Ereignis vom 10. Dezember 1836

Die Einführung der Distriktsämter in Posen und Westpreussen

Oberpräsident Flottwell

Der sich bereits im frühen 19. Jahrhundert bemerkbar machende deutsch-polnische Nationalitätenkonflikt weckte nach 1830 bei der preußischen Verwaltung den Wunsch nach einer Änderung der Verwaltungsstrukturen. Es war im Großherzogtum Posen üblich, dass Landräte vom örtlichen Adel gewählt wurden, was zur Folge hatte, dass viele polnische Adelige Landräte waren. Als im Jahr 1830 in Russisch-Polen der Novemberaufstand ausbrach, unterstützten viele preußische Landräte polnischer Herkunft die Aufständischen im Nachbarland und erschütterten damit das Vertrauen des preußischen Staates in deren Loyalität.

Eine Änderung der Verwaltungsstruktur war dringend erforderlich und der neue Oberpräsident Eduard Flottwell (1786-1865) wurde damit beauftragt, die nach der Niederschlagung des Aufstands umgesetzt wurde.

Am 27.1.1833 entband König Friedrich Wilhelm III. den Fürsten Antoni Radziwill von seiner Statthalterschaft im Großherzogtum Posen. Am 9.3.1833 wurden versuchsweise für drei Jahre 76 Woytbezirke eingeführt, deren Struktur sich unterhalb der Landratsämter ausbilden sollte. Die Amtsinhaber waren oft niedere Adelige oder (pensionierte) Offiziere, die mehrere Landgemeinden und Gutsbezirke ehrenamtlich verwalteten. Gleichzeitig hob die Regierung das Wahlrecht für Landräte auf, die seither von der Regierung in Posen ernannt wurden.

Die Umgestaltung der Verwaltung im Großherzogtum Posen ging währenddessen weiter. Als 1836 der dreijährige Versuch auslief, stellte man bei der Bewertung fest, dass sich das ehrenamtliche Amt des Woyts (= Vogt) nicht bewährt hatte, wurden diese durch wesentlich größere Polizeidistrikte ersetzt. An ihrer Spitze stand ein hauptamtlicher Distriktskommissar. Die Kabinettsorder König Friedrich Wilhelm III. wurde am 10.12.1836 erlassen und die Umstrukturierung trat zum 1.4.1837 in Kraft.

Das Amt des Distriktskommissars stellte eine Zwischenstufe zwischen Dorfschulzen und Bürgermeister der Städte auf der einen Seite und der Verwaltungsebene der Landräte auf der anderen dar. Jeder Kreis der Provinz Posen wurde in mehrere Distrikte eingeteilt und mit einem Amtskommissar versehen, der in der Distriktsversammlung zusammen mit den Guts- und Dorfschulzen seinen Bezirk verwaltete. Die Städte selbst gehörten dabei nicht zum Polizeidistrikt. Für jeden Polizeidistrikt wurde ein Verwaltungssitz mit Geschäftslokal festgesetzt, meist in der Stadt, die dem Polizeidistrikt den Namen gab.

Besondere Bekanntheit erlangte der Distriktskomrnissar Bock vom Distrikt Wollstein-Ost, der in der polnischen Propaganda als Gegenspieler des polnischen „Helden“ Michal Drzymala den bösen preußischen Polizisten symbolisierte.

Die Distriktsämter bestanden bis 1938. Der größte Teil der Provinz Posen kam jedoch bereits 1919/20 zu Polen, so dass seit her diese Polizeidistrikte nur noch in der Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen bis zu dessen Auflösung zum 1.10.1938 bestanden.

Die polnische Verwaltung übernahm diese Polizeidistrikte in gleichem oder ähnlichem örtlichem Zuschnitt und wandelte sie später in neue Großgemeinden (Gmina) um, wobei die in Preußen bestehenden Gutsbezirke gänzlich aufgelöst und den Dorfgemeinden angegliedert wurden.

Bild: Eduard Heinrich von Flottwell / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Martin Sprungala (OGT 2011,270)