Ereignis vom 1. Januar 1201

Bischof Albert von Buxhoeveden gründet die Stadt Riga

Statue des Bischofs Albert von Buxhoeveden am Dom zu Riga

Mit einer Fülle von kulturellen Veranstaltungen und internationalen Begegnungen feierte die lettische Hauptstadt Riga im Jahre 2001 das 800jährige Jubiläum der Stadtgründung. Eine Ge­denkstunde war auch dem Stadtgründer gewidmet, dem 1199 in Bremen zum Bischof von Livland geweihten Bremer Dom­herren Albert von Buxhoeveden, in mittelalterlichen Quellen Albert de Bekeshovede genannt. Eine Statue von Bischof Albert war Ende des 19. Jahrhunderts am Rigaer Dom angebracht. Diesen hatte der Bremer Kleriker als eines der ersten Gebäude in der neuen Stadt errichten lassen. Die Statue war im Ersten Weltkrieg abgebrochen worden und verloren gegangen. Als Geschenk der Deutsch-Balten an die Stadt Riga, die sie bis 1939 über die Jahrhunderte hin so wesentlich geprägt hatten, wurde eine originalgetreue Nachbildung dieses Denkmals für Bischof Albert von Buxhoeveden wiedererrichtet und von den beiden Erzbischöfen Lettlands, dem evangelisch-lutherischen und dem römisch-katholischen, am 9. Juni 2001 feierlich gesegnet.

Drei vorrangige Ziele bestimmten die Gründung Rigas mit und wurden von Bischof Albert umsichtig in seinen Planungen bedacht: die Christianisierung der Liven im Auftrag Papst Innozenz’ III., die weitere Ausdehnung des Ostseehandels in Richtung Norden und Nordosten nach der Entstehung einer deutschen Kaufmannssiedlung in Wisby auf Gotland (1160) und eine weitere Besiedlung des Landes durch die Anwerbung von Pilgern und Kreuzfahrern, vor allem in den Gebieten des deutschen Reiches.

Aus allen drei Gesichtspunkten war es notwendig, ein befestigtes politisches und logistisches Zentrum in verkehrsgünstiger Lage zu schaffen: als Basis für die christliche Mission, als Ha­fenstadt für die Koggen der Fernhandel treibenden Kaufleute, sowie zum Schutz für Pilger, Geistliche, Ritter und Kaufleute. Albert von Buxhoeveden hat diese Notwendigkeiten klar er­kannt und konsequent umgesetzt.

Vita und Wirken Alberts sind, zumal in der neueren historischen Forschung, ausführlich belegt und behandelt. Er war zu seiner Zeit eine herausragende Persönlichkeit und kannte persönlich eine Reihe von führenden Männern aus Kirche und Politik. König Philipp von Schwaben hatte dem Bischof aus Bremen 1207 Livland als aufgetragenes Reichslehen überge­ben. Dadurch wurde Livland staatsrechtlich als geistliches Für­stentum des Römischen Reiches Deutscher Nation anerkannt, Bischof Albert wurde Reichsfürst. Die zentrale historische Quelle über ihn ist die „Livländische Chronik“ des Heinrich von Lettland.

Heinrich von Lettland war ein Zeitzeuge und Chronist der Ereignisse in Livland. Maßgeblich sind Veröffentlichungen von Historikern wie Heinrich Wittram, Heinz von zur Mühlen, Friedrich Benninghoven, Gisela Gnegel-Waitschies, Andris Caune oder Robert Bartlett.

Bischof Albert de Bekeshovede stammte aus einer Ministerialenfamilie, die in Bexhövede, einem Ort nördlich von Bremen ansässig war. Außer Albert waren noch weitere Mitglieder dieser Familie im Bistum Bremen in führenden Positionen tä­tig. Vom Erzbistum Bremen-Hamburg aus gab es schon seit sei­ner Gründung 787 missionarische Tätigkeit im Nordosten Europas.

In einer Bulle vom 5. Oktober 1199 hatte Papst Innozenz III. die Gläubigen zum Schutz der Livländischen Kirche aufgerufen. Denn zwei Missionsversuche in Livland waren vor Bischof Albert gescheitert. Albert widmete sich von Anfang an bis zu seinem Tod 1229 mit ganzer Kraft – auch mit persönlichem Ehrgeiz – konsequent diesem Missionswerk. Noch im Jahr 1199 war er in Bremen zum Bischof von Livland geweiht worden. Bereits im Jahre 1200 brach er mit 23 Schiffen und einem angeworbenen Kreuzfahrerheer über die Ostsee zu seiner christlichen Mission auf, ein Jahr darauf gründete er die Stadt Riga; im Jahre 1202 gründete er – nach dem Vorbild des Templer-Ordens in Jerusalem – den Schwertbrüderorden, der militärische Aufgaben übernahm und dem Schutz der Gläubigen diente.

Wie sein zügiges, gezieltes und politisch kluges Handeln beweist, hatte Bischof Albert offenbar ziemlich genaue Kenntnisse über die politische Lage in Livland (das heutige Gebiet Lettlands und Estlands), bevor er dorthin startete. Seine beiden Amtsvorgänger, die Bischöfe Meinhard und danach Bertold, waren mit ihren Missionsversuchen gescheitert. Bischof Bertold war nach nur zwei Jahren in Livland von den Liven erschlagen worden. Aus diesen Erfahrungen hatte der Bischof aus Bremen offensichtlich die Lehre gezogen, Livland notfalls auch mit militärischer Gewalt für den christlichen Glauben und die katholische Kirche zu gewinnen und dauerhaft zu sichern.

Die Gründung Rigas war ein wesentlicher Eckstein für den dauerhaften Erfolg. Bereits 1201 begann Albert mit ersten Vorbereitungen für die Stadtgründung. Nicht lange nach seiner Ankunft hatte er sich den „locus rige“ von den Liven bezeichnen lassen und stimmte den Platz mit den Fernkaufleuten ab. Er lag sehr günstig am Zusammenfluß des Rigebaches und der Düna unweit der Mündung in die Ostsee und somit an der wichtigen Handelsroute zwischen Lübeck, Wisby und Nowgorod und Smolensk. Das Zusammenwirken von Fernhandel und christlicher Mission ist für die Christianisierung Livlands entscheidend gewesen.

An dem „locus rige“ existierte zwar seit dem 11. Jahrhundert eine livische Siedlung, es wurde dort auch Handel getrieben. Aber als „mittelalterliche Stadt europäischen Typs“ habe Riga sich erst mit den Entscheidungen und Handlungen von Bischof Albert von Buxhoeveden zu entwickeln begonnen, stellt selbst der lettische Historiker Andris Caune in „Sena Riga“ fest.

Bischof Albert ließ das unter Bischof Meinhard in Üxküll errichtete Missionszentrum nach Riga verlegen und begann mit dem Bau des Domes zu St. Marien. Schon 1209 ist eine zweite Kirche, die Peterskirche, erwähnt. Sehr bald war die Stadt zudem von einem Wall umgeben. 1202 gründete der Bischof aus Bremen den Schwertbrüderorden, um die Mission gegebenenfalls auch mit gewaltsamen Mitteln durchzusetzen. Das Hauptquartier des neuen Kreuzritterordens wurde in den Stadtkern von Riga gelegt. Die Fernhandel treibenden Kaufleute waren nicht nur Ratgeber bei der Wahl des „locus rige“, vielmehr waren sie auch wesentlich am Aufbau Rigas beteiligt.

Die Bewohner dieser neu entstehenden Stadt waren zunächst fast ausschließlich deutscher Herkunft, außerhalb der Stadtmauern lebte eine livische Gemeinde in ihrem eigenen Dorf. Die ersten Bürger Rigas waren deutsche Fernkaufleute aus Wisby, denen Kaufleute aus deutschen Städten folgten. Auch Handwerker wurden zuerst aus Deutschland und Gotland geholt. Bischof Albert selbst hat seinerseits bei zahlreichen Reisen in deutsche Städte mit flammenden Aufrufen und Predigten um die Unterstützung von Pilgern und Kreuzfahrern für seine Mission geworben. Alle seine fünf Geschwister folgten ihm nach Livland und unterstützten ihn in unterschiedlichen Funktionen. Bereits 1202 traf Alberts Bruder Engelbert mit ersten Bürgern aus Deutschland ein. Engelbert wurde der erste Probst des rigaischen Domkapitels. Vorwiegend aus Norddeutschland, besonders aber aus Westfalen stammte die größte Zahl der Bür­ger Rigas. Das belegen toponymische Familiennamen des 14. und 15. Jahrhunderts, fast ein Fünftel dieser Namen verweisen auf westfälische Städte.

Entsprechend ihrer Bedeutung für die Stadtgründung wurden die Kaufleute von Bischof Albert mit besonderen Privilegien bedacht, wie Zollfreiheit, Befreiung vom Gottesurteil, Schutz ihres gestrandeten Gutes vor Beschlagnahme und Plünderung, sowie dem Recht, bei Gesetzesübertretungen nach dem Recht ihrer jeweiligen Heimatstadt abgeurteilt zu werden. Albert hat die Handelswege durch Verträge mit Rußland und Litauen gesichert.

Noch in seiner Amtszeit hat er den Bürgern Rigas das Stadtrecht und die Erlaubnis einer eigenen Münze verliehen. 1225 erhielten die Bürger Rigas das Privileg, ihre eigenen Richter zu wählen, für 1226 wird erstmals ein Stadtrat erwähnt.

Die Städte Altlivlands gehörten zwei verschiedenen Stadtrechts­­landschaften an. Im ehemals dänischen Estland, in Reval, Narwa und Wesenberg, galt Lübisches, in allen anderen Städten Rigisches Recht. Zunächst hatten die aus Wisby nach Riga gekommenen Kaufleute nach dem Recht „der auf Gotland an­sässigen Deutschen“ gelebt, später hat Riga unter Bischof Nikolaus Hamburgisches Recht erhalten, aus dem am Ende des 13. Jahrhunderts durch Abwandlungen ein eigenes Rigisches Recht hervorging.

Während die Christianisierung und die Eroberungen in Liv- und Estland in jahrelangen blutigen Kämpfen durchgesetzt wur­den, weil die einheimischen Stämme zähen Widerstand lei­steten, nahm die Stadt Riga offenbar einen raschen Aufschwung. Innerhalb von 30 Jahren – also fast der ganzen Amts­zeit Bischof Alberts – entwickelte sich Riga von einer kleinen Livensiedlung zu einer etwa 20 Hektar großen mittelalterlichen Stadt mit gemauerten Befestigungen und zu einem bedeutenden Handelszentrum an der Ostsee. Die Einwohnerzahl wuchs in dieser Zeit auf 2000 bis 3000 an. Schon gegen Ende des 13. Jahrhunderts gehörte Riga der Hanse an.

700 Jahre lang blieben die Deutschen ein prägendes Element in Riga – trotz wechselnder Zugehörigkeit zu Polen, Schweden oder Rußland. Seit Peter dem Großen und der Herrschaft Rußlands entwickelte sich Riga zur größten Stadt und Metropole im Gebiet Altlivlands.

Lit.: Robert Bartlett: Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt. Eroberung, Kolonisierung und kultureller Wandel von 950 bis 1350, München 1996. – Friedrich Benninghoven: Rigas Entstehung und der frühhansische Kaufmann, Hamburg 1961 (Nord- und osteuropäische Geschichtsstudien; 3). – Andris Caune: Sena Riga, Riga 2000. – Gise­la Gnegel-Waitschies: Bischof Albert von Riga. Ein Bremer Domherr als Kirchenfürst im Osten (1199–1229), Hamburg 1958 (Nord- und osteuropäische Geschichtsstudien; 2). – Heinz von zur Mühlen: Liv­land von der Christianisierung bis zum Ende seiner Selbständigkeit (etwa 1180–1561), in: Gert von Pistohlkors (Hg.): Deutsche Geschichte im Osten Europas. Baltische Länder, Berlin 1994. – Reinhard Wittram: Baltische Geschichte, Darmstadt 1973. – Quelle: Henrici Chro­nicon Livoniae. Heinrich von Lettland: Livländische Chronik. Neu übersetzt von Albert Bauer, Darmstadt 1959 (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters Bd. XXIV).

Bild: Statue des Bischofs Albert von Buxhoeveden am Dom zu Riga

Christina von Buxhoeveden-Reuter, Volker von Buxhoeveden (OGT 2001, 309)