Biographie

Tau, Max

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Verlagsdirektor, Schriftsteller
* 19. Januar 1897 in Beuthen/Oberschlesien
† 13. März 1976 in Oslo

Max Tau war 1950 der erste Preisträger des neu geschaffenen Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Mit dieser Auszeichnung sollte der Schriftsteller für seine umfassenden Verdienste in Leben und Werk gewürdigt und ihm für seine Haltung gegenüber der alten Heimat gedankt werden, wie es bei der Preisverleihung hieß.

Max Tau wuchs in seiner Heimatstadt Beuthen in einem von jüdischen Traditionen geprägten Elternhaus auf. Als schmächtiger und kränklicher Junge verbrachte er die Ferien oft auf dem ostpreußischen Hof seines Großvaters. Dem Wunsch seines Vaters, wie dieser Kaufmann zu werden, entsprach er nicht, sondern wandte sich der Literatur zu. In Berlin und Hamburg studierte Tau Literaturwissenschaft, Philosophie und Psychologie. 1927 schloß er sein Studium im Kiel mit der Promotion ab. Bereits vorher hatte Tau begonnen, als Lektor zu arbeiten und für dieDeutsche Rundschau und die Frankfurter Zeitung zu schreiben. Als Lektor und Berater im Verlag des Schlesiers Bruno Cassierer kam er mit dem literarischen Berlin der zwanziger Jahre in Verbindung und wurde Mentor und Förderer vieler junger Talente. Seine Aufmerksamkeit galt vor allem unbekannten schlesischen Dichtern, wie Bruno Arndt, Hans Christoph Kaergel, Hermann Stehr, Josef Wiessalla und August Scholtis sowie norwegischen Dichtern, etwa Knut Hamsun, Sigrid Undset, Johan Falkberget, Björn Björnson und Olav Duun. Es kann als ein großes Verdienst Max Taus angesehen werden, daß er die norwegische Dichtung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland bekannt machte und ihr dadurch den Weg zu weltweiter Anerkennung ebnete. Norwegen dankte ihm sein Engagement 1944 mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft.

Ende 1938 war Max Tau nach Norwegen geflüchtet, 1942 nach Schweden, um aber 1946 nach Norwegen zurückzukehren, das ihm eine zweite Heimat wurde.

”Auf der schweren Flucht von Norwegen nach Schweden war es mir, als ob ich dem Tode zum ersten Mal ins Gesicht schaute. […] Auf dieser Flucht beschloß ich aufzuschreiben, wie ein Mensch von jüdischen Eltern, ein echter Oberschlesier, über das Leben denkt. Es sollte der Gegenbeweis gegen alle Verleumdungen von Adolf Hitler sein. Ich glaubte nicht den Krieg zu überleben…”, bekennt Max Tau 1956 in einem Brief. Der erste Teil seiner Autobiographie entstand: Das Land, das ich verlassen mußte (Dt. 1961). Später folgten Ein Flüchtling findet sein Land (Dt. 1964) und Auf dem Weg zur Versöhnung (Dt. 1968). Bereits vorher waren seine autobiographisch geprägten Romane Glaube an den Menschen (Dt. 1948) und Denn über uns ist der Himmel (Dt. 1955) zunächst in Norwegen, dann in Deutschland, erschienen. Taus Ruhm als Schriftsteller und Erzähler beruht auf diesen Werken. Sein Oeuvre umfaßt jedoch auch zahlreiche kulturkritische Essays und Zeitschriftenartikel, beispielsweise zu Hermann Stehr, Nelly Sachs oder dem griechischen Dichter Nikos Kazantzakis, und ein Buch über den schlesischen Schriftsteller Bruno Arndt.

 

In seinen autobiographischen Werken zeigt Tau das Glück des Seins, eines aus dem Inneren heraus freien Lebens. Taus Auffassung, daß die Aufgabe des Menschen darin bestehe, zu leben und sich zu bewähren, spricht aus seinen literarischen Texten. Er tritt darin für Verständigung und Versöhnung, für die Überwindung von Vorurteilen und Mißtrauen ein. Das Denken, Reden und Schreiben Max Taus stand im Dienste der Förderung des Guten, der Hilfsbereitschaft und des Friedens. In seiner Dankrede bei der Entgegennahme des Friedenspreises formulierte Tau, was sich in seinen Werken immer wieder ausdrückt: ”Es ist nicht die Arbeitslast, die die Menschen erdrückt, es ist die Sinnlosigkeit, die oft zur Verzweiflung treibt. Alle Konfessionen haben das gleiche Gebet. Sie bitten, daß der Geist des Friedens die Menschen segnen möge. […]. Nur in den Augenblicken der Not hat sie der Sinn dieses Gebetes erleuchtet. Sie suchten nach Frieden für sich selbst. Aber der Frieden ist unteilbar. Keiner kann ihn allein erreichen. Alle müssen versuchen ihn zusammen zu finden. Der Krieg ist sinnlos. Keine Macht kann den Frieden diktieren. Nur die geistigen Kräfte vermögen ihn zu sichern.”

Sein Lebensweg öffnete Tau die Augen dafür, daß Friede und Versöhnung bei der Beziehung zwischen Mensch und Mensch beginnen. Bis an sein Lebensende trat Max Tau für Versöhnung zwischen den Völkern ein und blieb doch seiner Heimat dankbar verbunden. 1974 faßte er rückblickend zusammen: ”Eigentlich hat alles, wonach ich gestrebt habe, seinen Ursprung in den Bildern des Lebens, die ich durch meine oberschlesische Heimat erfahren habe. […] Die Menschen in meiner Heimat lehrten mich, daß Einfachheit das Wesentlichste und Größte ist. Nur durch Einfachheit kann man das erreichen, was den Wert des Lebens ausmacht, nämlich das Nachdenken für den anderen, die Hingabe an den anderen und das höchste Geschenk, die Freundschaft.” Er schließt mit Sätzen, die ihm als Richtschnur im Leben dienten: ”Die Erneuerung kann nur aus dem Geiste und der Liebe kommen. Sie ist überall wirksam. Nur wer vergeben kann, vermag auch den Frieden in sich selbst zu erreichen.”

Neben dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt Max Tau den Nelly-Sachs-Preis (1965), den Literaturpreis der deutschen Freimaurer (1966), den Sonningpreis der Universität Kopenhagen (1970) und den Oberschlesischen Kulturpreis (1974). Er war Ehrenbürger der Christian Albrechts-Universität Kiel und Ehrenmitglied des Börsenvereins des deutschen Buchhandels.

Werke: Bruno Arndt. Sein Leben und Werk. Trier, Konstanz, Leipzig 1920. – Landschafts- und Ortsdarstellungen Theodor Fontanes. Oldenburg 1928. – Glaube an den Menschen. Berlin-Grunewald 1948. – Denn über uns ist der Himmel. Hamburg 1955. – Albert Schweitzer und der Friede. Hamburg 1955. – Das Land, das ich verlassen mußte. Hamburg 1961. – Ein Flüchtling findet sein Land. Hamburg 1964. – Auf dem Weg zur Versöhnung. Hamburg 1968.

Max Tau als Herausgeber: Die Stillen. Dichtungen. Trier 1921. – Hermann Stehr. Gesammelte Werke in neun Bänden. Trier 1924. – Das Wilhelm-Schmidtbonn-Buch. Berlin, Lübeck, Leipzig 1927. – Vorstoß. Prosa der Ungedruckten (Hg. zus. mit W. v. Einsiedel). Berlin 1930. – Joseph Görres. Eine Auswahl aus seinen Schriften. Berlin 1931. – Albert Schweitzer erobre Norge. En liten bok om en stor opplevelse (Hg. mit C.F. Engelstadt). Oslo 1954. – Herausgeber der Buchreihen ”Die deutsche Novelle. Eine Bücherei zeitgenössischer Dichtung” und ”Der deutsche Roman zwischen 1921 – 1925” (Verlag Friedrich Lintz, Trier). – Norwegische Ausgaben deutscher Schriftsteller mit Einführungen von Max Tau (Verlag Johan Grundt Tanum, Oslo): Augustiny, Waldemar: Drømmens blå blomst (Die Wiederkehr des Novalis). 1950. – Richter, Hans Werner: De beseirede (Die Geschlagenen). 1950; Schweitzer, Albert: Ærefrykt for livet (Denken und Tat). 1951. – Kirst, Hans Hellmut: Loytnanten er forrykt (Wir nannten ihn Galgenstrick). 1951. – Rinser, Luise: Midtveis i livet (Mitte des Lebens). 1952. – Bamm, Peter: Det usynlige flagg (Die unsichtbare Flagge). 1953.

Lit.: Däumling, Hans (Hg.): Das Leben lieben. Max Tau in Briefen und Dokumenten 1945 – ?. Würzburg 1988. – Doerdelmann, Bernhard (Hg.): Freundesgabe für Max Tau. Gratulationen zu seinem 70. Geburtstag. Hamburg 1967. – Haas, Olaf: Max Tau und sein Kreis. Paderborn 1988. – Rakette, Egon H.: Max Tau – Der Freund der Freunde. Heidenheim 1977. – Stiehm, Lothar: Max Tau. Bildner – Erwecker – Warner. Heidelberg 1968.

Bibliographie: Perlick, Alfons: Festschrift für Dr. Max Tau. Dortmund 1961. – Ders.: Max Tau-Biographie und -Bibliographie (Ergänzung und Fortsetzung). In: Mitteilungen des Beuthener Geschichts- und Museumsvereins, H. 25/26 (1963/64), S. 149-154.

 

Bild: Süddeutscher Verlag München

 

  Ruth Kaiser