Biographie

Stackelberg, Otto Magnus Freiherr von

Herkunft: Baltikum (Estland, Lettland, Litauen)
Beruf: Archäologe, Maler
* 25. Juli 1787 in Reval/Estland
† 27. März 1837 in St. Petersburg

„Ein Kind des Nordens, durch mühevolle Wanderlust heimisch in Hellas und Rom, hat er in Werken, vom Genius Roms gepflegt, die Kunst der Griechen, jenen glücklich geistesverwandt, neu darzustellen und zu erklären vermocht.“ So heißt es in der Grabschrift seiner Freunde für Otto Magnus Freiherr von Stackelberg. Es war in der Tat ein, man möchte sagen, ruheloses Wanderleben, das er geführt hat. Geboren am 25. Juli 1787 in Reval als Sohn des Obersten und Kammerherrn Otto Christian v. Stackelberg und der Anna Gerdruta von Dücker, ist er in Faehna, auf dem estländischen Gut seiner Eltern, aufgewachsen. Hier, in einem Mittelpunkt für Gelehrte, Künstler und Kunstfreunde, weckten eine wertvolle Bibliothek, reiche Kupferstichsammlungen und Bilderschätze sein Interesse für die Kunst. Zum Diplomaten bestimmt, ging er (1801) auf das Pädagogium nach Halle, 1803 als Student nach Göttingen. Eine Reise in den Süden wurde dann entscheidend für sein weiteres Leben. Er besuchte Italien und die Schweiz, malte in Dresden, bezog dann aber (1805) die Moskauer Universität, um die Vorbereitungen zum Beruf eines Diplomaten fortzusetzen, siedelte jedoch ein Jahr später wieder nach Göttingen über. Nachdem er erkannt hatte, daß er nur in der Kunst volle Befriedigung finden würde, durfte er (1808) nach Dresden gehen, um seine künstlerischen Gaben auszubilden. Bald jedoch zog es ihn nach Rom, wo er den dänischen Gelehrten Dr. Bröndsted kennenlernte, der ihm die Teilnahme an einer geplanten Reise nach Griechenland vorschlug. Im Jahre 1810 brach Stackelberg als Landschaftszeichner und Archäologe mit Bröndsted und einigen Enthusiasten, Architekten und Malern, nach Griechenland zum Studium der klassischen Kunst auf.

Sein Aufenthalt in diesem Land seiner Sehnsucht, im Jahre 1811 bis nach Konstantinopel und Kleinasien ausgedehnt, sollte vier Jahre dauern. Die Reise war mit Widerwärtigkeiten und Gefahren verbunden. Stackelberg wurde von Piraten gefangengenommen und konnte erst nach Zahlung eines erheblichen Lösegeldes seine Reise fortsetzen. Krankheiten zwangen ihn mehrmals zu längeren Unterbrechungen, und erst im Sommer 1814 traf er in Wien ein. Im Herbst des gleichen Jahres kehrte er in den Kreis seiner Familie zurück, teils in Estland lebend, teils in St. Petersburg, wo er bei Hofe ehrenvolle Aufnahme fand. Bereits im Jahre 1816 hielt sich Stackelberg jedoch wieder in Rom auf. Dort sollte er, mit den Ergebnissen seiner Griechenlandreise und ihrer Veröffentlichung befaßt, 12 Jahre seines Lebens verbringen. Bis 1823 war das Manuskript für das Werk „Der Apollotempel zu Bassae in Arkadien“ abgeschlossen; es erschien 1826 und fand in der gesamten europäischen Gelehrtenwelt die größte Beachtung. Das populärste Werk Stackelbergs wurden die „Costumes et usages des peuples de la Grèce moderne“ (1825), das 1831 unter dem Titel „Trachten und Gebräuche der Neugriechen“ in deutscher Sprache in Berlin erschien. Zu weiteren archäologischen Arbeiten veranlaßten ihn die im Jahre 1827 aufgefundenen etrurischen Grabkammern, die sog. Hypogäen von Tarquinii. Von Rom aus besuchte er Neapel und Sizilien und war an der Gründung des „Institute archeologico“ beteiligt.

Zersplitterung seiner Kräfte, seine schwankende Gesundheit ließen manches mit Eifer begonnene Vorhaben nicht reifen. Seine Scheu vor einer anhaltenden geordneten Tätigkeit ließ ihn manch ehrenvollen Ruf ablehnen. Er schlug den Antrag, eine Professur an der Georgia Augusta zu Göttingen anzunehmen, ebenso aus wie die ihm angetragene Oberverwaltung der sächsischen Kunstschätze und des Antikenkabinetts in Dresden, das Direktorat am Berliner Museum und eine Professur in Heidelberg. Von der KöniglichenAkademie der Künste in Berlin (1827), der Kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst (1830) und der Königlich dänischen Gesellschaft für nordische Altertumskunde (1832) wurde er zum ordentlichen Mitglied gewählt.

Im August 1828 verließ Stackelberg Rom für immer. Er widmete dieses und das folgende Jahr der Besichtigung von Museen in Frankreich, England, Deutschland und den Niederlanden. In Paris und London versuchte er vergeblich, Verleger für seine noch ungedruckten Arbeiten zu finden. In Weimar besuchte er Goethe, weilte in Jena, in Dresden und in Berlin, zu einer Kur in Teplitz, anschließend in Heidelberg, verbrachte einen Winter in Mannheim und erlitt in Dresden eine Nervenlähmung, am 18. April 1834 einen Schlaganfall, durch den seine geistige Kraft gebrochen wurde. Im Jahre 1835 kehrte er in Begleitung eines zuverlässigen Dieners in die Heimat zurück. In Lilienbach bei Narva, in der Familie seines Bruders, und in St. Petersburg verbrachte er die letzten Monate seines Lebens. Er starb am 27. März 1837 und wurde in Estland an der Seite seiner verehrten und geliebten Mutter beigesetzt. Die Sammlungen Stackelbergs, soweit sie nicht in Dresden veräußert worden waren, und die meisten Handzeichnungen zu seinen Werken gelangten nach Faehna. Im Todesjahr Stackelbergs erschien das neben dem „Apollotempel zu Bassae“ und den „Trachten und Gebräuchen“ bedeutendste Werk Stackelbergs, „Die Gräber der Hellenen“ (in Bildwerken und Vasengemälden), nachdem im Jahre 1834 in Paris sein Werk „La Grèce. Vues pittoresque et topographiques“ als Ausbeute seiner mühe- und gefahrvollen Reise veröffentlicht worden war.

Lit.: O. M. v. St. Schilderungen seines Lebens und seiner Reisen in Italien und Griechenland. Nach den Tagebüchern und Briefen zusammengestellt von Natalie von Stackelberg; Heidelberg 1882; C. Hoheisel: O. M. Frhr. v. St. als Mensch, Künstler und Gelehrter, in: Baltische Monatsschrift, Riga, VIII. 1863; ADB, Bd. 35, 1893; Recke/Napiersky: Allg. Schriftsteller- und Gelehrten-Lexikon der Provinzen Livland, Esthland und Kurland. Mitau 1832, Bd. 4; Lexikon baltischer Künstler, hrsg. v. Wilh. Neumann. Riga 1908; G. Rodenwaldt: O. M. v. St. Der Entdecker der griechischen Landschaft. München/Berlin 1957, 21959; Götz v. Seile: Ostdeutsche Biographien. Würzburg 1955; Deutsch-Baltisches Biographisches Lexikon 1710-1960. Köln/Wien 1970; Traugott v. Stackelberg: O. M. Frhr. v. St. (1787-1837), der Wiederentdecker von Hellas. Jahrb. d. baltischen Deutschtums 1961. Lüneburg 1960.