Biographie

Schumacher, Bruno

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Historiker
* 2. Dezember 1879 in Straßburg/Elsass
† 1. März 1957 in Hamburg

Vor 50 Jahren, am 1. März 1957, starb in Hamburg Dr. Bruno Schumacher, einer der führenden Männer des ostpreußischen Geisteslebens im 20. Jahrhundert und zugleich einer der besten Kenner der Geschichte des Preußenlandes. Es dürfte in neuerer Zeit wohl kaum einen an der historischen Vergangenheit Ostdeutschlands Interessierten geben, dem das im Jahr 1937 erstmals erschienene StandardwerkGeschichte Ost- und Westpreußens, oft einfach auch „der Schumacher“genannt, nicht geläufig ist. Es hat bis heute, kaum verändert, seine Bedeutung und seinen Platz unter den großen Darstellungen deutscher Landesgeschichte bewahrt.

Bruno Schumacher wurde am 2.12.1879 in Straßburg/Elsass geboren; die Familie kehrte jedoch schon bald ins heimatliche Königsberg zurück. Am berühmten Friedrichskolleg machte er das Abitur, studierte an der Albertina Geschichte, Theologie und Kunstgeschichte und begann seine pädagogische Laufbahn 1905 als Oberlehrer gleichfalls am Friedrichskolleg. In den folgenden Jahren widmete er sich zunehmend der wissenschaftlichen Erforschung des Preußenlandes, wobei der Staat des Deutschen Ordens mit seinen ideellen und auch materiellen Leistungen, etwa den Bauten, im Vordergrund stand. Als Schumacher 1922 zum Direktor des Gymnasiums in Marienwerder berufen wurde, erweiterten sich sein Erlebnishorizont und mit ihm auch die Tätigkeitsfelder seiner Forschungen. Neben die Ordenszeit trat nun die friderizianische Epoche, und ganz gegenwartsbezogen beschäftigten ihn auch politische Probleme, die mit der Situation des geteilten Preußenlandes und des polnischen Korridors zusammenhingen. Zahlreiche Aufsätze zeugen von der thematischen Vielfalt, die stets von einer gründlichen Behandlung des Stoffes und von sprachlicher Klarheit begleitet wird.

Schumacher war dabei keineswegs ein bloßer Heimat- oder Lokalhistoriker, vielmehr nahm er immer wieder die großen Zusammenhänge in der Entwicklung des nordostdeutschen Raumes in den Blick. Schon 1925 gab er, gemeinsam mit dem Marienwerderer Kollegen Erich Wernicke, eine Heimatgeschichte von Ost- und Westpreußenheraus, und 1931 wurde ihm die Ehre zuteil, anlässlich der 700-Jahrfeier des Preußenlandes im Großen Remter der Marienburg vor einem hochrangigen Publikum und in Gegenwart des Reichspräsidenten von Hindenburg die Festrede zu halten. Ihr Titel 700 Jahre Preußenland im Rahmen der deutschen und europäischen Geschichte verweist zugleich auf die Spannweite seines wissenschaftlichen Schaffens. In dieser gleichsam programmatischen Rede beschwor Schumacher – zweifellos auch geprägt durch die Verwerfungen des Versailler Friedensdiktats – sowohl die geschichtliche Kontinuität von der Ordens- zur Preußenherrschaft als auch die geschichtliche Einheit Ost- und Westpreußens. Nicht zuletzt durch ihn erlangte der Begriff „Preußenland“ sprachlich jene historische Dimension, die fortan jeder forschenden Beschäftigung mit diesem Gebiet als Signum diente.

1934 kehrte Schumacher als Direktor des Friedrichskollegiums nach Königsberg zurück, und das folgende Jahrzehnt wurde eine Zeit überaus erfolgreichen Wirkens. Als Mitglied in vielen wissenschaftlichen Gremien und Vereinigungen entfaltete er eine rege Vortrags- und Lehrtätigkeit, besonders nach seiner Ernennung zum Honorarprofessor der Königsberger Universität im Jahr 1938. Im Jahr zuvor war sein wichtigstes und reifstes Werk erschienen, die schon genannte Geschichte Ost- und Westpreußens– eine großangelegte und abgerundete Darstellung von der Vorzeit bis ins 20. Jahrhundert, beeindruckend in der Beherrschung des Stoffes, abwägend im Urteil und glänzend in der sprachlichen Gestaltung. Dabei stehen zwar die politischen Geschehnisse im Vordergrund, sie sind aber eingebettet in die speziellen Abläufe von Verfassung und Verwaltung und berücksichtigen das Rechts- und Wirtschaftsleben ebenso wie die geistige und soziale Entwicklung. Die besonderen Belange Westpreußens (und auch Danzigs) kommen manchmal zu kurz, doch dürfte dies dem Königsberger Standort geschuldet sein. Ebenso fand die Zeit nach 1920 nur eine knappe Würdigung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Schumacher seinen Wohnsitz in Hamburg und konnte dort an Schule und Universität weiterwirken, ebenso in den landeskundlichen Forschungsgremien. Zugleich begann die Vorbereitung für eine Neuauflage seiner Geschichte Ost- und Westpreußens, doch hat er das Erscheinen 1957 nicht mehr erlebt. Während am Haupttext nur wenig geändert wurde, erfuhren die Jahre 1920-1945 eine Neubearbeitung; auch fügte man ausführliche Anmerkungen und Register hinzu. So ist dieses Werk zu einem vielseitig nutzbaren Handbuch geworden, das auch heute noch unverändert erworben werden kann und das seinem Verfasser ebenso gleichbleibend einen festen Platz in der ostdeutschen Geschichtswissenschaft sichert.

Werke: Text der Festrede 1931 in: Altpreußische Forschungen 8 (1931), S. 165-173.

Lit.: Altpreuß. Biographie Bd. 2, Marburg 1967, S. 647. – Fritz Gause: Nachruf in: Zeitschr. f. Ostforschung 6 (1957), S. 401-403. – Ernst Opgenoorth: Stationen der Geschichtsschreibung des Preußenlandes von Peter von Dusburg bis zu Hartmut Boockmann, in: 75 Jahre Historische Kommission f. ost- u. westpreußische Landesforschung, hrsg. v. Bernhart Jähnig, Lüneburg 1999, S. 131-134. – Ders.: Vergangenheitsbewältigung auf ostpreußisch. Der späte Bruno Schumacher, in: Das Preußenland als Forschungsaufgabe. Eine europäische Region in ihren geschichtlichen Bezügen. Fs. für Udo Arnold zum 60. Geburtstag, hrsg. von B. Jähnig u. G. Michels, Lüneburg 2000, S. 783-814.

Bild:Museum Stadt Königsberg, Duisburg.