand Porsche, in: NDB 20, S. 638–640 (mit ausführlicher Bibliographie). – 100 Jahre Porsche im Spiegel der Zeitgeschichte. Stuttgart o. J. (1975). – Herbert A. Quint: Porsche. Der Weg eines Zeitalters, Stuttgart2 1951.

Bild: Brockhaus-Enzyklopädie.

Karsten Eichner