Ereignis vom 25. Februar 1947

Kontrollratsgesetz Nr. 46 betreffend die Auflösung Preussens

Flagge des von 1918 bis 1933 bestehenden Freistaats Preußen

Wird nach dem Zeitpunkt des Untergangs Preußens gefragt, so werden verschiedene Jahreszahlen genannt, die bis zu acht Jahrzehnte auseinanderliegen: 1867, 1871, 1918/19, 1932, 1934, 1945/47.

Die Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 16. April 1867 trat am 1. Juli 1867 in Kraft. Mit ihr wurde der heutige deutsche Staat als Norddeutscher Bund gegründet. Er war ein Bundesstaat, also selbst ein Staat, der sich seinerseits in Staaten gliederte. Die Führung des Bundes lag bei der Hegemonialmacht Preußens, das Präsidium des Bundes stand gemäß Art. 11 der Verfassung des Norddeutschen Bundes der Krone Preußens zu. Sie vertrat den Bund völkerrechtlich, sie hatte das Recht der Kriegserklärung und des Friedensschlusses und des Abschlusses völkerrechtlicher Verträge und Bündnisse. Die Anerkennung der preußischen Hegemonie im Norddeutschen Bund war unangefochten. In der Verfassungspraxis liefen alle Fäden im Bundeskanzleramt zusammen, dessen Chef Bismarck als preußischer Ministerpräsident sich zugleich der Unterstützung der preußischen Ministerien versichern konnte. Von einem Untergang Preußens konnte also keine Rede sein, vielmehr beherrschte Preußen den deutschen Staat.

Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870 waren Württemberg und Bayern zu einer deutschen Einigungspolitik bereit. Es erwies sich allerdings das Ziel bayerischer Politik, den Norddeutschen Bund aufzulösen und einen neuen deutschen Bund zu konstituieren oder doch wenigstens ein Verfassungsbündnis süddeutscher Staaten und den Norddeutschen Bund zusammenzuschließen, als illusorisch. Bismarck wehrte derlei Konzeptionen ab, da sie die preußische Vormachtstellung in Deutschland hätten gefährden können. Für ihn kam allein die Schaffung eines deutschen Gesamtstaates durch Beitritt der süddeutschen Staaten Baden, Hessen-Darmstadt, Bayern und Württemberg zu dem schon bestehenden Norddeutschen Bund in Betracht. Die förmliche Kaiserproklamation im Spiegelsaal von Versailles am 18. Januar 1871 fand im übrigen am gleichen Tag statt, wie die Erhebung Preußens zum Königreich 170 Jahre zuvor 1701.

Das Deutsche Reich war nach seiner Verfassung ein Bundesstaat, der aus 25 Einzelstaaten bestand, darunter vier Königreiche, zu denen auch Preußen zählte. Preußen war bereits dadurch ausgezeichnet, dass sein Monarch die deutsche Kaiserkrone trug. Weitere Vorrechte Preußens wurden in der Reichsverfassung nicht ausdrücklich erwähnt, sondern nur aus dessen Vorrangstellung abgeleitet. So war in der Praxis – von kurzen Ausnahmen abgesehen – der preußische Ministerpräsident auch Reichskanzler. Der vom Kaiser ernannte Reichskanzler und Vorsitzende im Bundesrat war die einzige regierende Persönlichkeit, der die Verfassung die Verantwortlichkeit für Anordnungen und Verfügungen des Kaisers auferlegte. Im Bundesrat hatte Preußen mit den ehemaligen Bundestagsstimmen von Hannover, Kurhessen, Holstein, Nassau und Frankfurt (Staaten, die 1866 von Preußen annektiert worden waren) 17 Stimmen. Dazu gesellten sich 21 Einzel- oder Doppelstimmen nord- und mitteldeutscher Kleinstaaten mit überwiegend preußischer Orientierung. Die Königreiche Bayern, Württemberg und Sachsen sowie Baden und Hessen konnten somit mit insgesamt 20 Stimmen kein eigenes politisches Profil entwickeln. Zwar hatte Preußen unter der Reichsverfassung von 1871 kein seiner Bevölkerungszahl entsprechendes Stimmgewicht im Bundesrat, aber dieser Umstand wurde sowohl durch das Veto-Recht, das bei einer Verfassungsänderung den preußischen Stimmen verliehen war, wie auch durch die Tatsache ausgeglichen, dass Preußen in der Person des Königs von Preußen das Präsidium des Bundes stellte und der preußische Ministerpräsident Reichskanzler war. Trotz Einschränkungen seiner Souveränität durch die Bismarck’sche Reichsverfassung blieb also der Staat Preußen nach Größe, Bevölkerung und politisch-militärischem Gewicht der Hegemonialstaat des Kaiserreichs. Bismarck hatte somit in seinem Bestreben Erfolg, Preußens Stellung als deutsche Führungsmacht auch im nun geschaffenen Deutschen Reich zu sichern.

Am 28. Juni 1919 wurde im Spiegelsaal des Schlosses zu Versailles der Friedensvertrag von Versailles unterzeichnet. In ihm musste Deutschland und insbesondere Preußen erhebliche Gebietsverluste hinnehmen. Der westlich der Weichsel liegende Teil von Westpreußen wurde (mit Ausnahmen) ohne Abstimmung Polen zugesprochen. Das westpreußische Danzig wurde als Freie Stadt unter den Schutz des Völkerbundes gestellt und dem polnischen Zollgebiet eingegliedert. Im Norden Ostpreußens wurde das Memelland von Preußen losgelöst, im Süden verlor Ostpreußen das Gebiet Soldau. Neben 501 Quadratkiometern (qkm) ostpreußischen, 15.864 qkm westpreußischen und 1.894 qkm Danziger Bodens verlor Preußen auch über 9.000 qkm schlesischen, 26.041 qkm Posener, 9 qkm pommerschen, 0,05 qkm brandenburgischen und 3.800 qkm schleswig-holsteinischen Gebietes sowie 1.036 qkm der Kreise Eupen und Malmedy und über 6 qkm Moresnet. Diese erheblichen Gebietsverluste bedeuteten jedoch nicht den Zusammenbruch Preußens.

Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 erkannte durch den Weiterbestand der nun als Länder bezeichneten deutschen Bundesstaaten den föderativen Charakter des Reiches an. Die Länder besaßen zwar Staatsqualität, waren aber dem Reich prinzipiell untergeordnet. Sie besaßen kein Recht mehr auf Fortbestand und auf Bewahrung ihres Territoriums und hatten nicht die Zuständigkeit, die eigene Kompetenz zu erweitern. Als Bundesstaat war nur das Reich Völkerrechtssubjekt, die Länder durften nur mit Zustimmung des Reiches und nur in solchen Angelegenheiten, deren Regelung der Landesgesetzgebung zustand, Verträge mit auswärtigen Staaten schließen. Entgegen den Vorschlägen vor allem des Staatsrechtlers Hugo Preuß, das preußische Staatsgebiet in seinen Grenzen aufzulösen, um damit eine ausgewogenere Gliederung des Reichs auf der Grundlage halbwegs gleichgroßer Länder zu ermöglichen, beschloss die Nationalversammlung 1919 die Aufrechterhaltung Preußens als eines selbständigen Landes. Nach der Weimarer Reichsverfassung trat der Reichsrat an die Stelle des früheren Bundesrates. Allerdings blieb dem Reichsrat die zentrale Bedeutung versagt, die der Bundesrat gehabt hatte. Das verfassungsrechtliche Schwergewicht war nach dem unitarischen Reichstag hin verlagert, was zur Folge hatte, dass auch Preußen an Einfluss verlor. Die Weimarer Reichsverfassung begrenzte das preußische Stimmgewicht im Reichsrat auf Zweifünftel der Gesamtstimmen, wobei diese Stimmen jedoch nicht insgesamt der preußischen Regierung, sondern zur Hälfte den preußischen Provinzialverwaltungen übertragen wurden. Die Größenunterschiede der nunmehrigen Länder des Deutschen Reiches bestanden weiter. Wie die Landkarte der Weimarer Republik zeigt, nahm Preußen allein fast Dreifünftel des Reichsgebietes ein, während die Länder Bayern und Sachsen ein weiteres Fünftel ausmachten. In Preußen allein lebten nahezu Zweidrittel der Einwohner des Reiches. Die kleinen Länder verfügten zudem über kein zusammenhängendes Territorium, sondern waren in verschiedene Gebietsteile aufgegliedert. Braunschweig etwa bestand aus 28 voneinander getrennten Teilen, die in preußisches Gebiet eingestreut waren. Die kleineren Länder Norddeutschlands lehnten sich an Preußen an, das auch auf diese Weise eine wichtige Aufgabe als Klammer der Reichseinheit erfüllte. Preußen blieb also in der Zeit der Weimarer Republik bestehen, ja es gewann ein eigenes neues politisches Gewicht durch seine stabile Regierung, die gegenüber den häufigen Regierungswechseln im Reich einen Garanten politischer Beständigkeit bildete. Mit dem Sturz der Hohenzollern-Monarchie im November 1918 war somit noch keineswegs das Ende des preußischen Staates gegeben.

Schließlich wird auch der Staatsstreich des Reichskanzlers von Papen vom 20. Juli 1932 als Anfang vom Ende Preußens in politischer und staatsrechtlicher Hinsicht betrachtet. Mit einer Notverordnung vom 20. Juli 1932 wurde die preußische Staatsregierung unter dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Otto Braun abgesetzt und der Reichskanzler, damals Franz von Papen und dann Kurt von Schleicher, Reichskommissar für das Land Preußen. Begründet wurde diese Reichsexekution gemäß Art. 48 I der Reichsverfassung mit der Behauptung, Preußen wäre seinen Rechtspflichten bei der Abwehr kommunistischer Ausschreitungen und hochverräterischer Anschläge nicht nachgekommen. Mit diesem ”Preußenschlag” vom 20. Juli 1932 wurde das Ende des demokratischen Preußen eingeläutet. Später verneinte der Staatsgerichtshof eine Pflichtverletzung der preußischen Regierung und damit das Recht zur Reichsexekution, rechtfertigte aber andererseits die getroffenen Maßnahmen durch das dem Reichs-präsidenten bei der Ausübung seiner Diktaturgewalt zustehende weite Ermessen. Der ”Preußenschlag” führte also letztlich zu einer Gleichschaltung und Entmündigung Preußens, ohne jedoch letztlich den Untergang Preußens zu bewirken.

Im Gesetz über den Neuaufbau des Reichs vom 30. Januar 1934 wurden die Volksvertretungen der Länder aufgehoben. Die Hoheitsrechte der Länder gingen auf das Reich über, die Landesregierungen unterstanden der Reichsregierung und die neugeschaffenen Reichsstatthalter der Dienstaufsicht des Reichsministers des Inneren. Im übrigen konnte die Reichsregierung neues Verfassungsrecht setzen und der Reichsminister zur Durchführung des Gesetzes über den Neuaufbau die erforderlichen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften erlassen. Nach der Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit vom 5. Februar 1934 fiel die Staatsangehörigkeit in den deutschen Ländern fort. Die Landesregierungen trafen Entscheidungen auf dem Gebiet des Staatsangehörigkeitsrechts im Namen und Auftrage des Reichs. Nach dem Gesetz vom 14. Februar 1934 wurde der Reichsrat aufgehoben. Die Vertretungen der Länder beim Reich fielen fort, die Mitwirkung des Reichsrats in Rechtsetzung und Verwaltung ebenfalls. Begründet wurde dies damit, dass Aufgabe des Reichsrats nach Art. 60 der Weimarer Verfassung die Vertretung der deutschen Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Reichs war. Nachdem durch das Gesetz vom 30. Januar 1934 die Hoheitsrechte der Länder auf das Reich übergegangen und die Landesregierungen der Reichsregierung unterstellt worden seien, bliebe für eine mit den Befugnissen des Reichsrats ausgestattete Körperschaft kein Raum mehr.

Es wird behauptet, dass mit dieser Verreichlichung durch das neue Ordnungsgesetz die deutschen Länder, und damit auch Preußen, als Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten untergegangen seien. Es wird aber auch die Ansicht vertreten, dass von einem staatsrechtlichen Untergang der Länder nicht gesprochen werden könne und alle Länder formal bis mindestens 1945 bestehen geblieben seien. Auch wird betont, daß jedenfalls vom Ausland her der Zustand hinsichtlich der Länder kaum ein anderer gewesen sei als zuvor und durch das Gesetz vom 30. Januar 1934 die Länder nicht in der Weise aufgelöst worden seien, daß ein Kontrahent eines Vertrages auf diese Weise ersatzlos untergegangen wäre. Reste des preußischen Behördenapparates wie das Preußische Finanzministerium oder die Archivverwaltung existierten gespenstischerweise so-gar bis zum Ende des Dritten Reiches weiter. Die von den Ländern untereinander oder mit dem Reich geschlossenen Verträge und Verwaltungsabkommen wurden durch den Übergang der Hoheitsrechte der Länder auf das Reich nicht berührt. Es wäre also nicht ungefährlich, die Geschichte Preußens gewissermaßen formal-juristisch mit dem Zeitpunkt der Verreichlichung der Länder abzuschließen, zumal Hitlers Imperialismus auch preußische Wurzeln hatte, ebenso wie die Widerstandsbewegungen gegen den Nationalsozialismus. So wurde vor der Verreichlichung von Goebbels verkündet, daß Nationalsozialismus Preußentum und Preußentum Nationalsozialismus sei. Zu den preußischen Landtagswahlen erklärte er, daß Preußen das Kernland des Reiches sei und von ihm die Wiedergeburt der deutschen Nation ausgehen solle, und Mitte April 1932 war bei Goebbels erneut von der Geistesverwandtschaft, ja Identität zwischen Nationalsozialismus und Preußentum die Rede. Letztlich sollte Preußen den Nationalsozialismus hoffähig machen. Schließlich reichten sich am 21. März 1933 der Repräsentant des alten Preußen, Hindenburg, und der Kanzler des ”neuen Deutschland”, Adolf Hitler, über den Gräbern der Preußenkönige in der Garnisonskirche zu Potsdam die Hand. Goebbels sprach vom ”geheiligten Potsdam” als jener Stadt, ”in der das unsterbliche Preußentum die Grundlage zu der späteren Größe der deutschen Nation gelegt hat”.

Als vierte Möglichkeit eines Endes der Geschichte Preußens verbleibt nun das Kontrollratsgesetz Nr. 46, betreffend die Auflösung Preußens vom 25. Februar 1947. Dort heißt es, daß der Staat Preußen, ”der seit jeher Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland gewesen ist”, in Wirklichkeit zu bestehen aufgehört habe. Diese Formulierung verriet die ganze Ahnungslosigkeit bzw. Böswilligkeit der Alliierten, die den wirklichen Staat Preußen nicht mehr gekannt, nicht mehr verstanden hatten oder nicht mehr verstehen wollten. Das Kon-troll¬ratsge¬setz ist darauf zurückzuführen, daß die alliierten Mächte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Preußen, wie schon Churchill 1943 betont hatte, ”die Wurzel allen Übels” sahen. In Art. 1 I heißt es dann: ”Der Staat Preußen, seine Zentralregierung und alle nachgeordneten Behörden werden hiermit aufgelöst”. Nach Art. II werden die Gebiete, die ein Teil des Staates Preußens waren, die Rechtsstellung von Ländern erhalten oder Ländern einverleibt werden. Staats- und Verwaltungsvermögen sowie Vermögen und Verbindlichkeiten des früheren Staates Preußen sollen auf die beteiligten Länder übertragen werden, vorbehaltlich etwaiger Abkommen, die sich als notwendig herausstellen sollten und von der Alliierten Kontrollbehörde getroffen werden. Mit diesem Gesetz der Alliierten wurde der Staat Preußen formell aufgelöst. Es bestehen aber Bedenken, ob am Tage des Kontrollratbeschlusses nach der Gleichschaltung und Verreichlichung der Länder und der Entmündigung Preußens und in Anbetracht des Verlustes seiner ostdeutschen Gebiete und der Zugehörigkeit seiner mittel- und westdeutschen Provinzen zu anderen Staaten der Staat Preußen überhaupt noch existierte. Noch zwei Wochen vor dem Selbstmord Hitlers, am 17. April 1945, freilich erschien ein vom Preußischen Staatsministerium herausgegebenes und von der Preußischen Verlags- und Druckerei GmbH verlegtes Druckwerk: Nr. 1 der Preußischen Gesetzessammlung für das Jahr 1945 mit dem Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1945. Die preußische Bürokratie funktionierte also noch, als die Schlacht um die Reichshauptstadt schon fast verloren war. Wenn man jedoch davon ausgeht, daß die staatliche Einheit Preußens schon nicht mehr bestand, als der Alliierte Kontrollrat sein Todesurteil fällte, dann stellt sich die Frage der Bedeutung des Kontrollratsgesetzes. Vielleicht wollten die Alliierten eher eine Tradition als eine Staatsmacht vernichten, als sie 1947 de jure abschafften, was de facto gar nicht mehr vorhanden war. Aber auch dann wären Bedenken gegenüber diesem formaljuristischen Akt zu erheben. Wer an die philosophischen Überhöhungen von Staaten zu geistigen Wesenheiten in der Zeit des deutschen Idealismus denkt, wird Mühe haben, Preußen mit einem Federstrich für erledigt zu betrachten.

Auch wenn Preußen 1945 nur noch ein Verwaltungsbezirk war, so galt das doch auch für die anderen deutschen Länder, auf deren Hüllen man beim Neuanfang selbstverständlich zurück-griff. Preußen hingegen, das sich einst über viele dieser Länder erhoben hatte, verlor alle seine Kernprovinzen, aus denen die Bevölkerung vertrieben wurde, und es gab keine Politiker, die es wagten, Preußens Bewahrung zu fordern. Alles Preußische war diskreditiert. Weder die Bundesrepublik Deutschland noch die DDR fühlten sich als sein Nachfolger, und nicht einmal eine Regionalbezeichnung Preußen existiert mehr. Diese Radikalität des Verschwindens ist ein erstaunlicher Befund in Anbetracht der Rolle, die Preußen in Deutschland und in Europa gespielt hat.

Preußen ist als Staat verschwunden, Preußens Spuren finden sich aber überall. So ist es als kurios zu bezeichnen, daß die Generalität der Bundeswehr ebenso wie die der Nationalen Volksarmee der DDR am Kragen das goldene Akanthusblatt, die Stickerei der Offiziere des friderizianischen Infanterieregiments Nr. 26, trägt bzw. trug, die Kapellen preußische Märsche spielen und die Kasernen nach preußischen Offizieren benannt wurden. Die beiden deutschen Universitäten in Münster und Bonn sind nach preußischen Königen benannt, der preußische Orden ”Pour le Mérite” für Wissenschaft und Künste wurde rezipiert, und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gilt als einzige staatliche Einrichtung in Deutschland, die noch das Attribut ”preußisch” im Namen und den republikanisch-preußischen Adler im Siegel führt. Sportclubs tragen noch den Namen Preußen oder Borussen, ebenso findet sich der Name im akademischen Korporationswesen. Schließlich taucht das Wort Preußen noch in Firmennamen und Firmenzeichen auf. Sicher lebt die preußische Tradition des obrigkeitlichen Staates in der Bundesrepublik Deutschland fort, sie zeigt sich insbesondere in der Neigung zu bürokratischer Perfektion. Preußische Tugenden wie Pflichterfüllung, Loyalität zum eigenen Staat, Toleranz gegen¬¬über Andersdenkenden, Disziplin, Opferbereitschaft, Bescheidenheit und Sparsamkeit sollten allerdings im Leben der Bundesrepublik Deutschland ihre Bedeutung nicht verlieren. Preußens kulturelles Erbe und seine Staatstugenden sind uns anvertraut worden, um damit die Probleme der Zukunft zu lösen.

Lit.: Blasius, Dirk (Hrsg.): Preußen in der deutschen Geschichte, 1980. – Craig, Gordon A.: The End of Prussia, 1984. – Gornig, Gil¬bert: Das nördliche Ostpreußen. Gestern und heute. Eine historische und rechtliche Betrachtung, 1995. – Knopp, Werner: Preußens Wege. Preußens Spuren. Gedanken über einen versunkenen Staat, 1981. – Lawaty, Andreas: Das Ende Preußens in polnischer Sicht, 1986. – Runge, Nicolaus: Das verbotene Preußen. Perspektiven zur deutschen Vergangenheit und Zeitgeschichte, 1977. – Schlenke, Manfred (Hrsg.): Preußische Geschichte. Eine Bilanz in Daten und Deutungen, 2. Aufl. 1991. – Schoeps, Hans-Joachim: Preußen. Geschichte eines Staates. Bilder und Zeugnisse, 1981. – Thadden, Rudolf von: Fragen an Preußen. Zur Geschichte eines aufgehobenen Staates, 1981.

Bild: Flagge des von 1918 bis 1933 bestehenden Freistaats Preußen / Quelle: Von TRAJAN 117  Diese W3C-unbestimmte Vektorgrafik wurde mit Inkscape erstellt . – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=12109902

Gilbert Gornig