Der Friede zu Aachen vom 18. Oktober 1748, der den seit 1740 tobenden Österreichischen Erbfolgekrieg nach wechselvollem Ringen beendete, führte, zumindest in der Wahrnehmung der Zeitgenossen, keines der ihn auslösenden Probleme einer wirklich auf Dauer tragfähigen Lösung zu und wurde in den Kabinetten der europäischen Mächte mehr oder weniger als eine Art Waffenstillstand angesehen. Zwar wurde die Integrität des habsburgischen Territorialkomplexes unter Maria Theresia bzw. Kaiser Franz I. Stephan, bis auf allerdings machtpolitisch weniger stark ins Gewicht fallende Abstriche im oberitalienischen Raum, und die Gültigkeit der in der „Pragmatischen Sanktion“ Kaiser Karls VI. vom 19. April 1713 festgelegten Erbfolgeregelung bestätigt sowie der Übergang Schlesiens an Preußen anerkannt, doch waren bereits diese Regelungen, insbesondere die Abtretung Schlesiens, weniger Resultate einer auf längere Sicht angelegten politischer Übereinkunft als vielmehr Konsequenzen eines gewissen Erschöpfungszustandes der beteiligten Mächte, die in der bisherigen Konstellation an die Grenzen ihrer Handlungsfähigkeit gelangt waren.
Neben nach wie vor bestehenden und sich in den folgenden Jahren zum Dreh- und Angelpunkt der österreichischen Außenpolitik entwickelnden Revisionsabsichten der Wiener Hofburg in der schlesischen Frage müssen insbesondere die sich v. a. durch einen kaum noch gezügelten russischen Expansionsdrang im Fluß befindlichen Machtverhältnisse im ostmitteleuropäischen Raum sowie der fortbestehende koloniale Antagonismus zwischen Frankreich und Großbritannien, v. a. auf dem nordamerikanischen Kontinent, sowie die Frage der Hegemonie zur See zu den durch den Friedensschluß nicht abschließend geklärten Fragen gezählt werden. Freilich waren allgemeine Tendenzen ersichtlich. War der Aufstieg Preußens und die erstaunlich rasche Konsolidierung der habsburgischen Lande Ergebnis des Krieges selbst und damit eher neuere Phänomene, setzte sich der an sich seit der Spätphase der Regierung Ludwigs XIV. zu beobachtende und mutmaßlich in der Überdehnung der eigenen Kräfte ursächlich zu verortende Niedergang Frankreichs als treibende Kraft im Mächtekonzert fort. Versailles verharrte zusehends in einer diplomatischen Passivität und politischen Lethargie, die die Begehrlichkeiten anderer, insbesondere Englands, weckte.
Deutlich wurde dies nicht zuletzt, als es im Juni 1755 in den nordamerikanischen Kolonien zur Eskalation der britisch- französischen Spannungen kam. Englische Verbände unter Admiral Boscawen attackierten drei französische Kriegsschiffe vor Louisburg. Anstelle nun aber umgehende Gegenmaßnahmen einzuleiten, beschränkte man sich in Paris, gemäß der Strategie, sich, unter weitgehender Übertragung der kontinentalen militärischen Aufgaben auf die Verbündeten bzw. durch Subsidien verpflichtete Staaten, auf den ungeregelten Seekrieg zu konzentrieren, auf eher halbherzige militärische Aktionen im Kolonialgebiet selbst und die Abberufung des eigenen Gesandten in London. Preußen, als der Hauptverbündete Frankreichs, betrachtete die Entwicklung seit längerer Zeit mit Sorge und mußte nun befürchten, über kurz oder lang einer Allianz aus Österreich, Rußland und England auf dem Kontinent weitgehend alleine gegenüberstehen zu müssen.
Daher griff Friedrich d. Gr. im Spätsommer 1755 ein Gesprächsangebot des Herzogs von Newcastle auf, neben William Pitt dem Älteren einer der insbesondere auf dem Felde der auswärtigen Beziehungen führenden Staatsmänner Englands, und näherte sich vorsichtig London an. Der König hoffte, damit in der Lage zu sein, zum einen potentielle und bereits konkretisierende Planungen Wiens, des seinerseitigen Hauptverbündeten Englands, auf eine Rückeroberung Schlesiens sowohl in Erfahrung bringen als auch verzögern oder gar unterlaufen, zum anderen das als vom Großbritannien finanziell abhängige angesehene Rußland von aggressiven anti-preußischen Schritten abhalten, mithin also den Ring ihn umgebender Feindstaaten zumindest an einer Stelle durchbrechen zu können.
Die als Ergebnis dieser Gespräche am 16. Januar 1756 schließlich unterzeichnete Konvention von Westminster, die eine Verpflichtung, nichts gegeneinander zu unternehmen, beinhaltete, sowie den Auftrag, auch die eigenen Bundesgenossen davon abzuhalten und zudem jeden Einmarsch fremder Truppen in das Reich zu verhindern, sollte genau diesem Zweck dienen. Friedrich hoffte, Rußland nunmehr machtpolitisch in Mittel- und Osteuropa neutralisiert, Österreich in seinen Plänen zur Wiedergewinnung Schlesiens blockiert und dem eigenen Verbündeten Frankreich, den er nach wie vor als solchen ansah, durch das Herausnehmen des niederländischen Raumes von der Neutralitätsklausel noch genügend Spielraum für politische und militärische Aktionen gegen Großbritannien außerhalb des Reiches, also ohne die Gefahr der Provokation eines allgemeinen Krieges mit Aktivierung der Bündnisautomatik, belassen zu haben.
In der Konsequenz löste das Bekanntwerden der Vereinbarung an den europäischen Höfen nun aber keineswegs das Gefühl aus, faktisch gebunden zu sein und zumindest vorerst nichts am Status quo ändern zu können, sondern führte zu Aufregungen und geradezu hektischer Betriebsamkeit. Österreich, das im Sommer 1755 Subsidienverhandlungen mit London durch hohe finanzielle Forderungen noch hatte scheitern lassen, um seine in den eigenen Augen unverzichtbare Rolle innerhalb des britischen Bündnissystems zu unterstreichen, im übrigen ein Grund für das Gesprächsangebot des Herzogs von Newcastle an Friedrich d. Gr., und Rußland, das im Herbst des gleichen Jahres ziemlich widerstrebend einen Bündnisvertrag mit König Georg II. paraphiert, aber, um nicht zu sehr in die Rolle des neben Österreich zweiten Festlanddegens Englands gedrängt und in der eigenen Handlungsfähigkeit eingeschränkt zu werden, noch nicht ratifiziert hatte, fühlten sich politisch in ihrem dezidiert auf eine Reduktion der Machtstellung Preußens gerichteten Kurs von Großbritannien verraten.
Gleiches Unbehagen galt für Frankreich, wo nun nach den Erfahrungen des Österreichischen Erbfolgekrieges, in dessen Verlauf Preußen ja mehrmals ohne vorherige Konsultation eigenmächtig und zur Durchsetzung partikularer Zielsetzungen die Initiative ergriffen bzw. Abkommen mit Österreich zum eigenen Vorteil, nicht aber zu dem der Verbündeten, geschlossen hatte, erneut das Gefühl aufkam, daß Friedrich d. Gr. hinter dem eigenen Rücken mit dem Hauptkontrahenten England konspiriere. Hinzu kam, daß die Mission des Herzogs von Nivernais, der zu Verhandlungen über die Verlängerung des preußisch-französischen Bündnistraktates im Sommer 1755 nach Berlin und Potsdam gereist war, durch eine undurchschaubare Hinhaltetaktik Friedrichs d. Gr., der ja parallel mit England konferierte, immer noch nicht zum erfolgreichen Abschluß gekommen war.
In Wien gewannen derweil die Kräfte um Wenzel Anton Graf Kaunitz die Oberhand, die für eine Ersetzung Großbritanniens durch Frankreich als Bündnispartner optierten. Unter Hintansetzung des schon seit dem 16. Jahrhundert als Konstante des Mächtesystems geltenden, freilich in der gewandelten Konstellation nach dem Ende des Spanischen Erbfolgekrieges nurmehr im Herkommen, nicht aber der politischen Rationalität begründeten habsburgisch-bourbonischen Gegensatzes, wurden Kontakte zum Hof Ludwigs XV. geknüpft, da man das Hauptziel der österreichischen Politik, die Wiedergewinnung Schlesiens, mit Großbritannien, das offensichtlich hauptsächlich koloniale Interessen in Übersee verfolgte und auf dem Kontinent lediglich eine Garantiemacht zur Verteidigung des mit England in Personalunion verbundenen Kurfürstentums Hannover benötigte, als nicht mehr umsetzbar ansah.
Nachdem man in der Hofburg, auch mit Rücksicht auf London, frühere Offerten Frankreichs zur Einbindung in ein bloß gegen England gerichtetes System, also zusammen mit Preußen, stets abgelehnt hatte, war Kaunitz nun, nachdem Frankreich bereit war, die anti-britische um eine anti-preußische Spitze zu ergänzen, nur zu geneigt, mit Paris übereinzukommen, und schloß am 1. Mai 1756 den 1. Vertrag von Versailles ab. Dieser stellte gegenseitige Unterstützung im Falle eines Angriffs von dritter Seite in Aussicht, klammerte dabei aber bloß maritime Auseinandersetzungen ausdrücklich aus.
Durch diese „Renversement des Alliances“ bzw. „Diplomatische Revolution“ genannte Verschiebung des gesamteuropäischen Bündnissystems hatte Österreich nun in Frankreich einen neuen, auch kontinental interessierten Partner gefunden, und konnte, im Bunde mit Rußland, das jetzt frei vom Subsidiendruck Großbritanniens seine expansionistische Politik, gedeckt an der Ostseeflanke durch den französischen Bündnispartner Schweden und auf dem Balkan durch Österreich, insbesondere gegenüber Preußen ungehemmt fortzusetzen in der Lage war, sein Ziel einer Revision der im Frieden zu Aachen getroffenen Regelungen weiter offensiv verfolgen. Doch auch für Frankreich ergaben sich Vorteile. Durch die Einbindung Rußland in das neue Bündnissystem konnte man hoffen, mithilfe von Konzessionen an St. Petersburg im Ostseeraum, langfristig wieder, ohne einen sofortigen gesamteuropäischen Konflikt befürchten zu müssen, in Polen Fuß fassen zu können und war an der verwundbaren nordwestlichen Flanke durch die österreichischen Niederlande gedeckt. Außerdem war ein potentieller Waffengang durch einen weitgehenden Interessenausgleich in Italien eingehegt, so daß man sich, bis auf überschaubare Anstrengungen in Mitteleuropa, auf die kolonialen Auseinandersetzungen konzentrieren konnte.
War auch Großbritannien der Erfolg beschieden, mit Preußen einen geographisch nahen und militärisch potenten Garanten für Hannover an sich gebunden zu haben, hatte sich allein für Preußen die Situation denkbar verschlechtert. Der Gefahr ausgesetzt, einen potentiellen Krieg auf dem Kontinent nahezu alleine bestehen zu müssen und von allen Seiten direkt bedroht, blieb Friedrich d. Gr. in seinen eigenen Augen bloß noch die Flucht nach vorne. Er hoffte, bevor sich die Situation noch weiter zu seinen Ungunsten verschlechterte, und bevor die Kriegsmaschinerie der Gegner langsam, aber dann um so sicherer anzulaufen beginnen würde, durch einen Präventivschlag einem an sich bereits für Spätsommer 1756 geplanten, dann aber aus logistischen Gründen auf das Frühjahr 1757 verschobenen österreichisch-russischen Angriff, von dessen Planung der König Kenntnis erhielt, zuvorzukommen. Die Absicht Friedrichs bestand darin, zum einen in der Besetzung des Kurfürstentums Sachsen nicht nur ein strategisch und kriegsökonomisch wichtiges und zudem offen mit Wien sympathisierendes Territorium in seine Hand zu bekommen, sondern Frankreich vielleicht doch noch auf die eigene Seite zwingen zu können. Tatsächlich führte der preußische Einmarsch dann aber zu einer endgültigen vertraglichen Fixierung des neu entstandenen Systems durch die Umwandlung der österreichisch-französischen Defensivallianz in ein Offensivbündnis im 2. Vertrag von Versailles vom 1. Mai 1757 und damit zur endgültigen Isolierung Preußens auf dem Kontinent.
Konkret zur Ausführung kamen die preußischen Pläne, als sich nun Frankreich im Sommer 1756 offiziell weigerte, mit Preußen weitere Verhandlungen über eine Verlängerung bzw. eine Neuauflage des Bündnistraktates zu führen und insgesamt drei Ersuchen Friedrichs d. Gr. an die Wiener Hofburg, verbindlich zu erklären, weder in diesem Jahr noch 1757 Preußen anzugreifen, unbeantwortet blieben. Der österreichischen Mobilmachung am 16. Juli 1756 folgte in Potsdam die Entscheidung zum Einmarsch in Sachsen, um als numerisch Unterlegener wenigstens die Initiative des Handelns zu behalten. So setzten sich am 28. August 1756 die preußischen Verbände in zwei Kolonnen unter dem Befehl des Königs selbst bzw. des Prinzen Ferdinand von Braunschweig in Bewegung und überschritten am folgenden Tage die Grenze des wettinischen Territoriums.
Bereits am 9. September konnte die sächsische Haupt- und Residenzstadt Dresden eingenommen werden, da sich die kurfürstlichen Truppen unter Befehl des Grafen Rutowski im Ansehen des stark überlegenen Gegners in das sogenannte „Lager bei Pirna“, eine der am stärksten befestigten Stellungen Mitteleuropas, zurückgezogen hatten. Nachdem ein 34.000 Mann starkes österreichischen Entsatzheer unter Feldmarschall Maximilian Ulysses Graf Browne bei Lobositz am 1. Oktober 1756 von Friedrich, der mit einem 28.500 Mann umfassenden Detachement Richtung Böhmen aufgebrochen war, geschlagen wurde, mußten die Sachsen schließlich am 16. Oktober 1756 kapitulieren.
Damit hatte der erste Akt eines Ringens begonnen, das sieben Jahre andauern und am Ende erneut, dieses Mal aber für längere Zeit, den Status quo auf dem Kontinent festschreiben sollte. In den Friedensschlüssen zu Paris am 10. und zu Hubertusburg am 15. Februar 1763 wurde Preußen, das zur fünften europäischen Großmacht avancierte, nunmehr endgültig der Besitz Schlesiens gesichert. Großer Verlierer des Krieges war Frankreich, dessen machtpolitischer Erosionsprozeß anhielt und das fast seinen gesamten kolonialen Besitz in Nordamerika und Indien an Großbritannien abtreten mußte.
Lit.: Winfried Baumgart, Der Ausbruch des Siebenjährigen Krieges. Zum gegenwärtigen Forschungsstand, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 11 (1973), S. 157-163. – Max Braubach, Versailles und Wien von Ludwig XIV. bis Kaunitz. Die Vorstadien der diplomatischen Revolution im 18. Jahrhundert (Bonner Historische Forschungen, Bd. 2), Bonn 1952. – Hans Delbrück, Friedrich d. Gr. und der Ursprung des Siebenjährigen Krieges, in: Preußische Jahrbücher 84 (1896), S. 32-53. – Max Duncker, Die Bildung der Coalition des Jahres 1756 gegen Preußen, in: Preußische Jahrbücher 49 (1882), S. 191-211. – Reinhold Koser, Zum Ursprung des Siebenjährigen Krieges, in: Historische Zeitschrift 74 (1895), S. 69-85. – Georg Küntzel, Die Westminsterkonvention, in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 9 (1896), S. 541-569 (= 9,2 S. 185-213). – Max Lehmann, Friedrich d. Gr. und der Ursprung des Siebenjährigen Krieges, Leipzig 1894. – Friedrich Luckwaldt, Die Westminsterkonvention. Ein Stück aus der Vorgeschichte des Siebenjährigen Krieges, in: Preußische Jahrbücher 80 (1895), S. 230-267. – Albert Naudé, Beiträge zur Entstehungsgeschichte des Siebenjährigen Krieges, in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 8 (1895), S. 523-618 (= 8,2 S. 205-300) und 9 (1896), S. 101-328 (=9,1 S. 101-328). – Lothar Schilling, Kaunitz und das Renversement des alliances. Studien zur außenpolitischen Konzeption Wenzel Antons von Kaunitz (Historische Forschungen, Bd. 50), Berlin 1994. – Ernst Stürmer, Renversement des Alliances, Diss. Masch. Wien 1957. – Gustav Berthold Volz/Georg Küntzel (Hrsg.), Preussische und österreichische Acten zur Vorgeschichte des Siebenjährigen Krieges (= Publicationen aus den K. Preußischen Staatsarchiven, 74. Bd.), ND Osnabrück 1965 der Ausgabe Leipzig 1899.
Bild: Friedrich, verfolgt von Kosaken, wird von Rittmeister Joachim Bernhard von Prittwitz gerettet; zeitgenössische Darstellung von Bernhard Rode / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.
Bernhard Mundt (OGT 2006, 225)