Biographie

Sirowatka, Eva Maria (Wiesemann)

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Schriftstellerin
* 21. Juni 1917 in Krausen/ Landkreis Rössel
† 16. Januar 1988 in Emmelshausen

In Neu-Wuttrienen, einem kleinen Dorf im Kreis Allenstein, wuchs sie als Lehrerstochter auf, das Lyzeum besuchte sie in Allenstein und ging dann nach Königsberg, um dort ihre weitere Ausbildung an der Kunstakademie zu absolvieren. Mit ihrer Mutter und den beiden Kindern begab sie sich Anfang 1945 auf die Flucht. Packend und anschaulich schildert sie den Fluchtweg über Preußisch-Holland, Elbing und die Marienburg in der Erzählung Der Engel mit dem einen Arm. Auf einem Panzerspähwagen, der unter dem Kommando eines einarmigen Unteroffiziers stand, gelangte Eva Maria Sirowatka mit Mutter und Kindern aus der unmittelbaren Gefahrenzone; ein Wunder, das sie dem einarmigen Engel zu verdanken hatte.

Seit 1951 lebte Sirowatka in Emmelshausen bei Koblenz, wo sie ihr literarisches Werk schuf, das Romane (Ein Haus voller Tiere, 1985), Erzählungen (Masuren lächelte mir zu, 1991), Jugendbücher (Die kleine lustige Hexe Tilli-Tulla und das Schlossgespenst, 1984) und Gedichte (Steht ein Haus im Osten, 1984) umfasst. Ihre oft mundartlich geprägten Geschichten spielen in ihrer masurischen Heimat; einige Bücher erzielten mehrere Auflagen. In dem Ostpreußenroman Die Kraniche kehren wieder (1983), der eigentlich eher eine Novelle ist, geht es um das Schicksal zweier Frauen, Monika und Maria, aus Worainen in Masuren, die hochfliegende Pläne haben, dann aber erkennen, dass das Gute und Erstrebenswerte in der Heimat und nirgends sonst zu finden ist.

Monika Kramkowski sieht nicht, dass Ernst Konopka, der vor Jahren seine Lydia Bartnik durch eine Blutvergiftung verloren hat, nach ihr schaut. Sie geht nach Allenstein, wo sie bei einer angesehenen Familie als Mädchen arbeitet und verliebt sich in einen Fabrikantensohn aus Düsseldorf. Der lässt sie schwanger zurück, der Vater des Treulosen erklärt sich bereit, für das Kind zu zahlen, aber der Sohn sei schon vor der Reise nach Allenstein einer anderen versprochen gewesen. Eine Heirat ist also undenkbar, Monika ist todunglücklich, aber Ernst schließt sie in seine Arme, und ein neues Glück kann beginnen. Ernst tritt als Pflegesohn und Erbe bei dem kinderlosen Paar Bruno und Martchen Bialluschewski in Worainen ein, und diese haben dann bald auch das ersehnte Enkelkind in der Wiege.

Maria Warnat verliebt sich in den Gutsverwalter Werner Herbst und trifft sich mit ihm zwei Jahre lang heimlich im Wald. Schließlich siegt, auch auf Anraten seines Bruders, die Vernunft bei Werner, denn die Gutstochter und Erbin, obendrein adlig, Sonja von Bronski, hat auch ein Auge auf den Verwalter Herbst geworfen und dieser schreibt schließlich Maria einen Abschiedsbrief. Maria wird todkrank aus Liebeskummer und schließlich auch wegen Lungenentzündung, und über Monate pflegt sie der junge Landarzt Dr. Reimann. Der ist dann auch der Richtige, und alles ist wieder in Ordnung in Worainen: „Heute wusste sie, daß sie hierher gehörte.“

Sirowatka ist eine Heimatschriftstellerin. Ihre Novelle ist ein durchschnittlicher Liebesroman mit ostpreußischen, Allensteiner und Königsberger Einzelheiten, die dem Kenner auffallen. Aber höhere literarische Ansprüche erfüllt die Novelle nicht. Die Botschaft heißt: Heimat. Dort löst sich alles Schwere, dort gibt es keine Probleme. Heimat heilt alle Sehnsucht und Krankheit. „Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah. Lerne nur das Glück ergreifen, denn das Glück ist immer da.“ (Johann Wolfgang von Goethe, Erinnerung). Oder Psalm 37, 3: „Bleibe im Lande und nähre dich redlich.“

Auch die Ostpreußennovelle Der Hungerstreik ist eine einfache, aber durchaus mit Humor gewürzte Liebesgeschichte im ländlichen Stil. Elschen, 17-jährig, die Jüngste von den vier Koslowski-Töchtern, fährt aus Krottken nach Kussewen und kommt mit der Botschaft zurück, dass sie sich mit dem Junglehrer Willy Malessa verlobt habe. Geboren ist sie, als Suse, die Älteste, heiratete. Martha und Maria leben noch unverheiratet bei den Eltern und sind bei der Haus- und Feldarbeit unentbehrlich. Bei ihnen löst die Botschaft helle Empörung aus: es wird der Reihe nach geheiratet! Elschen ist noch lange nicht dran. Als diese sich unbeeindruckt zeigt und die Eltern sich den Lehrer erst einmal ansehen wollen, treten die Schwestern in einen mehrtägigen Hungerstreik, den sie recht ausgehungert erst am Tage des Lehrerbesuchs beenden. In der Zwischenzeit muss Elschen kräftig arbeiten in Haus und Hof, beim Vieh und auf dem Felde. Ende gut, alles gut: der Lehrer gefällt auch den Schwestern, und im Herbst wird geheiratet. – Die Botschaft von Eva Maria Sirowatka lautet: In der Heimat lösen sich alle Probleme! Heimat ist identisch mit Glück.

Ein einfacher Heimattraum ist auch das Gedicht Die Königs­ber­ger Stadtmusik, das an die in der Vorweihnachtszeit durch Königsberg ziehende Blasmusik erinnert, ein Traum von der Stadt mit ihren sieben Pregelbrücken in Frost, Schnee und Eis, im „weißen Winterpelz“. Eva Maria Sirowatka hat sich mit ihren Erzählungen und Gedichten in die Herzen der vertriebenen Erlebnisgeneration der Ostpreußen geschrieben.

Werke: Onkelchens Brautschau (auf einem Tonträger. „Masurische Schmunzel-Geschichten“, CD/ Audiobook; Sprecherin: Ruth Maria Wagner), Würzburg 2003. – (Hrsg.), Königsberg – die goldene Stadt im Osten, Kiel 1987. – Die Kraniche kehren wieder. Ein Ostpreußenroman, Husum 1983. – Der Hungerstreik, in: Steinberg, Ostpreußische Schriftsteller heute, Düsseldorf 1977, S.160-167. – Der Engel mit dem einen Arm, in: Ich weiß ein Land. Ein Ostpreußenbuch, Husum 1988.

Bild: Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen.

Klaus Weigelt