Ereignis vom 21. Juni 1718

Der Friede von Passarowitz

Der Vertrag von Passarowitz

Am 21. Juli 1718 schlossen Venedig und Kaiser Karl VI. in Passarowitz (Požarevac) in Serbien Frieden mit dem osmanischen Sultan Ahmed III. Der Krieg, den Venedig und das Haus Habsburg gegen die Türken führten, ist untrennbar mit dem Prinzen Eugen von Savoyen verbunden, mit seinem Sieg am 5. August 1716 bei Peterwardein (Petrovaradin) und der Eroberung von Belgrad. Der Krieg war von Venedig ausgegangen, dessen Besitzungen im südlichen Griechenland von den Türken angegriffen worden waren, worauf Kaiser Karl VI. seinem Verbündeten Truppen zur Verfügung stellte. Nach dem Sieg bei Peterwardein am 5. August 1716 und der Erstürmung Belgrads waren die Truppen Österreichs bis weit nach Serbien und in die Walachei vorgestoßen. Venedig konnte unter dem Kommando des sächsischen Feldmarschalls Johann Matthias von der Schulenburg den Angriff der Türken auf Korfu abwehren, ein Sieg gegen eine gewaltige Übermacht, der im Gegensatz zu den Taten Prinz Eugens kaum bekannt ist, aber damals Venedig und Europa rettete. Werner von der Schulenburg hat 1950 in dem historischen Roman Der König von Korfu die Leistung seines Vorfahrens behandelt.

Die Kämpfe Prinz Eugens sind durch das Lied Prinz Eugen, der edle Ritter bis heute unvergessen. Nach dem Verlust Belgrads boten die Osmanen bereits im September 1717 Friedensverhandlungen an, die in Wien Zustimmung fanden, aber es dauerte Monate, bis die Delegierten der kriegsführenden Mächte sich in Passarowitz trafen und verhandelten. Prinz Eugen wollte möglichst schnell Frieden schließen, und zwar nach dem Grundsatz, das zu erhalten, was erobert worden war.

Im Friedensvertrag von Passarowitz trat das Osmanische Reich das Banat, die Kleine Walachei, einen Grenzstreifen Nordserbiens und Belgrad an Österreich ab. Venedig verlor zwar Morea (den Peleponnes), behielt aber Festungen auf dem griechischen und albanischen Festland und vor allem Korfu und die übrigen Jonischen Inseln. Außer dem Friedensvertrag wurden in Passarowitz auch Wirtschaftsabkommen und Handelsverträge geschlossen, die den Parteien Handelsfreiheit gewährten und Griechen, Aromunen, Armenier und andere Angehörige der Völker der Türkei nach Wien strömen ließen. Die Türken senkten ihre Einfuhr- und Ausfuhrzölle und gaben den Untertanen des Kaisers das Recht auf freien Transitverkehr und Garantie für Schiffe unter habsburgischer Flagge. Gegen die bisherige Monopolstellung der Engländer meinte Prinz Eugen, die Kaufleute aus Wien, Prag, Breslau und Ofen hätten auch das Recht, am Handel mit dem Osmanischen Reich zu verdienen. Durch den Frieden von Passarowitz war das Habsburgerreich dreimal größer geworden, als es 1683 war, als die Armeen des Sultans zum zweiten Mal vor Wien gestanden hatten.

Ein wichtiger weniger bekannter Aspekt des Friedensvertrages war auch die Erweiterung der Rechte Österreichs als zweite Schutzmacht der Christen im Orient, nachdem bereits im Artikel 13 des Vertrages von Karlowitz 1699 den Österreichern vom Sultan gleiche Rechte eingeräumt worden waren, wie sie die Franzosen bereits genossen. Kaiser Leopold I. übte damals auch zum ersten Mal das Schutzrecht für einen Patriarchen aus, da der französische König Ludwig XIV. in erster Linie mit Kriegen beschäftigt war. Der Kaiser ließ durch den Karlowitzer Friedensvertrag den vertriebenen syrischen Patriarchen Petrus von Aleppo in seinem Amt bestätigen.

Artikel 11 des Friedens von Passarowitz bestätigte nun die österreichischen Vorrechte erneut und räumte dem kaiserlichen Internuntius bei der Pforte ausdrücklich das Recht ein, beim Sultan für die katholischen Interessen einzutreten: „Alle Stipulationen der Verträge und früheren Edikte, die die Ausübung des christlichen Kultus nach dem römisch-katho­lischen Ritus betreffen, werden bestätigt. Die Ordensleute, von welchem Orden sie auch seien, werden den kaiserlichen Schutz genießen, und der Gesandte des Kaisers der Römer wird alle Freiheit haben, sich seiner Mission zu erledigen bezüglich dessen, was die Religion und die heiligen Stätten zu Jerusalem betrifft und andere Orte, wo die Ordensleute Kirchen haben werden.“

Damit war Österreich als zweite katholische Schutzmacht der Christen neben Frankreich getreten. Im Frieden von Belgrad 1739, durch den Österreich Belgrad wieder verlor, wurde dieser Vertrag von Passarowitz ausdrücklich bestätigt, darüber hinaus auch „alle Privilegien, welche für die Ordensleute und zwecks Ausübung der christlichen Religion nach dem Ritus der römisch-katholischen Kirche von den Vorfahren des glorreichsten Kaisers der Ottomanen in seinen Reichen bewilligt worden sind.“

Die Ordensleute durften danach auch ihre Kirchen und Kapellen im Osmanischen Reich reparieren und wiederherstellen, was der Sultan erlaubte, der als Kalif auch religiöses Oberhaupt der Muslime war. „Ferner wird dem Gesandten des erhabensten und mächtigsten Kaisers der Römer bei der Ottomanischen Pforte gestattet, vorzubringen, was bezüglich der Religion und der heiligen Stätte sich ereignet hat, die die Christen in der heiligen Stadt Jerusalem besuchen, und an anderen Orten, wo die besagten Ordensleute Kirchen haben, und in dieser Hinsicht alle zuständigen Instanzen anzurufen.“

Als weiterer internationaler Vertrag bestätigte der am 4. August 1791 geschlossene Friede von Sistowa „nicht nur die Privilegien, die durch Artikel 9 des Vertrages von Belgrad dieser Religion zugesichert sind, sondern auch diejenigen, die später durch ihre (das heißt der Hohen Pforte) Fermane und andere von ihrer Autorität ausgeflossenen Akte bewilligt worden sind“. Damit besaß Österreich wie Frankreich ein Schutzrecht für die Christen ohne Einschränkung des Ortes und der Nationalität, das es in den Jahren nach dem Frieden von Sistowa ständig ausübte, da in Frankreich die Revolution inzwischen antikirchliche Maßnahmen ergriffen hatte und selbst französische Geistliche in der Levante vorübergehend nicht mehr auf den Schutz der französischen Konsule hoffen konnten. In Saloniki zum Beispiel unterstellten sich die Lazaristen in den Revolutionsjahren dem Schutz des österreichischen Konsulates, da der französische Konsul fanatischer Kirchengegner war. 1797 übernahm Österreich die venezianischen Besitzungen an der Adria und damit auch die Rechte der ehemaligen Republik Venedig. Von daher rührt auch Österreichs Protektorat über die Katholiken Albaniens her bzw. über die katholischen Albaner in Südosteuropa.

Österreich erfuhr seit dem Vertrag von Passarowitz hohe Wertschätzung bei allen Christen des Osmanischen Reiches und auch der Kaiser als „König von Jerusalem“ und als „Apostolische Majestät“ genoss dieser Titel wegen ein beinahe religiöses Ansehen. Zudem hatten die antiklerikalen Auswüchse der Französischen Revolution dem Ansehen Frankreichs bei den orientalischen Christen sehr geschadet.

Die Registratur F 27 Schutz der Christenheit in der Levante im Wiener Haus-, Hof, und Staatsarchiv gibt Zeugnis von der umfangreichen Tätigkeit Österreichs für orientalische Kirchenfreiheit. An einigen österreichischen Lehranstalten wurden Kleriker der orthodoxen und der unierten Kirchen der Levante ausgebildet. Das Theresianische Privileg für die katholische armenische Mechitaristen-Kongregation vom 30. Mai 1775 stellt ausdrücklich fest, dass dieses Privileg auch den „kirchlichen Familien und den weltlichen der Griechen und Maroniten und den anderen orientalischen Nationen katholischer Religion, die sich der Mechitaristen Kongregation anschließen, sowie der armenischen Nation“ gelten soll.

Noch heute gibt es in Wien ein katholisches armenisches Kloster der Mechitaristen und einen armenisch-gregorianischen Erzbischof und griechische, serbische, rumänische und ukrainische Kirchen. Die Gründung von mit Rom unierten griechisch-katholischen Diözesen wie Großwardein oder Kreutz ist wie die Gründung des armenischen Klosters in Triest Maria Theresia zu verdanken.

Im Ersten Weltkrieg war der spätere syrische Kardinal Ignatius Gabriel Tappouni von den Türken zum Tode verurteilt worden, und zwar unter dem Vorwand, sich antitürkisch zu betätigen. Kaiserin Zita bat den Sultan um Aufhebung des Todesurteils und Tappouni wurde freigelassen. Kardinal Tappouni sagte später einmal zum österreichischen Botschafter des Libanon: „Wir wissen hier, was Österreich für uns tat, aber wissen Sie es noch in Österreich?“

Lit.: A. Arneth, Prinz Eugen von Savoyen, 3 Bände, Wien 1858. – M. Braubach, Geschichten und Abenteuer. Gestalten um den Prinzen Eugen, München 1950. – M. Braubach, Prinz Eugen von Savoyen, 5 Bände, München 1963 bis 1965. – M. Lehmann, Österreich und der christliche Osten, Wien 1969. – G. Piltz, Prinz Eugen von Savoyen. Weg und Werk des edlen Ritters. Biografie, Berlin 1919. – R. Grulich, Konstantinopel, ein Reiseführer für Christen, S. 119-129, Ulm 1998.

Bild: Der Vertrag von Passarowitz und seine Folgen, 1718 / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Rudolf Grulich