Ereignis vom 1. Februar 0999

Bistum Kolberg

Bronzestatue des Bischofs Thietmar von Merseburg, Brunnenskulptur in Merseburg von Ulrich Janku (2006)

Um die Weihnachtszeit des Jahres 999 brach Kaiser Otto III. von Rom zu einer großangelegten Reise zum Grab des Heiligen Adalbert in Gnesen auf. Vom polnischen Herzog Boleslaw I. Chrobry, der ihm bis zum Bober entgegen zog, prunkvoll auf-genommen und feierlich nach Gnesen geleitet, errichtete er dort zusammen mit diesem im März des Jahres 1000 das Erzbistum Gnesen. „Dieses“, so lesen wir bei dem zeitgenössischen Chronisten Thietmar von Merseburg, „vertraute er Radim an, dem Bruder des Märtyrers (Adalbert), und unterstellte ihm Reinbern, den Bischof der Kirche von Salz-Kolberg (Salsae Cholbergiensis ecclesiae), Poppo, den Bischof von Krakau, und Johannes, den Bischof von Breslau.“

Diese Erwähnung in Thietmars Gründungsbericht des Erzbistums Gnesen ist das Einzige, was wir von dem Bistum Kolberg unmittelbar erfahren. Der sog. „Akt von Gnesen“ war ein außerordentlich wichtiges Ereignis in der kirchlichen, aber auch der politischen Entwicklung Polens, das erst unter Boleslaws Vater Mieszko I. christlich geworden war und nun bereits ein eigenes Erzbistum erhielt, das die Eigenständigkeit des Landes auch im kirchlichen Bereich ermöglichte. Die Entstehung des Bistums Kolberg steht in engem kirchenpolitischen Zusammenhang damit. Sie sollte die Unterwerfung der pomoranischen Kernlande unter Polen festigen, ihre Christianisierung fördern und sie auch kirchlich an Polen binden. Kolberg, von dem wir in diesem Zusammenhang zuerst erfahren, muss ein Hauptort des damaligen Pommern gewesen sein. Wie der Namenszusatz „Salz“-Kolberg erweist, war es schon damals wie dann auch in den folgenden Jahrhunderten die Salzgewinnung, die dem Ort Bedeutung verlieh, zu der sich ein entsprechender Fernhandel mit Salz entwickelte. Eine uralte Handelsstraße führte von Kolberg über Nakel nach Polen.

Der Bericht Thietmars von Merseburg lässt nicht erkennen, ob das Bistum Kolberg damals schon bestand oder ob es erst geschaffen werden sollte. An späterer Stelle schreibt Thietmar, unser einziger Gewährsmann für Bischof und Bistum, über Bi-schof Reinbern: „Seine großen Bemühungen um die ihm an-vertraute Aufgabe zu schildern, reicht weder mein Wissen noch meine Beredsamkeit aus. Er zerstörte und verbrannte heidnische Heiligtümer; er reinigte das von Dämonen bewohnte Meer, indem er vier mit heiligem Öl gesalbte Steine hineinwarf und Weihwasser aussprengte; so zog er dem allmächtigen Herrn an einem unfruchtbaren Baume einen neuen Schößling heran, indem er unter einem sehr unwissenden [wörtlich: allzu ungesalzenen] Volke die heilige Verkündigung zum Keimen brachte.“ Auch wenn es nicht direkt gesagt wird, scheint sich dies auf die Missionstätigkeit Reinberns in Kolberg zu beziehen, deren Auswirkungen und Erfolge daraus allerdings kaum deutlich werden. Weder von Taufen noch vom Bau von Kirchen wird hier gesprochen, geschweige denn von der Schaffung einer kirchlichen Organisation. So bleibt ganz ungewiss, ob das Bistum je konkret Gestalt gewann, sein deutscher, aus dem thüringischen Hassegau stammender Bischof sich je dauerhafter in Kolberg niedergelassen hat.

Als Boleslaw Chrobry seine Tochter nach Kiew zur Vermählung mit Svjatopolk, dem Sohn Vladimirs des Heiligen sandte, gab er ihr als geistlichen Begleiter Bischof Reinbern von Kol-berg mit, der von dort nicht mehr zurückkehrte. Der Teilnahme an einer Verschwörung verdächtigt, wurde er in Kiew ins Gefängnis geworfen, wo er vor 1015 starb. Bei diesem seinem letzten Auftrag erscheint Reinbern eher als ein in der Umgebung des polnischen Herzogs weilender denn als dafür aus Kolberg herbeigeholter Missionsbischof. Da die Pomoranen die polnische Oberhoheit in den Kriegen Boleslaw Chrobrys mit König (seit 1014 Kaiser) Heinrich II. in den Jahren 1002 bis 1018 wieder abschüttelten, war er damals vielleicht schon aus Kolberg vertrieben, und es fehlten die Voraussetzungen für ein Fortbestehen des Bistums. Nachrichten über einen Nachfolger Reinberns gibt es nicht.

Die Errichtung des Bistums Kolberg stellte einen ersten Versuch dar, von Polen aus die Pomoranen zu christianisieren. Da er mit politischem Druck und dem Ziel verbunden war, das Land enger an Polen zu binden, scheiterte er spätestens, als sich die Pomoranen von diesem Druck befreien konnten. Außerdem war die missionarische Kraft, die von Polen ausging, allzu gering. Polen, dessen junge Kirche selbst im Aufbau steckte, fehlte es an Personen, die in Pommern eine kirchliche Organisation aufbauen konnten. Dass Herzog Boleslaw mit Reinbern keinen Polen, sondern einen Deutschen zum Bischof bestimmte, dürfte wohl darin seinen Grund gehabt haben.

Nach den Rückschlägen, welche die polnische Kirche in den Wirren nach dem Tod Mieszkos II. erfuhr, scheint man in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts die Bemühungen um eine Christianisierung der Pomoranen fortgesetzt zu haben, worauf Nachrichten über einen Bischof Franco von Belgard, einem weiteren Hauptort des damaligen Pommern, hindeuten. Den entscheidenden Erfolg erzielten aber erst die Missionsreisen Bischof Ottos von Bamberg im folgenden Jahrhundert.

Quelle: Die Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg und ihre Corveier Überarbeitung. Hg. von Robert Holtzmann. Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Germanicarum. Nova series 9. 2. Aufl. Berlin 1955. Darin Buch 4 Kap. 45; Buch 7 Kap. 72.

Lit.: Jürgen Petersohn, Der südliche Ostseeraum im kirchlich-politischen Kräftespiel des Reichs, Polens und Dänemarks vom 10. bis zum 13. Jahrhundert (Ostmitteleuropa in Vergangenheit und Gegenwart 17). Köln Wien 1979, S. 41-46.

 

Bild: / Quelle:

Klaus Conrad