Wie selten eine andere der deutschen Kulturlandschaften hat Schlesien eine Dialektdichtung aufzuweisen, die im Laufe der Jahrhunderte zu einer unvergleichlichen Vielfalt gelangte.
Das umfangreichste Werk in schlesischer Mundart ist Ernst Schenke zu verdanken, der es darin zu einer Meisterschaft brachte, die weit über das Übliche hinausreicht,weil er nicht nur mit bloß Witzhaftem belustigen will, sondern im Heiteren wie im Besinnlichen den schlesischen Menschen und das schlesische Land in seinem Wesen kenntlich machte.
Die von Hermann Stehr und anderen bestätigte Fabulierlust der Schlesier mag in dem am 24. Mai 1896 in Nimptsch geborenen Ernst Schenke schon beizeiten wirksam geworden sein, so dass er schon mit vierzehn Jahren sein erstes Mundartgedicht schreibt. Danach sah er sich immer wieder dazu veranlasst, zur Feder zu greifen und so wurden auch seine Gedichte und Geschichten in Kalendern und Zeitschriften veröffentlicht. Anfang der zwanziger Jahre erschienen als erste schmale Bändchen Lacha und Treiba und Drinne und Draußa. Schenke schrieb im Gebirgsschlesisch des Nimptscher Landes. Seine wohl zum „klassischen Schlesisch“ zählenden Gedichte wieDoas Karassell,De Huxt eim Aprille,Doas Kließlalied und Schlesischer Winter z.B. weisen ihn als Dichter mit einer großen Sprachkraft aus, der die Worte wohl zu wählen weiß. Gerade die Mundart duldet keine falschen Töne. Schlesien und seine Menschen werden in allem, was er auch zu sagen hat und was ihn unablässig zum Schreiben veranlasst, unvergleichlich gegenwärtig. Ob er nun in seinem Rübezoahl an das Riesengebirge und den alten Berggeist erinnert oder an die Oder in Uff derr Uder bien iech derrheeme. Nicht anders, wenn er im Schlesischen Winter das Dasein in der kalten Jahreszeit beschreibt.
Viele Jahre ist Ernst Schenke als Schriftleiter in Breslau tätig, bis er sich in Schieferstein bei Zobten als freischaffender Schriftsteller niederlässt. Der Intendant des Breslauer Rundfunks, Friedrich Bischoff, regte ihn dazu an, Kantaten wieDas schlesische Jahr, die KantateSchlesischer Frühling, den Altweibersommer,Die Kantate von der schlesischen Dorfnacht zu schreiben. In seinen Beschreibungen dieses seines Landes und seiner Menschen lässt er eine Art „Schlesisches Himmelreich“ erstehen und es ist darin nichts, was unausgesprochen bliebe.
Vertonungen von seinen lyrischen Werken wurden von Karl Sczuka, Werner Gneist und Gerd Münzberg vorgenommen. Sie beweisen einmal mehr, wie gerade Mundart sich als Dichtung auszuweisen vermag, die somit dem Hochdeutschen in nichts nachsteht.
Aber auch im Dramatischen war Ernst Schenke begabt. Das beweisen u.a. die gelungenen Einakter Zwölf kurze Stückla und eine Anzahl von Laienspielen, wie Die Huxt ei derr Hilbigmühle und die vielen Hörspiele, die einstmals der Breslauer Rundfunk sendete.
Nicht unerwähnt sollten seine Werke bleiben, die sich mit dem Geschehen um Weihnachten befassen, wie Ein alter Schäfer erzählt die Weihnachtsgeschichte,Maxlas Weihnachtsbrief oder Gesunde Feiertage.
Nach seiner Vertreibung fand Ernst Schenke zunächst eine bescheidene Bleibe in Freudenberg im Kreis Siegen in Westfalen und war danach bis zu seinem Lebensende wohnhaft in Recklinghausen, wo er noch anlässlich seines 85. Geburtstages, wenn auch gesundheitlich bereits sehr geschwächt, die Glückwünsche und Ehrungen nicht nur seiner Schlesier entgegennehmen konnte.
Da Mundartgedichte- und Geschichten die anderen am besten bei Vorträgen erreichen, so kam es auch immer auf gute Interpreten an, und die fanden sich überall unter den Schlesiern. Zu den wirklich hervorragendsten müssen wir allen voran den durch seine jahrzehntelange Volkstumsarbeit sich um Schlesien besonders verdient gemachten Professor Dr. Wilhelm Menzel nennen und dann Paul Heinke, Viktor Tietze, Ernst Kallée, Karl Friebe, Ernst Hettler, und von der jüngeren Generation Hans-Dieter Schultz, Erhard Fuchs, Werner Majwald und Erle Bach.
An Würdigungen des Werkes von Ernst Schenke hat es nie gefehlt. Hier sei die von Prof. Dr. Wilhelm Menzel angeführt:„Welch eine Fülle, welcher Reichtum schlesischer Dichtung! In ihr offenbart sich die ganze Wesensart des Schlesiers, vor allem seine Gemütstiefe, die ihn befähigt, mehr oder weniger bewusst ein Leben zu leben aus den großen Bindungen an Gott und Natur, an Heimat und Volk. Es ist eine poetische Volkskunde, die Schenke mit seinen Dichtungen bietet. Im Grunde aber ist es mehr als das: Die Geschichte und Geschichten sind gestaltete Sprache und in ihr wohnt als gesprochenes Wort eine wirkende Kraft, die neues Leben schafft und dieses auch erhält.“
Am 11. Dezember 1982 verstarb Ernst Schenke in Recklinghausen, wo er über viele Jahre Werk um Werk in der den Schlesiern eigenen Sprache zu schaffen vermochte.
Bild:Privatarchiv des Autors.