Auf dem teilautonomen Gebiet der Siebenbürger Sachsen, dem „Königsboden“, hatte sich das genossenschaftliche Prinzip seit der Ansiedlung im 12. Jahrhundert so konsequent durchgesetzt, daß es dort keinen grundbesitzenden Adel gab. Bauernhöfe erbte je nach örtlichem Brauch der jüngste oder älteste Sohn, die Grundstücke wurden aber unter allen Geschwistern aufgeteilt. Nachdem die ackerfähigen Böden der „Gemeinen Erde“ (Allmende) aufgeteilt waren, hatte diese Erbsitte eine kleinbäuerliche Betriebsstruktur bei extremer Flurzersplitterung zur Folge. Bei dem durch die Drei- oder Zweifelderwirtschaft bedingten Flurzwang blieb jeweils ein Drittel oder gar die Hälfte des Ackerlandes als Schwarzbrache unbebaut liegen. Die Agrarverfassung entsprach damit weitgehend der süddeutscher Realteilungsgebiete und war dringend reformbedürftig.
Deshalb ergriffen Beamte siebenbürgisch-sächsischer Gebietskörperschaften und Pfarrer die Initiative zur Modernisierung der Landbewirtschaftung. Während der Jahrestagung 1843 des Vereins für siebenbürgische Landeskunde in Kronstadt beschloß man die Gründung eines Landwirtschaftsvereins in der Rechtsform eines Aktienvereins und verabschiedete einen Satzungsentwurf. Dieser wurde nach eingehender Beratung am 17. Februar 1845 zur „allerhöchsten Genehmigung“ eingereicht, die nach wenigen Monaten eintraf. Bis zur konstituierenden Generalversammlung am 24. September 1845 in Mediasch traten etwa 600 Personen dem Verein bei, die rund 1.100 Aktien zeichneten. Mehr als die Hälfte der Mitglieder stellten sächsische Beamte, Pfarrer und Lehrer, erst mit deutlichem Abstand folgten selbständige Landwirte, die zudem meist Ortsrichter (Bürgermeister) waren. Die Organisation sah eine Oberverwaltung (Vorstand) und elf Bezirksverwaltungen vor, entsprechend der damaligen Verwaltungsgliederung auf Königsboden.
Motor der Gründung war der Publizist und Pfarrer Stephan Ludwig Roth (1796-1849). Als Tübinger Doktorand und als Schüler Pestalozzis kannte er die agrarischen Verhältnisse in Südwestdeutschland. Er setzte durch, daß als vordringliche Aufgabe des Vereins in der Satzung „die Ansiedlung tüchtiger deutscher Landwirte“ vor der Errichtung von Musterwirtschaften auf Allmendland, Versuchen, Preisaufgaben und „belehrender Aufsätze in vaterländischen Zeitschriften“ genannt wurde. Roth reiste bereits im Sommer 1845 nach Württemberg, um zunächst fünfzig Bauernfamilien als Pächter oder Verwalter geplanter Musterbetriebe anzuwerben. Unter den auswanderungslustigen Schwaben löste er damit eine überstürzte Emigration ins „gelobte Land Siebenbürgen“ aus, wo man darauf noch nicht vorbereitet war. Viele zogen deshalb enttäuscht zurück und lösten damit große Zurückhaltung gegenüber Roths Plänen aus. Zugleich entfachte die ungarische Presse eine Propaganda gegen das Vorhaben. Einige hundert Familien aus Württemberg blieben immerhin in Siebenbürgen, auch wenn es nicht zur Errichtung der gewünschten Musterbetriebe kam. Im übrigen verhinderten die Revolutionsjahre 1848/49 und die darauf folgende allgemeine Stagnation weitere Aktivitäten. Auch Vorschläge zur Neuordnung der Flurverfassung auf Königsboden (1847, 1850) wurden Makulatur.
Eine Neubelebung der Vereinstätigkeit setzte erst ein, nachdem Josef Bedeus von Scharberg jun. (1826-1901) das Heft in die Hand nahm. Eine neue Satzung brachte 1864 die Umwandlung in einen eingetragenen Verein; für besondere Fachbereiche konnten Sektionen der Oberverwaltung oder Zweckvereine gegründet werden. Die Aktivitäten wurden auf Gemeinden ausgeweitet, die vor der Bauernbefreiung (1848) außerhalb des teilautonomen Gebietes des Königsbodens auf grundhörigem Gebiet lagen u.a.m.
Wichtigstes Anliegen des Vereins war nun die Förderung der landwirtschaftlichen Fachausbildung. Die Bemühungen zur Errichtung von Ackerbauschulen (Fachschulen mit Lehrbetrieb) führten bald zum Ziel: Im Herbst 1870 konnte eine zweijährige Schule in Bistritz, ein Jahr später eine Schwesteranstalt in Marienburg bei Kronstadt und ebenfalls im Herbst 1871 die Höhere Ackerbauschule in Mediasch ihren Betrieb aufnehmen.
In Mediasch wurde 1919 eine ländliche Hauswirtschaftsschule eröffnet. Eine zweisemestrige landwirtschaftliche Winterschule entstand 1930 in Hermannstadt. Außerdem setzte sich der Landwirtschaftsverein mit Verve für die Einführung eines Fachunterrichts in den 1870 zu Pflichtschulen erklärten ländlichen Fortbildungsschulen – den Vorläufern der Berufsschulen – durch Herausgabe von Lesebüchern und Schulung der Lehrkräfte ein. Die Oberverwaltung förderte auch einen fachbetonten Unterricht an ländlichen Volksschulen. Am Hermannstädter Lehrerseminar wurde Landwirtschaft Pflichtfach.
Der Erwachsenen-Fortbildung dienten Fachausstellungen und Lehrschauen. Voraussetzung für eine intensivere Fachberatung war die 1874 verwirklichte Einstellung von Fachkräften als „Wanderlehrer“. Nach dem Ersten Weltkrieg stieg ihre Zahl auf sieben Fachlehrer an, darunter je eine Haushalts- und Weblehrerin. Die Wanderlehrer veranstalteten während des Winters Fachkurse (z.B. für Obstbaumwarte, Kochkurse), sprachen auf Bezirks- und Ortsversammlungen, veranstalteten Flurbegehungen, Betriebsbesichtigungen, Maschinenkurse u.a. Eine weitere wichtige Aufgabe war die Aufklärung über Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur. Bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges gelang es immerhin in drei Vierteln der sächsischen Gemeinden, die Kommassation (Flurbereinigung) durchzuführen und damit die Voraussetzungen für eine „innere Aufstockung“ der Betriebe durch intensivere Fruchtfolgen und zur Aufhebung des Flurzwanges zu schaffen.
Auf die Tätigkeit der Fachabteilungen für Acker- und Pflanzenbau, Tierzucht und Gemüsebau kann hier ebenso wenig eingegangen werden, wie auf die wirtschaftlich orientierten Tochtergesellschaften. Genannt sei hier nur die Bodenkreditanstalt zu Hermannstadt als Instrument der Kapitalbeschaffung für Agrarkredite. Sie gründete 1891 gemeinsam mit dem Spitzeninstitut der Raiffeisengenossenschaften die „Siebenbürger Vereinsbank“ zur Zwischenfinanzierung des Erwerbs und zur Aufsiedlung vormals adliger Güter außerhalb des ehemaligen Königsbodens. Beide Bankinstitute sanken nach dem Ersten Weltkrieg 1928 zur Bedeutungslosigkeit ab. Die Vereinsbank büßte als Folge der ersten rumänischen Agrarreform (1919/ 1921) ihren Gründungszweck ein, die Bodenkreditanstalt verlor infolge der neuen Grenzziehungen ihre alten Kapitalmärkte. Im Gegensatz dazu nahm die Bedeutung der Raiffeisengenossenschaften eher zu; viele Konsumgenossenschaften überstanden hingegen die große Weltwirtschaftskrise um 1930 nicht.
Im Siebenbürgisch-sächsischen Landwirtschaftsverein nahm die Zahl der bäuerlichen Mitglieder ab 1885 erheblich zu. Er wurde damit auch bäuerliche Standesvertretung. Es entstanden bis zu 239 Ortsvereine und die Mitgliederzahl erreichte im Jahre 1919 mit 16.120 Personen ihren Höchststand. Damit erfaßte der Verein bis 1940 etwa 40 % aller landwirtschaftlichen Betriebe der Siebenbürger Deutschen. Seine Fachzeitschrift „Landwirtschaftliche Blätter für Siebenbürgen“ erschien 1873 als Monatsbeilage eines Wochenblattes, machte sich ein Jahr später mit 700 Beziehern selbständig und wurde 1903 zum Wochenblatt ausgebaut. Mit etwa 15.000 Beziehern war sie in der Zwischenkriegszeit das auflagenstärkste deutschsprachige Fachorgan Rumäniens. – Der erste landwirtschaftliche Taschenkalender „Der Pflug“ erschien 1928, der letzte für das Jahr 1944.
Auf Druck Hitlerdeutschlands erließ Rumänien am 20. November 1940 ein Gesetz, durch das die deutschen Volksgruppen die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erhielt. Das Gesetz bildete die Grundlage zur Gleichschaltung nach nationalsozialistischen Grundsätzen. Der Siebenbürgisch-sächsische und der seit 1891 bestehende (banat)schwäbische Landwirtschaftsverein wurden kaltgestellt, ihre Aufgaben ab 1941 der neu konstituierten „Landesbauernschaft“ übertragen. -Aus den Wochenblättern der beiden Vereine entstand die „Südostdeutsche Landpost“, die nach dem Frontwechsel Rumäniens am 23. August 1944 ihr Erscheinen einstellen mußte.
Der Deportation arbeitsfähiger Rumäniendeutscher in die Sowjetunion als „Reparation durch Arbeit“ im Januar folgte am 23. März 1945 das zweite rumänische Agrarreformgesetz, durch das bis auf wenige Ausnahmen die deutschen Grundbesitzer mit ihrem lebenden und toten Inventar entschädigungslos enteignet wurden. Der Siebenbürgisch-sächsische Landwirtschaftsverein, der fast hundert Jahre nicht nur zum Wohl seiner Mitglieder, sondern auch zur Weiterentwicklung der gesamten Provinz beigetragen hatte, war damit funktionslos geworden und mußte seine Tätigkeit einstellen.
Lit.: Thomas Nägler, Josef Schobel, Karl Drotleff: Geschichte der siebenbürgisch-sächsischen Landwirtschaft. Bukarest 1984. – Ernst Wagner: Zur Geschichte des Siebenbürgisch-sächsischen Landwirtschaftsvereins (1845-1940), in: Siebenbürgisches Archiv, Bd. 14. Köln-Wien 1979, S. 197-293. – Hans Acker: Weinland Siebenbürgen. Achthundert Jahre Weinbaukultur im Karpatenbogen, Gesellschaft für Geschichte des Weines. Wiesbaden 1993 (Schriften zur Weinbaugeschichte H. 108).
Bild: Eine Szene aus dem Sachsenspiegel / Quelle: WIkipedia.Gemeinfrei.
Ernst Wagner