Biographie

Stahl, Friedrich

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Heimat- und Familienforscher
* 23. Juli 1873 in Marggrabowa bei Treuburg/Ostpr.
† 1. Juli 1963 in Hamburg

Als Sohn des Kreiskassenrendanten Gottlieb Stahl wurde Friedrich Stahl im ostpreußischen Marggrabowa (dem späteren Treuburg) geboren. Nach Besuch der Gymnasien in Lyck und Insterburg studierte er Jura in Jena und Königsberg und wurde 1904 Amtsrichter in Heydekrug. 1912 kam er als Amtsrichter nach Tilsit und wurde bald darauf ans Landgericht versetzt, 1920 zum Landgerichtsdirektor in Lyck befördert und 1925 nach Königsberg versetzt. 1938 pensioniert, aber 1940 reaktiviert, verrichtete er in Königsberg seinen Dienst bis zum Tag der Flucht. Nachdem sich sein Sohn Martin als Rechtsanwalt in Hamburg niedergelassen hatte, nahm Friedrich Stahl dort seinen Alterssitz.

Im gleichen Jahre 1925, in dem er nach Königsberg kam, wurde dort der „Verein für Familienforschung in Ost- und Westeuropa“ gegründet. Auch Friedrich Stahl wurde von ihm zur Familienforschung angeregt. Am Beginn stand die eigene Familie; sein Vorfahr George Heinrich Stahl war als Auswanderer aus Nassau-Dillenburg 1723 in Drusken bei Stallupönen (später Ebenrode) angesiedelt worden. Daraus entwickelte sich bald die eingehende Beschäftigung mit dem historischen Hintergrund, der Einwanderung ins östliche Ostpreußen nach der großen Pest. Sein Buch „Nassauische Bauern und andere deutsche Siedler in Ostpreußen“ – mit Namenlisten der Einwanderer – wurde 1935 vom Verein als erste Einzelschrift herausgegeben und 1965 nachgedruckt. Über „Die Einwanderung in die ostpreußischen Städte 1740-1806“ veröffentlichte er 1952 einen Forschungsüberblick mit Statistik in der Zeitschrift für Ostforschung; dazugehörige Namenlisten erschienen 1954 in der Altpreußischen Geschlechterkunde. Er bietet ein gutes Beispiel, wie aus familienkundlichem Interesse wertvolle Arbeiten zur Landesgeschichte entstehen können. Das größte Verdienst Friedrich Stahls liegt jedoch in der Wiederbelebung des „Vereins für Familienforschung in Ost- und Wcstpreußen“ nach dem Kriege. Der Verein hatte in Königsberg über 700 Mitglieder. Durch Flucht und Vertreibung waren sie weit verstreut und ohne Zusammenhalt; die große Vereinsbibliothek war verloren, der letzte Vorsitzende Wilhelm Schlemm verschollen. Friedrich Stahl gab bereits 1950 in einem Aufsatz zur Familienforschung in der Ostpreußen-Warte eine kurze Bestandsaufnahme und Anregungen. Als Mitglied des alten Vorstandes war er dann einer der Initiatoren der Wiederaufnahme der Vereinstätigkeit 1953. Trotz seines hohen Alters übernahm Friedrich Stahl den Vereinsvorsitz in den schwierigen Jahren des Neuanfangs, bis er 1958 – nunmehr 85jährig – aus Altersgründen sein Amt niederlegte und zum Ehrenvorsitzenden gewählt wurde.

Bereits 1953 erschien auch die Vereinszeitschrift „Altpreußische Geschlechterkunde“ wieder – zunächst im wenig augenfreundlichen Mikrodruck. Zur Veröffentlichung größerer Arbeiten lebte die Reihe der „Einzelschriften“ des Vereins unter der Bezeichnung „Sonderschriften“ wieder auf. Inzwischen (1988) sind 58 Sonderschriften erschienen – neben der Vereinszeitschrift und weiteren Projekten. So gab der Verein zuletzt weit über 1000 Seiten im Jahr heraus – begünstigt auch durch eine gute Archivlage. Sie bietet reichlich Betätigungsfelder für den Fleiß und Eifer der Mitglieder, deren Zahl mittlerweile wieder etwa 700 beträgt.

Vom Verein wird auch weiterhin über den engeren Kreis der Familienforschung hinaus wertvolles Material durch Forschungen und Quellenveröffentlichungen erschlossen oder selten gewordene Hilfsmittel durch Nachdrucke wieder allgemein zugänglich gemacht. Die Familienforschung trägt aber beispielsweise auch bei zur Heranführung Jugendlicher an die Beschäftigung mit Ostdeutschland – was sich auch in den Mitgliederzugängen dieses Vereins wie auch der im ganzen ost- und südostdeutschen Raum tätigen „Arbeitsgemeinschaft ostdeutscher Familienforscher“ widerspiegelt. Der mühsame Neuanfang der ostdeutschen und speziell der ostpreußischen Familienforschung, an dem Friedrich Stahl als erster Nachkriegsvorsitzender des Vereins für Familienforschung in Ost- und Westpreußen wichtigen Anteil hatte, trägt heute reichlich Früchte.

Lit.: Walther Müller-Dultz: Zum Gedächtnis an Friedrich Stahl, in: Altpr. Geschlechterkunde N.F., 11. Jg. (1963), S. 215f; Friedrich Stahl. Der Nestor der ostpreußischen Familienforscher +, in: Ostpreußenblatt, 14. Jg. (1963), Nr. 28, S. 6; Erwin Spehr: Die Veröffentlichungen des Vereins für Familienforschung in Ost- und Westpreußen 1953-1985, Hamburg 1986; Friedrich Stahl: Ostpreußische Familienforschung, in: Ostpreußen-Warte, 1. Jg. (1950), Nr. 7, S. 6; Detlef Kühn: Ostdeutsche Familienkunde heute, in: Ostdeutsche Familienkunde, 32. Jg. (1984), S. 233 f.