In der Geschichte der Beziehungen des Herzogtums Pommern zum Deutschen Reich nimmt das Jahr 1348 eine hervorragende Stellung ein. In jenem Jahr wurde die Rechtsstellung des Herzogtums in seinen beiden Teilen im Deutschen Reich wesentlich erhöht. Als handelnde Personen treten uns König Karl IV. und Herzog Barnim III. von Pommern-Stettin entgegen.
Der 32jährige Karl aus dem Hause Luxemburg, seit August 1346 König von Böhmen und bereits seit 1333 Markgraf von Mähren, war nach dem Tode Kaiser Ludwigs IV. im Oktober 1347 alleiniger deutscher König; denn er war bereits am 11. Juli 1346 in Rhens von einer deutlichen Mehrheit der Kurfürsten zum deutschen König, also zum Gegenkönig Ludwigs des Bayern, gewählt und einige Monate später in Bonn gekrönt worden.
Das Herzogtum Pommern bestand zu jener Zeit aus zwei Teilen, dem Herzogtum Stettin und dem Herzogtum Wolgast. Während der Stettiner Bereich weite Gebiete beiderseits der unteren Oder umfaßte, erstreckte sich der Wolgaster Teil auf das nördliche Vorpommern einschließlich des 1325 ererbten Fürstentums Rügen, die Inseln Usedom und Wollin und etliche hinterpommersche Landschaften. Diese Herrschaftsverhältnisse bestanden seit 1295, als das Herzogtum Pommern in zwei Teile zerfiel. In dem Teilungsvertrag von 1295 (s. OGT 1995, S. 253-256) war aber festgelegt worden, daß jeder Pommernherzog am gesamten Herzogtum Eigentums- und Erbrecht habe. 1348 herrschten in Wolgast die Brüder Bogislaw V., Barnim IV. und Wartislaw V., in Stettin der rund 50 Jahre alte Barnim III. Dieser war zwar seinem Vater, Herzog Otto I., erst im Jahre 1344 nachgefolgt, war aber bereits seit 1320 – also schon in jungen Jahren – als Mitregent an den Regierungsgeschäften beteiligt. Gerade die Außenpolitik seines Herzogtums war die Domäne seiner Herrschertätigkeit. Da er und sein Vater seit 1326 die Vormundschaft für die Wolgaster Herzöge für lange Jahre innehatten, leitete Barnim III. für geraume Zeit die Außenpolitik für das ganze pommersche Herzogtum. Drei spektakuläre Vorgänge sind aus der politischen und diplomatischen Tätigkeit Herzog Barnims III. aus der Zeit von 1320, als für Pommern durch das Aussterben der Askanier die ununterbrochene Lehnabhängigkeit von der Mark Brandenburg nach neun Jahrzehnten endete, bis 1348 hervorzuheben:
1) Die Lehnsnahme des Herzogtums Pommern vom Bischof von Cammin durch die pommerschen Herzöge im August 1320. Die Herzöge bestimmten das Bistum zum Eigentümer ihres Landes, wenn sie ohne Erben sterben sollten.
2) Die Ausstellung eines Lehnsbriefs durch Papst Johannes XXII. in Avignon für die pommerschen Herzöge am 13. März 1331 auf ausdrücklichen Wunsch der Stettiner Linie. Die Einschaltung des Papstes in die pommersche Lehnsfrage war durch die Bemühungen König Ludwigs, die von ihm 1323 konstituierte brandenburgische Lehnshoheit über Pommern durchzusetzen, ausgelöst worden. Herzog Barnim III. und sein Vater machten sich damit die erbitterte Feindschaft zwischen Ludwig dem Bayern, seit 1328 Kaiser, und Papst Johannes XXII. zunutze.
3) Die Belehnung der beiden Stettiner Herzöge mit ihrem Teilherzogtum durch Kaiser Ludwig auf dem Reichstag zu Frankfurt am Main am 14. August 1338. Mit der Reichsunmittelbarkeit des Stettiner Herzogtums und der damit erlangten Würde eines Reichsfürsten für Barnim III. und Otto I. war die Anerkennung des Erbanspruchs des brandenburgischen Markgrafen verknüpft. Der Erfolg der Stettiner Herzöge bedeutete also auch eine Verletzung der Rechte der Wolgaster Herzöge.
Die Machtverhältnisse in Deutschland hatten sich spätestens seit 1346 verändert. Im Frühjahr 1348 war abzusehen, daß Karl IV. die gegen ihn noch vorhandenen Widerstände schließlich überwinden würde. Herzog Barnim III. suchte jetzt den unmittelbaren Kontakt zu Karl IV. und traf ihn Anfang Juni 1348 in der südmährischen Stadt Znaim. König und Herzog waren sich über die Gestaltung der Beziehungen zwischen Reich und Herzogtum bald einig. Karl IV. be¬lehnte Barnim III. jetzt mit seinem Herzogtum Pommern-Stettin, nahm ihn und sein Land in den Schutz des Reiches und betonte die Reichsunmittelbarkeit dieses pommerschen Gebiets. Weiterhin verlieh er Barnim III. und seinen Nachfolgern das Erbfolgerecht für das Wolgaster Herzogtum. Über die Belehnung und die Eventualsukzession stellte Karl IV. am 12. Juni je zwei Urkunden aus, jeweils in lateinischer und deutscher Sprache. Mit einer weiteren, lateinisch abgefaßten Urkunde vom selben Tag belehnte König Karl alle pommerschen Herzöge, also außer Barnim III. die Wolgaster Bogislaw V., Barnim IV. und Wartislaw V., mit dem ganzen Herzogtum Pommern und dem Fürstentum Rügen zur gesamten Hand. Es ist anzunehmen, daß der König auch eine Urkunde darüber ausstellte, daß die Wolgaster Herzöge und ihre Nachkommen das Erbfolgerecht für das Stettiner Teilherzogtum erhielten. Die Gesamtbelehnung und die letztgenannte Privilegierung der Wolgaster Herzöge wurden erst rechtsgültig, als die in Znaim abwesenden drei Wolgaster Herzöge im Oktober 1348 in Stettin Barnim III. den Treueid auf den König leisteten und versprachen, diesem auch persönlich zu huldigen.
Die Bedeutung dieser lehnsrechtlichen Vorgänge des Jahres 1348 liegt in der Abschüttlung der brandenburgischen Lehnshoheit über das Teilherzogtum Pommern-Wolgast sowie der Eventualsukzession im Teilherzogtum Pommern-Stettin, in der Ausweitung der Reichsunmittelbarkeit auf das ganze Herzogtum Pommern, der Anerkennung aller pommerschen Herzöge als Reichsfürsten, der Wiederherstellung des rechtlichen Zusammenhalts der beiden pommerschen Teilherzogtümer durch das gegenseitige Erbfolgerecht der beiden Linien des pommerschen Herzogshauses und der Bestätigung des Fürstentums Rügen als eines Teiles Pommerns und des Reichs. Außerdem bewirkte die lehnsrechtliche Neuordnung eine gegenseitige Annäherung der beiden pommerschen Teilherzogtümer in der allgemeinen Politik. Die Gesamtbelehnung der pommerschen Herzöge hat bis zum Aussterben des pommerschen Herzogshauses 1637 fort-gewirkt. Auch seine Reichsstandschaft blieb bis ins 15. Jahrhundert unangefochten, ging aber später infolge der aggressiven Politik der Hohenzollern zeitweilig verloren.
Lit.: Klaus Conrad: Die Belehnung der Herzöge von Pommern durch Karl IV. im Jahre 1348, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 114 (1978), S. 391-406. – Jürgen Petersohn: Pommerns staatsrechtliches Verhältnis zu den Nachbarländern im Mittelalter, in: Die Rolle Schlesiens und Pommerns in der Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen im Mittelalter, hrsg. v. Karl-Ernst Jeismann, 2. Aufl. O.O.o.J. [Braunschweig 1983], S. 110-112. – Dietmar Lucht: Pommern. Geschichte, Kultur und Wirtschaft bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges (Historische Landeskunde – Deutsche Geschichte im Osten, Bd. 3, hrsg. v. d. Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen), Köln 1996, S. 45-50.
Bild: Barnim III. mit seiner Gemahlin Agnes von Braunschweig-Grubenhagen, aus dem Stammbaum der Greifen von Cornelius Krommeny, 1598. / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.
Dietmar Lucht