Ereignis vom 1. Januar 1120

DIE GRÜNDUNG DES PRÄMONSTRATENSERORDENS

Nicht nur den deutschen katholischen Heimatvertriebenen ist der „Speckpater“ Werenfried van Straaten (1913-2003) ein Begriff, der mit seiner Gründung des internationalen Hilfswerkes „Ostpriesterhilfe“ (heute: „Kirche in Not“) gerade in den ersten Nachkriegsjahren für die materielle und seelische Unterstützung Millionen von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen gesorgt hatte. Nicht viele werden jedoch wissen, dass Pater Werenfried Angehöriger des Prämonstratenserordens gewesen ist. Dieser Reformorden steht stark im Schatten des einige Jahre vor ihm gegründeten Zisterzienserordens. Während das Interesse für die Kulturleistung der Zisterzienser auch bei Nichtfachleuten weit verbreitet ist, wird die Geschichte des Prämonstratenserordens lediglich in engen Fachkreisen erforscht. Das ist bedauerlich, da dieser Orden für die christliche Geschichte der östlich der Elbe gelegenen Gebiete nicht unbedeutend ist. Zudem sind die Prämonstratenser mit den Zisterziensern eng verbunden. Es lohnt sich daher, den Blick auf den Orden zu werfen, dessen Entstehungsgeschichte auf Weihnachten 1120 zurückgeht und somit seit 900 Jahren besteht.

Dieser Orden wird unweigerlich mit seiner Gründungsperson, dem heiligen Norbert von Xanten, in Verbindung gebracht, wobei die weiteren für die Entstehungsgeschichte bedeutenden Persönlichkeiten unbeachtet bleiben. Die biographischen Angaben über die Familienabstammung und die frühen Jahre dieses Heiligen sind sehr diffus. Das Geburtsjahr Norberts wird auf die Jahre 1080-1085 geschätzt. Auch sein Geburtsort kann nicht mit Sicherheit bestimmt werden. Vermutet wird, dass er aus der Ortschaft Gennep stammt, die in der heutigen südniederländischen Provinz Limburg liegt. Im späten 11. Jahrhundert hatte diese Region politisch zu Niederlothringen und kirchlich zur Kirchenprovinz (Erzbistum) Köln gehört, wodurch gegenwärtig Deutsche, Niederländer und Belgier Norbert als ihren Landsmann betrachten. Ob er zu einer Grafenfamilie gehörte und somit (hoch-)adelig war, wie in früheren Biographien als eine Selbstverständlichkeit galt, wird von den Quellen nicht eindeutig belegt.

 

Norbert wurde sehr früh für den geistlichen Stand vorgesehen. Aus diesem Umstand und der Tatsache heraus, dass sein Bruder Heribert auf den Vornamen des Vaters getauft wurde, kann gefolgert werden, dass Norbert der jüngere Bruder gewesen war. Die seelsorgerische Tätigkeit Norberts fiel jedoch in eine für die Kirche äußert turbulente Zeit. Die katholische Christenheit war seit 1100 tief gespalten, denn zwei Päpste erhoben gleichzeitig den Anspruch, der Stellvertreter Christi auf Erden zu sein. Die Gläubigen prangerten zudem den oft antreffenden moralischen Verfall und die mangelnde theologische Bildung des Klerus an, da gerade adelige Kleriker sich mehr um ihre eigenen Pfründen als um die Seelen ihrer Schäfchen sorgten.

Norbert zeigte sehr früh den Willen, die vita religiosa ernsthaft vorzuleben, wobei ihm die vita communis, die Gemeinschaft gleichgesinnter Priester, besonders am Herzen lag. Es fiel ihm zunächst schwer, eine passende Lebensform für sich zu finden: Das monastische Leben im benediktinischen Reformkloster St. Michael zu Siegburg schien ihm nicht zu behagen. Nach einer Zwischenetappe als Einsiedler auf dem Fürstenberg im linksrheinischen Xanten wurde er als Kanoniker in die Klerikergemeinschaft im Xantener Stift St. Viktor aufgenommen. Norberts Reformbestrebungen fielen dort jedoch auf taube Ohren und so machte er sich unter seinen Mitbrüdern zahlreiche Feinde.

An der Jahreswende 1120/21 reifte in ihm die Entscheidung, sich als Wanderprediger in Richtung Frankreichs zu begeben und auf diese Weise den Aposteln zu folgen. Dabei schwebte ihm vor, gleichgesinnte Priester zu finden, eine Gemeinschaft in der Tradition der Chorherren (regulierten Kanoniker) zu gründen und nach der strengen Augustinusregel zu leben. Zu jener Zeit waren zwei Augustinusregeln verbreitet, welche die innere Ausrichtung einer Ordensgemeinschaft unterschiedlich auslegte: Entweder konnte eine Ordensgemeinschaft kontemplativ leben und sich von der Außenwelt abschotten oder eine über Stiftsmauern greifende gemeinschaftliche Lebensform mit den Schwerpunkten Predigt und Seelsorge wählen. Die strengere der beiden schrieb ein rigoroses Leben in strenger Askese, vollkommener Armut, Schweigen, Schlafentzug durch lange Nachtoffizien, Handarbeit, Klausur und Bußpredigt vor. Als Wanderprediger lehnte Norbert die benediktinische Regel der Ortsgebundenheit (stabilitas loci) und mönchisches Leben ab. Den Schwerpunkt der seelsorgerischen Tätigkeit sah Norbert dabei in der Predigt als einer erneuerten Form der Apostelnachfolge im Sinne des heiligen Augustinus an. Als diese Entscheidung in Norbert heranreifte, war dieser ungefähr 40 Jahre alt, so dass dies nicht mehr in jugendlichem Leichtsinn geschah.

Im nordfranzösischen Prémontré gründete Norbert seine erste Niederlassung, in der er ca. 30 gleichgesinnte Priester um sich scharte. Dass diese neue Gemeinschaft in den darauffolgenden Jahren eine große Anziehungskraft entfalten und sich sehr stark verbreiten konnte, lag am Verdienst mehrerer Adeliger, die sich von dieser Berufung angesprochen fühlte. Insbesondere sei auf die westfälischen Grafenbrüder Gottfried und Otto von Cappenberg verwiesen, die Norbert nach Prémontré folgten und in der Folgezeit in ihrer westfälischen Heimat für zahlreiche Ordensneugründungen sorgten. Dieser Schritt war eine Signalwirkung für den rheinischen und westfälischen Adel, denn häufig erfüllten die prämonstratensischen Gründungen die frömmigkeitsgeschichtliche Funktion von Sühnestiftungen für begangene Gewalttaten in politischen Streitigkeiten.

Im Gegensatz zum Zisterzienserorden, der sich in den ersten Jahrzehnten nach seiner Gründung systematisch ausbreiten konnte, wurden die ersten Gründungsjahre der Prämonstratenser durch zahlreiche Brüche und Diskontinuitäten geprägt. Rund fünf Jahre nachdem Norbert seine Gemeinschaft gegründet hatte, entschloss er sich, den vakanten erzbischöflichen Stuhl in Magdeburg zu übernehmen. 1126 wurde Norbert zum Erzbischof geweiht, wodurch er innerhalb seiner Priestergemeinschaft eine schwere Krise auslöste. Die Übernahme dieses bedeutenden elbischen Metropolitansitzes war mit weltlichem Prunk verbunden und wurde von seinen Glaubensgenossen als Abfall von den Idealen der frühen christlichen Gemeinde, ja sogar als Verrat an den propagierten Lebenszielen und als Apostasie angesehen. Norberts enger Mitstreiter, der westfälische Adelige Gottfried von Cappenberg, kehrte nach einem kurzen Aufenthalt in Magdeburg enttäuscht nach Prémontré zurück. Dabei bildeten sich zwei unterschiedlich agierende Zentren heraus. In den Kerngründungsgebieten, die von Westfalen, über das Rheinland bis nach Frankreich reichten, distanzierten sich die regulierten Kanoniker von ihrem Gründer und weigerten sich, als „Norbertiner“ bezeichnet zu werden. Als Selbstbezeichnung übernahmen sie das Gründungskloster in Prémontré, so dass sich bald die Bezeichnung „Prämonstratenser“ durchsetzte. Auf dem Gebiet des Erzbistums Magdeburg wirkten die Kanoniker unter der Eigenbezeichnung „Norbertiner“, die sich bis nach Polen durchsetzte. Norbert ging als Erzbischof vom Ideal der Kirchenreform des Papstes Gregor dem Großen (gest. 604) aus, welcher die Hierarchisierung der Kirche durch die Stärkung der Ortsbischöfe anstrebte.

Zwischen der Sammlung gleichgesinnter Priester an der Wende von 1120 zu 1121 und dem Tod Norberts 1134 vergingen rund 14 Jahre. Trotz der Kontroversen um den Lebenswandel des Ordensgründers vom Einsiedler zum Erzbischof war die neue Priestergemeinschaft so anziehend, dass 68 Niederlassungen gegründet werden konnten. Anders als die Zisterzienser, deren Filiationssystem sich flächendeckend in Europa ausbreiten konnte, hatten die Prämonstratenser/ Norbertiner geografisch dicht verbreitete Gründungsschwerpunkte. Diese lagen in Nordfrankreich mit Prémontré als Zentrum, Westfalen (Kloster Cappenberg), Brabant (Floreffe) und streckten sich bis zur Rheinmündung und nach Lothringen aus. Das zweite, konkurrierende Ausbreitungsgebiet lag in der Einflusszone des Magdeburger Erzbistums und reichte bis nach Schweden. Zwischen dem Tod Norberts 1134 und 1161 wurden 140 weitere Niederlassungen gegründet. Diese reichten von Nordengland, über Schweden, bis Zentralspanien, Süditalien und zum polnischen Weichselgebiet. In den westlichen Stammlandschaften von Nordfrankreich, Brabant, Lothringen verdichteten sich die Klostergründungen bis nach Schwaben, Flandern und in die Normandie. Den Hauptschwerpunkt der deutschen Niederlassungen bildete die Rhein-Main-Linie bis nach Böhmen, Polen und Ungarn. In Österreich und Schlesien breitete sich der neue Orden mit wenigen Ausnahmen kaum aus, weil sich die übrigen großen Orden der Benediktiner (Österreich), Zisterzienser (in Schlesien stärker verbreitet als in Österreich) und der Augustiner Chorherren dort besser durchsetzen konnten. Mit Gründungen in Riga und im Heiligen Land konnten die Prämonstratenser auch wenige ausreißerische Gründungen an den europäischen Rändern wagen.

Dass die geografische Ausbreitung des Prämonstratenserordens auch nach dem Tod Norberts erfolgreich fortgesetzt werden konnte, lag an Hugo von Fosses, der zwischen 1128 und seinem Tod 1161 als Abt von Prémontré wirkte und als der eigentliche (zweite) Gründer dieses Ordens gilt. Norbert initiierte zwar die Zusammenfassung reformwilliger Priester. Ob er selbst als ein Prämonstratenser und „Gründungsabt“ bezeichnet werden kann, ist in der Forschung vielfach bezweifelt worden. Hugo von Fosses war der eigentliche Organisator, welcher der Priestergemeinschaft eine feste organisatorische Struktur gab, Prémontré zur Mutterabtei ausbaute, den Prämonstratensern eine eigene Liturgie, eine vom Ortsbischof unabhängige Rechtsstellung gab und die Gemeinschaft zu einem Orden formte. Hugo übernahm dabei die Organisationsstruktur der Zisterzienser mit einem Abt und einem Prior an der Spitze der Gemeinschaft und dem Generalkapitel als einer Überwachungsinstanz über alle Niederlassungen. Die ersten Statuten wurden 1130, rund zehn Jahre nach der Gründung, schriftlich verfasst und bis Mitte der 1140er Jahre von den Päpsten mehrfach bestätigt. Damit wuchs die Gemeinschaft zu einem kirchlich approbierten Orden zusammen und die Gründungsniederlassungen durften als Klöster bezeichnet werden. Hierbei wird die Besonderheit der Prämonstratenser sichtbar: Auf der einen Seite lehnen sie sich organisatorisch und strukturell sehr eng an den Zisterzienserorden an, auf der anderen Seite sind sie keine Mönchsgemeinschaft, sondern regulierte Kanoniker, womit sie gewisse Ähnlichkeiten zu den Augustiner Chorherren aufweisen. Ähnlich wie die Zisterzienser nahmen die Prämonstratenser neben zwölf Kanonikern pro Stift auch Laienbrüder (Konversen) auf. Diese überstiegen in Anzahl um ein Vielfaches die Priester.

In den ersten Statuten von 1130 wurde die Übernahme der Pfarrseelsorge streng verboten, weil diese mit der vita communis als nicht vereinbar angesehen wurde. Päpstliche Privilegien erlaubten dem Orden jedoch die Betreuung des Stiftspersonals und die Einrichtung von Kapellen in den Wirtschaftshöfen (Grangien), was die Prämonstratenser von den Zisterziensern übernommen haben. Aus diesen ordenseigenen Kirchenorten entwickelten sich allmählich Pfarreien, in denen der Orden im Laufe der folgenden Jahrhunderte verstärkt die Seelsorge übernahm. Heute liegt der Schwerpunkt der pastoralen Tätigkeit der Kanoniker in der Pfarrseelsorge, wobei das Zusammenleben in der Gemeinschaft weiterhin gefordert wird.

Dass die Prämonstratenser kein Filiationssystem wie die Zisterzienser betrieben haben, lag an der inneren Polarisierung des Ordens in den ersten Gründungsjahrzehnten. Die Kanoniker, die sich als „Prämonstratenser“ bezeichneten, hatten ihr geistliches Zentrum in Prémontré, die mitteldeutschen „Norbertiner“ orientierten sich nach Magdeburg hin. Somit wurde die Zentralisierung des Ordens erschwert.

Nach dem Tod Norberts 1134 sorgten seine Schüler für eine europaweite, explosionsartige Ausbreitung des Ordens, was zum einen auf enge Geflechte zum lokalen Hochadel, zum anderen auf die innere, strukturelle Konsolidierung des Ordens zurückgeht. Neben Hugo von Fosses (gest. 1161) waren es Anselm von Havelberg (ab 1154/55 Erzbischof von Ravenna), Evermod von Ratzeburg (gest. 1178) oder Wigger von Brandenburg (gest. 1160). Zwischen 1162 und 1200 wurden weitere 90 Stifte gegründet. Die anfängliche Gründungsdynamik ließ jedoch rapide nach. Wurden im 12. Jahrhundert insgesamt rund 300 Stifte gegründet, fiel die Gründungszahl im 13. Jahrhundert bereits auf 110 Häuser, davon alleine 30 in Ungarn. Zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert wurden lediglich ca. 20 neue Stifte errichtet. Gleichzeitig wurde seit Mitte des 12. Jahrhunderts unter dem Einfluss des Grafen von Cappenberg das Armutsideal des Ordens aufgegeben, so dass sich diese Priestergemeinschaft zu einem überwiegend hochadeligen Stift entwickelte.

Was die Lokation betrifft, folgten die ersten Generationen der Prämonstratenser dem zisterziensischen Ideal und gründeten ihre Häuser auf dem Land, abseits der Siedlungen. Städtische Gründungen, wie etwa in Magdeburg, gehörten zu den Ausnahmen. Norberts Anliegen war es, die Kleriker dem Einflussbereich der Ortsbischöfe zu entziehen, was dazu führte, dass die Bischöfe vielerorts lieber auf Augustiner Chorherren zurückgriffen, um die flächendeckende Seelsorge gerade in weniger besiedelten Regionen zu gewährleisten.

Eine spezifische Besonderheit der Prämonstratenser war, dass fast alle frühen Niederlassungen Doppelklöster waren. Männer und Frauen lebten zwar in getrennten Konventen, allerdings unter der Leitung eines Abtes in einem Kloster. Norbert von Xanten folgte seinem Ideal, auch für Frauen einen Ort des kontemplativen Lebens zu schaffen. Erst ab dem 13. Jahrhundert wurden die gemischtgeschlechtlichen Häuser zunehmend getrennt. Die Frauenniederlassungen entwickelten sich zunehmend zu gut ausgestatteten adeligen Jungfrauenstiften. Mancherorts, etwa in Polen, erlangten die Frauenorden eine deutlich größere Bedeutung als Männerklöster.

An den östlichen Rändern des Heiligen Römischen Reiches entwickelte sich der Orden unterschiedlich. In Ungarn erfolgten die ersten Gründungen – möglicherweise schon vor 1131 – früher als in Böhmen, dafür zögerlicher. In Böhmen dagegen spielten die Prämonstratenser eine sehr wichtige Rolle für die Entwicklung der katholischen Kirche und für den Landesausbau. Im 12. und zu Beginn des 13. Jahrhunderts erfolgte dort die Gründung von acht Niederlassungen, in Mähren wurden in dieser Zeit fünf Ordenshäuser errichtet. Dass es sich um eine stattliche Anzahl handelt, zeigt das vergleichende Beispiel Polens, in dem zeitgleich nicht mal ein Drittel dieser Niederlassungen gegründet wurde.

Es ist einem Mann zu verdanken, dass der neue Reformorden in Böhmen und Mähren im Přemyslidenstaat diese Verbreitung erfahren konnte: Heinrich Zdík, der zwischen 1126 und 1150 Bischof von Olmütz und zugleich der bedeutendste Kirchenfürst des Landes war. Zdík übte einen großen Einfluss auf die Přemyslidenherrscher aus und residierte überwiegend in Prag. Nach seinem Tod sorgten die Prager Bischöfe dafür, dass die Prämonstratenser weitere Niederlassungen gründen konnten. Dabei wurden Chorherren aus westdeutschen Niederlassungen geholt. Die beiden ältesten böhmischen Ordenshäuser, Strahov und Doksany, die beide in den 1140er Jahren gegründet worden waren, waren zugleich die bedeutendsten. Als Herrschaftsstiftungen und fürstliche (bzw. bischöfliche) Grablegen erlangten sie eine ähnliche Stellung wie die Zisterzienser in Schlesien. Alleine die imposante Lage Strahovs im Vorfeld der Prager Residenzburg zeigt die enge Verknüpfung von Staat und Orden. Strahov wurde zudem als Erziehungsanstalt für junge Adelige des Herrschaftshauses beiderlei Geschlechts genutzt. Die Bedeutung der böhmischen Häuser zeigt sich auch darin, dass sie drei Niederlassungen in Österreich (Geras, Schlägl und Pernegg) gründeten.

Nördlich von Böhmen und Mähren breitete sich der Orden zaghafter aus. In Schlesien gab es lediglich drei Ordenshäuser. Vermutlich in den 1190er Jahren wurden auf dem Elbing bei Breslau Prämonstratenser aus der zentralpolnischen Ortschaft Kościelna Wieś bei Kalisch anstelle der Benediktiner angesiedelt, welche dort um 1120 ein Kloster gegründet hatten und aus Schlesien vertrieben worden waren. In Oberschlesien wurde vor 1211 eine Frauenniederlassung in Rybnik gegründet und 1228 nach Czarnowanz bei Oppeln verlegt. Im oberschlesischen Beuthen wurde 1201 eine Propstei der Prämonstratenser gegründet, die der Breslauer Abtei unterstand.

Die Prämonstratenserklöster waren strukturell in sog. Zirkarien unterteilt. Sowohl die drei schlesischen Niederlassungen als auch das pommersche Kloster der Prämonstratenserinnen Zuckau bei Danzig gehörten der polnischen Zirkarie an. Die polnischen Häuser waren schwerpunktmäßig zwischen der Warthe und Weichsel in Kleinpolen verbreitet. Bis zum Spätmittelalter gehörten der polnischen Zirkarie 16 Häuser an. In den ersten Gründungsjahrzehnten dominierten dabei die Frauenkonvente, die ab dem 13. Jahrhundert von den Männerhäusern getrennt wurden. Die einzige Ausnahme bildete auf dem Gebiet der Piastenherrschaft das Kloster Belbuck bei Treptow an der Rega im Herzogtum Pommern (im heutigen Westpommern), welches der slawischen Zirkarie gehörte. Das Kloster Belbuck spielte in der Reformation eine nicht unwichtige Rolle, verbreitete sich von dort aus die Lehre Luthers in ganz Pommern. Dort wirkte Johannes Bugenhagen, der spätere Reformator Pommerns. In Schlesien und Pommern wurden die Prämonstratenser bereits sehr früh für die Pfarrseelsorge eingesetzt. Dem Breslauer Kloster unterstanden neben der Beuthener Propstei zwölf Kirchen, Czarnowanz verwaltete fünf Kirchen und das pommersche Kloster Zuckau fünf. Im Königreich Polen spielte die Seelsorge eine untergeordnete Rolle, waren insbesondere die Frauenklöster Versorgungshäuser für adelige Jungfrauen.

Zusammenfassend darf konstatiert werden, dass der Reformorden der Prämonstratenser in der breiten Öffentlichkeit sehr wenig bekannt ist, so dass die religiösen und kulturellen Leistungen dieser Gründung viel zu wenig gewürdigt werden. Östlich der Elbe mag der Einfluss dieses Ordens flächendeckend gesehen geringer gewesen sein als jener der Zisterzienser. Gerade das Beispiel Böhmens und Mährens zeigt jedoch, dass die enge Verbindung dieses Ordens zum Herrschergeschlecht dazu beigetragen hat, dass der Einfluss der Prämonstratenser auf den Landesausbau nicht unterschätzt werden darf.

Lit.: Barbarossa und die Prämonstratenser, hrsg. von der Gesellschaft für staufische Geschichte Göppingen (Schriften zur staufischen Geschichte und Kunst, 10), Göppingen 1989. – Irene Crusius/ Helmut Flachenecker (Hrsg.), Studien zum Prämonstratenserorden (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 185, = Studien zur Germania Sacra, 25), Göttingen 2003. – Wilfried Marcel Grauwen, Norbert, Erzbischof von Magdeburg (1126-1134), Duisburg 1986. – Ingrid Ehlers-Kisseler, Die Anfänge der Prämonstratenser im Erzbistum Köln (Rheinisches Archiv, 137), Köln/ Weimar/ Wien 1997. – Sabine Penth, Prämonstratenser und Staufer. Zur Rolle des Reformordens in der staufischen Reichs- und Territorialpolitik (Historische Studien, 478), Husum 2003.

Bild: Norbert von Xanten, flankiert von den Heiligen Wenzel und Sigismund, Statuen von Joseph Max auf der Karlsbrücke zu Prag von 1853/ Quelle: Gemeinfrei.

Gregor Ploch