Ereignis vom 1. Januar 1999

Das Haus Brandenburg in Fürstenwalde/ Spree

Wappen der kurfürstlichen Markgrafschaft Brandenburg und der späteren Provinz Preußens

Die Landsmannschaft Berlin-Mark Brandenburg zählt zu den sogenannten reichsdeutschen Landsmannschaften wie die Ostpreußen oder Schlesier, weil ihr Gebiet, die ehemalige Provinz Brandenburg innerhalb der Grenzen des Jahres 1937 liegt. Zahlenmäßig gehört sie zu den kleinsten Landsmannschaften mit weniger als 10.000 Mitgliedern. Bis zur politischen Wende war sie eine mitteldeutsche und eine ostdeutsche Organisation, nach der Wiedervereinigung beschränkt sich der Mitgliederstamm auf vertriebene oder geflüchtete Deutsche aus den ehemaligen ost-brandenburgischen Gebieten östlich von Oder und Lausitzer Neiße. Eigentlich müsste die Landsmannschaft den Namen „Ost-Brandenburg – Neumark“ tragen. Das historische Ost-Brandenburg umfasste mit 14500 qkm etwa ein Drittel der Fläche der Fläche der Mark Brandenburg, 1939 lebten dort 642000 Menschen, eine rein deutsche Bevölkerung. Eine Ausnahme bildete das kleine Dorf Posemuckel am Fluss Obra mit überwiegend polnischen Einwohnern.

Angesichts des Abtretens der Erlebnisgenerationen wird die Frage immer drängender, wie in Zukunft das Erbe des historischen Ost-Deutschlands, also auch Ost- Brandenburgs bewahrt werden soll. Ein Bekenntnis zum historischen deutschen Osten ist nicht selbstverständlich für das Geschichtsbewusstsein der Nachkriegsgenerationen. Im Begriff Ost-Deutschland sind heute im Sprachgebrauch die neuen Länder gemeint, Ost-Bran­denburg bezieht sich auf die Landkreise östlich von Berlin bis zur Oder. Wir erleben also eine Westverschiebung der Begriffe. Die Ost- und die Westpreußen, die Pommern und Schlesier besitzen mit Hilfe der öffentlichen Hand seit Jahren eigene Museen und Kulturstätten in Greifswald, Lüneburg oder Görlitz u.a. als Informationsmöglichkeiten für die Bevölkerung. Nicht so die Brandenburger; hier brachte erst die Wiedervereinigung die Bildung eines Landes Brandenburg ohne den historischen östlichen Teil. Gleichzeitig begannen Überlegungen für ein eigenes Kultur- und Bildungszentrum. Unermüdlicher Motor für dieses Ziel wurde der damalige Bundessprecher Werner Bader, ein bekannter Journalist der Deutschen Welle. Da keine Förderung durch die Brandenburger Landesregierung trotz des Paragrafen 96 in Aussicht stand, mussten die erforderlichen Mittel durch die Landsmannschaft aufgebracht werden. Es begann eine großartige Bürgerinitiative ehemaliger Bewohner der Neumark, des Sternberger Landes und anderer interessierter Bürger, die über eine Million DM sammelte, Mit diesem Grundstock konnte die Landsmannschaft am 25. Juli 1999 in Fürstenwalde/ Spree in Anwesenheit des damaligen brandenburgischen Ministerpräsidenten Stolpe das Haus Brandenburg einweihen. Leider brachte die Anwesenheit von Stolpe keine grundlegende Änderung der Haltung der Landesregierung.

Unter dem Eindruck schrumpfender Mitgliedszahlen war die Landsmannschaft nicht mehr in der Lage, Träger des Hauses zu bleiben. Es war eine geradezu weise Entscheidung, zum 1.April 2002 die Trägerschaft über die Einrichtung der Stiftung Brandenburg zu übertragen. Hiermit wird gewährleistet, dass über den Zeitpunkt der Existenz der Landsmannschaft das Haus seine wichtigen Aufgaben auch in Zukunft erfüllen kann. Der Standort Fürstenwalde, etwa 35 km von der deutsch-polnischen Grenze an der Oder entfernt, ist gleichsam Programm. Geschichte, Wirtschaft und Kultur der Mark in Vergangenheit und Gegenwart mit den Bewohnern östlich und westlich von Oder und Lausitzer Neiße müssen der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Ohne Zusammenarbeit mit landesgeschichtlichen Ver­einigungen, Archiven, Universitäten, Heimatvereinen des Landes Brandenburg, aber auch mit dem polnischen Nachbarn kann diese Aufgabe nur schwer erfüllt werden. Hier versteht sich die Stiftung als echter Brückenbauer, wenn es gilt, die deutsche Vergangenheit in Ost-Brandenburg bis 1945 und die polnische Gegenwart seit Beendigung des zweiten Weltkrieges darzustellen, die auch schon Teil der Zeitgeschichte wird. Hervorzuheben ist ferner, dass die Stiftung die einzige Spezialbibliothek Deutschlands über das historische Ost-Brandenburg und die dortigen Entwicklungen seit 1945 besitzt. Die Nachfragen al­lein aus den Universitäten in Berlin und Frankfurt/ Oder sind laufend zahlreicher geworden, eine Erweiterung der räumlichen Kapazitäten ist dringend notwendig. Das gilt auch für die Seminar- und Ausstellungsangebote. Als ein über Fürstenwalde hinaus bekanntes Ereignis hat sich das als Veranstaltung des Freundeskreises des Hauses Brandenburg vom Verf. initiierte und moderierte „Märkische Gesprächsforum“ entwickelt. Bekannte Brandenburger Persönlichkeiten wie Stolpe, Schönbohm, Enderlein, Frau Wanka oder Frau Schwan sowie Krysztof Wojciechowski vom Collegium Polonicum aus Slubice oder der neumärkische Lokalhistoriker Czarnuch aus Vietz (Wit­nica) waren Gesprächs­partner über aktuelle politische, wirtschaftliche, kulturelle und deutsch-polnische Themen. Gera­de für die jungen Generationen, die bereits mit der Realität der polnischen Westgrenze an der Oder und Neiße aufgewachsen sind, gab und gibt es in diesen Diskussionen Ansichten und Informationen aus erster Hand. Das gilt auch für polnische Bürger. Durch alle diese Aktivitäten hat sich das Haus Brandenburg in den zehn Jahren seines Bestehens zu einer festen Größe im kulturellen und politischen Angebot in der Region Fürstenwalde und Frankfurt mit steigenden Teilnehmerzahlen entwickelt Die Erfahrungen zeigen, dass der Kenntnisstand der deutschen Bevölkerung über die Vergangenheit der Regionen östlich von Oder und Neiße sehr lückenhaft ist. Diese Tatsache gilt als wichtigste Legitimierung der Arbeit des Hauses, die von zahlreichen Ehrenamtlichen, Interessierte aus der Region und Menschen mit ost-branden­bur­gi­scher Biografie, mitgetragen wird. Diese Erkenntnis muss sich stärker bei der Potsdamer Landesregierung herumsprechen, die seit kurzem einzelne Projekte fördert – immerhin ein Anfang gegenüber jahrelanger Tabuisierung. Es bleibt zu hoffen, dass das Haus Brandenburg in Fürstenwalde über die Grenzen des Landes Brandenburg ein Begriff wird und nicht, wie ein bekannter Vertriebenenpolitiker die Domstadt Fürstenwalde als Heimat der Sänger (von Finsterwalde) einordnet.

Bild: Wappen der Mark Brandenburg / Quelle: Von David Liuzzo – Custom Creation according to blazon of the coats of arms., CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1286087

Karlheinz Lau (OGT 2009, 376)