Ereignis vom 1. Januar 1905

Der Stapellauf der Linienschiffe „Schlesien“ und „Pommern“

Linienschiff „SMS Pommern“

Sie trugen die Namen zweier bedeutender ostdeutscher Provinzen über die Weltmeere. Sie repräsentierten den damaligen technologischen Stand des Kriegsschiffbaus in Deutschland – und waren dennoch den Anforderungen des modernen Seekriegs wenige Jahre später kaum gewachsen. Doch obwohl sie schon bei ihrem Stapellauf im Grunde veraltet waren, sollte es zumindest eines der beiden Schwesterschiffe auf eine Dienstzeit von fast vier Jahrzehnten bringen – in zwei Weltkriegen und unter drei deutschen Flaggen.

Die Linienschiffe „Schlesien“ und „Pommern“ gehörten zu den fünf Schiffen der „Deutschland“-Klasse, die im Rahmen des Tirpitz’schen Flottenbauprogramms Anfang des 20. Jahrhunderts vom Stapel liefen. Die „Schlesien“ glitt am 28. Mai 1906 auf der Danziger Schichau-Werft in die Fluten, die „Pommern“ bereits ein halbes Jahr zuvor, am 2. Dezember 1905. Mit einer Länge von 127 Metern, einer Wasserverdrängung von 14.000 Tonnen und einer Hauptbewaffnung von vier 28-cm-Rohren in 2 Türmen repräsentierten sie den Höhe- und zugleich Schluß­punkt des klassischen Linienschiff-Designs.

Denn das Jahr 1906 bedeutete eine Zäsur im weltweiten Kriegsschiffbau: Mit der „Dreadnought“ hatte Großbritannien das Zeitalter der Schlachtschiffe eingeleitet – das mit zehn 30-cm-Geschützen bestückte, deutlich größere, besser gepanzerte und dank Turbinen-Antrieb wesentlich schnellere Großkampfschiff deklassierte schlagartig die bisherigen Bauten aller Seefahrtnationen. Es dauerte geraume Zeit, bis Deutschland mit der „Rheinland“-Klasse einen vergleichbaren Entwurf vorweisen konnte – und währenddessen man die fünf Schiffe der „Deutschland“-Klasse trotz ihrer offensichtlichen technischen Unterlegenheit wie geplant fertigstellte.

Die Admiralität wußte um die Defizite ihrer „Vor-Dread­noughts“. Trotzdem kamen die Schiffe auch in der Skagerrak-Schlacht am 31. Mai 1916 – im „II. Geschwader“ der Kaiserlichen Hochseeflotte sogar mit noch älteren Linienschiffen zusammengefaßt – zum Einsatz. Zum Glück für die Besatzungen gerieten die Schiffe nicht unter konzentriertes Feuer der britischen Grand Fleet, die vor allem auf die deutschen Schlachtkreuzer unter Admiral Franz von Hipper und die Spitzenschiffe des I. Geschwaders von Admiral Reinhard Scheer zielten. Auch wenn beide Seiten taktische Erfolge verbuchen konnten, kannte die Schlacht keinen eigentlichen Gewinner: Der britischen Seite war es nicht gelungen, die deutsche Hochseeflotte zu vernichten, denn Scheer trat rechtzeitig den Rückmarsch in die Heimathäfen an. Andererseits erreichte es auch die deutsche Seite trotz der Versenkung von drei britischen Schlachtkreuzern nicht, am maritimen Kräfteverhältnis in der Nordsee Entscheidendes zu ändern oder gar die Seeblockade, die das Reich wirtschaftlich immer stärker abschnürte, zu sprengen.

Zu den schwersten Schiffsverlusten der Skagerrak-Schlacht auf deutscher Seite zählte das Linienschiff „Pommern“, das in den Nachtstunden des 1. Juni auf dem Rückmarsch in seinen Heimathafen von einem britischen Torpedoboot angegriffen wurde. Nach Torpedotreffern sank es innerhalb weniger Minuten; der unzureichende Unterwasser-Schutz gegen Torpedos – eine damals recht neue Waffe – kostete der gesamten knapp 800-köpfigen Besatzung das Leben.

Glimpflicher kam die „Schlesien“ davon. Nach dem Krieg blieb ihr – wie auch den übrigen Schiffen ihrer Klasse – die Auslieferung an die Alliierten erspart, da sie als veraltet galt. Zunächst außer Dienst gestellt, wurde sie 1926/27 stark modernisiert und bildete fortan zusammen mit dem Schwesterschiff „Schleswig-Holstein“ das Rückgrat der lediglich 10.000 Mann starken Reichsmarine. 1934 begann eine weitere Phase als Kadettenschulschiff. Unter der Flagge der deutschen Kriegsmarine absolvierte die „Schlesien“ zahlreiche Ausbildungsfahrten, unter anderem auch nach Afrika, Südamerika, den Westindischen Inseln und Kanada.

Während des Zweiten Weltkriegs war die „Schlesien“ dann vor allem in der Ostsee eingesetzt, diente mitunter sogar als Eisbrecher und wurde im Herbst 1944 zum „Konvoi-Be­gleit­schiff“ umgebaut. Am 3. Mai 1945 lief sie, mit 1.000 Ver­wundeten an Bord, auf dem Weg nach Swinemünde auf eine britische Grundmine. Schwer beschädigt, wurde die „Schlesien“ von einem Zerstörer auf die Reede vor Swinemünde geschleppt, wo das nicht mehr einsatzfähige Schiff auf Grund gesetzt und am folgenden Tag gesprengt wurde. Anfang der 1950er Jahre wurden die Reste des Wracks beseitigt.

Lit.: G. Kroschel/A.-L. Evers, Die deutsche Flotte 1848 – 1945, Wilhelmshaven 61974. – W. Schultz, Linienschiff Schleswig-Holstein, Herford 21992.

Bild: Die Pommern / Quelle: Bundesarchiv, DVM 10 Bild-23-61-21 / CC-BY-SA 3.0, Bundesarchiv DVM 10 Bild-23-61-21, Linienschiff „SMS Pommern“CC BY-SA 3.0 DE

Karsten Eichner (OGT 2005, 186)