Ereignis vom 1. Januar 1829

Anwendung der Schrothkur

Johann Schroth

Nur einigen wenigen aus dem sudetendeutschen Lebens- und Sprachraum wurde die Ehre zuteil, mit ihrem Namen in der sprachgeschichtlichen Entwicklung eine Rolle zu spielen und etwa in den Duden aufgenommen zuwerden. Ich denke zum Beispiel an einen „Porsche“, wo sich ein Familienname zu einem Appelativ gewandelt hat, oder die „Prießnitzkur“, wo sich der Familienname in einem Kompositum erhalten hat. In letzterem Sinne wurde inzwischen auch die „Schrothkur“ sprachlich anerkannt. Beide Naturheilmethoden, die an ihre Gründer Prießnitz und Schroth erinnern, haben sich längst bewährt, und die Zahl an geheilten Patienten ist Legion.

Als eigentlicher Geburtsort der Schrothkur gilt das Dorf Niederlindewiese in der Nähe von Freiwaldau, damals Österreichisch-Schlesien, später Ostsudetenland. Zusammen mit Oberlindewiese wurde nach 1945 die Gemeinde Lipová-lázne gebildet, also „Bad Lindewiese“.

Johann Schroth arbeitete zunächst nach dem Besuch der Stadtschule in Freiwaldau auf dem Hof seines Stiefvaters in Niederlindewiese, später als dessen Erbe als selbständiger Bauer und Inhaber eines Fuhrunternehmens. Dadurch kam er mit vielen Leuten auch in der weiteren Umgebung zusammen und machte dank seiner Naturverbundenheit bei Menschen, Tieren wie Pflanzen bestimmte Beobachtungen, die zur Grundlage seiner daraus resultierenden Schrothkur wurden. Er erkannte wie Vinzenz Prießnitz die heilende Wirkung des Wassers, der feuchten Wärme sowie – aus eigener Einsicht – einer Diät mit geregeltem Flüssigkeitsentzug und starker Reduzierung der Aufnahme von Eiweiß, Fett und Salz. Damit strebte er eine Entschlackung, Entgiftung und Entwässerung des Körpers an. Patienten aus der unmittelbaren Heimatregion dienten ihm gewissermaßen als Probanden. Schroths Erfolge wurden weit und breit bekannt und Liederlindewiese wurde bald zur Pilgerstätte für Heilungssuchende aller Art. So konnte 1829 eine „diätetische Natur-Heilanstalt“ errichtet werden. Aber schon ein Jahr später hatten die „Schulmediziner“ und auch bloße Neider erreicht, daß Schroth seine Kur nicht mehr anwenden durfte.

Ein Jahrzehnt fachlicher Auseinandersetzungen folgte, bis Schroth doch sein Recht bekam. Dann allerdings reihte sich Erfolg an Erfolg. Vor allem, als es dem Naturheilkundler gelang, einen russischen Fürsten und einen württembergischen Prinzen zu kurieren (für die Allopathen „aussichtslose Fälle“), wurde das 1842 erbaute sogenannte Gründungshaus zum Zentrum der Schrothkur, und Lindewiese avancierte zum Kurort.

Nach und nach zog sich Johann Schroth aus dem heilkundlichen Geschehen zurück, sein Sohn Emanuel trat das fachliche Erbe an. Promovierte Mediziner folgten, die Schrothkur hatte längst ihre Berechtigung bewiesen und das Heilverfahren konnte – samt Kurort – alle politischen Turbulenzen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs überstehen.

Nach der Vertreibung der Nachkommen Schroths und seiner Landsleute aus ihrer Heimat (1945/46) wurde die Schrothkur nach neueren Erkenntnissen verfeinert, doch die Grundlagen sind geblieben. Die Tradition von Lindewiesewurde von den dortigen Einheimischen auf Oberstaufen im bayerischen Allgäu übertragen, das man zum Schrothkurort ausgebaut hat.

Kur und Name gehen zurück auf Johann Schroth, geboren am 11. Februar 1798 in Böhmischdorf, nördlich von Freiwaldau, tschechisch Frývaldov, jetzt Jeseník, gestorben am 26. März 1856 in Niederlindewiese. Leben und Wirken Schroths hat der sudetendeutsche Schriftsteller Hugo Scholz (1896–1987) literarisch gestaltet. 1970 erschien sein Roman „Zuflucht bei Johann Schroth“, 1974 als eine Art Fortsetzung der Band „Erbe und Geheimnis des Naturarztes Johann Schroth“. Für die Wahrung der Tradition und die Fortführung des Schrothschen Kurgedanken ist der „Schrothverein Oberstaufen e.V.“ zuständig.

Lit.:  Österreichisches biographisches Lexikon 1815–1950, hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, XI. Bd., Wien 1999. – J. W. König: Die Schrothkur als kulturgeschichtliche Reminiszenz, in: Sudetendeutscher Kalender 1994, Landshut 1993. – Vera Brosig: Die Originale Schrothkur. Hannover 2003 (2. Aufl.).

Bild: Johann Schroth, Lithographie von Carl Goebel, 1850 / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Josef Walter König (OGT 2004, 253)