Ereignis vom 1. Januar 1575

Fertigstellung des Kösliner Schlosses

Stadtansicht von Köslin auf der Großen Lubinschen Karte von 1618

Wer vor 1945 die pommersche Bezirkshauptstadt Köslin durchstreifte, stieß auf die Schlosskirche an der Schloßstraße und entdeckte nicht weit davon entfernt den Schloßteich. Doch trotz größten Bemühens konnte der Spaziergänger kein Schloss in seinen Blick nehmen. Dennoch bestimmte in der frühen Neuzeit ein Schloss für fast anderthalb Jahrhunderte die Kösliner Silhouette.

Köslin gehörte seit der Mitte des 13. Jahrhunderts zum Stifts-gebiet des Camminer Bischofs und erhielt 1266 von diesem das Lübecker Stadtrecht. Das Camminer Bischofsamt und die Camminer Stiftslande als dessen weltlicher Herrschaftsbezirk überdauerten die Reformation, wenn auch alle Bewohner ein-schließlich des Bischofs sich zur lutherischen Konfession bekannten. Auch nach der Reformation bestand die Gefahr der rechtlichen und faktischen Herauslösung der Camminer Stifts-lande aus dem Herzogtum Pommern, die im Laufe der Ge-schichte mehrfach versucht worden war.

Das Herzogtum Pommern war seit 1532 wieder in einen Stettiner Teil, den Herzog Barnim IX. regierte, und einen Wolgaster Bereich, in dem Herzog Philipp I. herrschte, geteilt. Die Kirchenangelegenheiten gehörten zu den Politikfeldern, für die sich die beiden Herzogslinien auf ein gemeinsames Vorgehen verpflichtet hatten und es auch praktizierten. So ließen Barnim IX. und Philipp I. 1556 dessen ältesten, erst 14jährigen Sohn Johann Friedrich zum Bischof von Cammin wählen, um jeden Camminer Verselbständigungsversuch auszuschließen. Johann Friedrich blieb auch Bischof von Cammin, als er regierender Fürst wurde.

Nachdem die letzten Nonnen des Kösliner Zisterzienserinnen-klosters gestorben waren, zog Johann Friedrich dessen Besitzungen ein, brach das baufällige Kloster ab und begann 1568 dort mit dem Bau eines Schlosses. Die Bauarbeiten erstreckten sich über mehrere Jahre. 1574 erfolgte ein Wechsel in der Person des Bauherrn. Aufgrund früherer Festlegungen trat Johann Friedrich in jenem Jahr das Camminer Bistum mit seinem Territorium an seinen jüngsten, damals 17jährigen Bruder Her-zog Kasimir VI. ab. Dieser vollendete 1575 den Bau des Kösliner Schlosses. Es bestand aus mehreren drei- und vierstöckigen Gebäuden und reihte sich somit in die großen Domizile der pommerschen Herzogsfamilie in Barth, Wolgast, Uecker-münde, Stettin, Rügenwalde und Stolp ein. Einige Jahre später ergänzte Fürstbischof Kasimir das Schloss um einen Turm mit einer Schlaguhr. Die alte, ihrer Aufgabe entledigte Klosterkirche überließ er dem Zerfall. Erst im ersten Jahrzehnt des folgenden Jahrhunderts ließ Kasimirs Nachfolger sie in langwieriger Arbeit als protestantisches Gotteshaus für das Schloss wiederherstellen; ein unbekannter Niederländer schuf für die Schlosskirche etliche Gemälde.

Das Kösliner Schloss war die Residenz des Camminer Bischofs, der – selber Protestant – zwar in der lutherischen Kirche Pommerns keine Funktion besaß, aber in den Camminer Stiftslanden eine dem bzw. den Landesherren vergleichbare Position unter Einbindung in das Herzogtum Pommern einnahm. Die Camminer Stiftslande bestanden damals und in der Zeit ihres weiteren Bestehens aus einem mindestens 15 Kilometer breiten Küstenstreifen zwischen dem Kamper und dem Buckower See und einem sich im Südosten von Köslin daran anschließenden Gebietskorridor von rund 40 Kilometern Länge und ungefähr 15 Kilometern Breite bis zur deutsch-polnischen Grenze. Das Stiftsterritorium umfasste circa 2.200 Quadratkilometer, in ihm lagen die Städte Kolberg, Köslin, Körlin und Bublitz.

Den herrschaftlichen Mittelpunkt der Camminer Stiftslande bildete das Schloss in Köslin ein knappes halbes Jahrhundert. Als Nachfolger des Fürstbischofs Kasimir, der – überdrüssig des vielen Streits mit Kolberg und eigentlich desinteressiert an politischen Aufgaben – 1602 das Bistum Cammin aufgab und anschließend das gerade frei gewordene Abfindungsgebiet Rügenwalde bis zu seinem Tode im Mai 1605 verwaltete, amtierten seine Neffen Franz (1602-1618) und Ulrich (1618-1622).

Danach war das Kösliner Schloss nicht mehr ständiger Aufenthaltsort des Fürstbischofs, da dieses Amt der regierende Pommernherzog Bogislaw XIV., der letzte seines Geschlechts, von 1623 bis 1637 innehatte und Herzog Ernst Bogislaw von Croy, zum Fürstbischof designiert, es 1637 und auch später wegen der umgestaltenden kriegerischen und politischen Zustände nicht antreten konnte. Schließlich verzichtete der Herzog von Croy, dessen Mutter eine jüngere Schwester des letzten Pommernherzogs war, 1650 auf das Bistum gegenüber dem brandenburgischen Kurfürsten, dem neuen Landesherrn Hinter-pommerns. Dies bedeutete das Ende der Geschichte der Camminer Bischöfe.

Ein verheerender Brand zerstörte am 11. Oktober 1718 das Schloss und seine Kirche, ebenso mehr als vier Fünftel der Kösliner Häuser. An Stelle des Schlosses wurden das Gebäude eines regionalen Gerichts, das spätere Behördenhaus, und ein Logenhaus errichtet. Die Schlosskirche wurde in einfacherer Form, die man allerdings im Laufe der Zeit verbesserte, wiederhergestellt.

Lit.: Franz Schwenkler: 1266-1966 Köslin. Die siebenhundertjährige Geschichte einer pommerschen Stadt und ihres Kreises. O. O. 1966, S. 44, 47f., 93f., 122f., 126., 130-132 u. 511. – Martin Wehrmann: Ge-schichte von Pommern, Bd. 2, Frankfurt/M. 1981 (Nachdruck), S. 83. – Dietmar Lucht: Pommern. Geschichte, Kultur und Wirtschaft bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges (Historische Landeskunde – Deutsche Geschichte im Osten, Bd. 3, hrsg. v. d. Kulturstiftung der deutschen Vertrie¬benen), 2. Aufl., Köln 1998, S. 77-79, 81-83, 85f. u. 92f.

Bild: Stadtansicht von Köslin auf der Großen Lubinschen Karte von 1618 / Quelle: Von Eilhard Lubin, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2261195

Dietmar Lucht