Der polnische Aufstand gegen die russische Herrschaft von 1830 hatte nicht zuletzt dank der militärischen Unterstützung Preußens niedergeschlagen werden können. Erneut hatte Preußen, wie schon beim Aufstand Kociuszkos 1794 die Wiederherstellung eines polnischen Nationalstaates verhindert. Allerdings sah man diesmal keinen Sinn in einer weiteren Expansion und lehnte den Plan Nikolaus I. zur Teilung Kongreßpolens ab, weil man in diesem Fall erhebliche Schwierigkeiten mit dem polnischen Nationalismus erwartete. Gneisenau schrieb 1831 dem preußischen Staatsminister Bernstorff: „… die Verhältnisse der Polen zu den Deutschen haben sich sehr verbittert seit jener Zeit vor 36 Jahren; sie sind unfähig durch eine sanfte und gerechte Regierung sich leiten zu lassen.“ Aus dem preußischen Wunsch, so wenig wie möglich mit polnischen nationalen Strömungen zu tun zu haben, erwuchs auch die am Hofe Friedrichs Wilhelm III. vorherrschende Betrachtungsweise, es handele sich hier primär um ein Element innenpolitischer Aufsässigkeit. Dieses Element meinte man auch außerhalb der eigenen Grenzen bekämpfen zu müssen, und daher lieh man der russischen Politik in Kongreßpolen seine Hilfe, obwohl Preußen vom Aufstand nicht betroffen war. Preußen vergab damit eine einmalige Gelegenheit, das preußisch-polnische Verhältnis auf eine positivere Basis zu stellen und handelte für polnische Augen einmal mehr als reaktionärer Komplize der russischen Unterdrückung polnischer Freiheitsbestrebungen. Andererseits erfreuten sich die nach 1831 aus Kongreßpolen in den Westen geflohenen polnischen Adeligen in Süddeutschland großer Wertschätzung, wo liberale Bürgerkomitees die polnischen Flüchtlinge feierten. Aber auch in Berlin gab es zahlreiche Vertreter des liberalen Bürgertums, die sich für die polnische Sache stark machten, denn man setzte den Freiheitskampf der Polen gegen Rußland mit den eigenen Bestrebungen für einen Verfassungsstaat gleich. Von 1830-1848 erlebte Deutschland eine schwärmerische Polenbegeisterung, die sich auch in der Literatur und der Geschichtsschreibung niederschlug. So nannte der badische Historiker und Politiker Carl v. Rotteck 1832 die „Leidensgeschichte Polens“ einen „Sieg der Gewalt gegen alles öffentliche Recht und die zivilisierte Welt“. Von derlei Strömungen wurde allerdings die preußische Politik in Posen wenig beeinflußt, die 1831 gegen über 1000 Polen, überwiegend Angehörige des Adels, Hochverratsprozesse anstrengte, die jedoch meist mit Freispruch oder harmlosen Strafen endeten.
Die unter Hardenberg dem Großherzogtum Posen eingeräumte Sonderstellung wurde vom Kommandierenden General in Posen, Carl v. Grolmann in einer für das Kriegsministerium bestimmten Denkschrift vom 25. März 1832 als „unglaubliche Torheit“ bezeichnet. Grolmann empfahl darin das Aufkaufen der polnischen Güter, um Posen zu einer „sicheren preußischen Provinz“ zumachen. Das war nun eine deutliche Empfehlung in Richtung einer stärkeren „Prussifizierung“ bzw. „Germanisierung“ der Provinz, wie sie dann auch vom neuen Oberpräsidenten Eduard Flottwell in etwas abgeschwächter Form verfolgt wurde . Neben der stärkeren Betonung des Deutschen als Amtssprache wurde 1833 durch königliche Verordnung die Mitwirkung der Kreistage bei der Ernennung der Landräte ausgeschlossen, dies war jetzt allein Sache der Regierung. Die polnische Selbstverwaltung wurde Schritt für Schritt durch einen Beamtenapparat ersetzt, während Flottwell den Einfluß von Adel und Klerus zugunsten der städtischen und bäuerlichen Mittelschichten zurückzudrängen suchte. Der Erfolg von Flottwells Politik blieb allerdings eher mäßig, denn die Szlachta behielt ihre führende Rolle innerhalb des polnischen Eigenlebens, das zudem nach 1840 einen signifikanten kulturellen Aufschwung erfuhr.
Erschwerend für das Ziel einer möglichst weitgehenden Eingliederung und Verschmelzung Posens mit Preußen wirkte sich auch der Streit mit der katholischen Kirche in der Frage der Mischehen aus. So hatte der Erzbischof von Posen-Gnesen, Marcin Dunin, am 27.2.1838 in einem lateinischen Rundschreiben an den Klerus diesen zu lediglich passiver Assistenz bei Mischehen aufgefordert, wenn kein schriftliches Versprechen zu katholischer Kindererziehung abgegeben wurde. Wie vor ihm der Erzbischof von Köln wurde Dunin verhaftet und am 23.3.1839 vom Oberlandesgericht Posen zu sechs Monaten Haft verurteilt. Zwar wurde Dunin kurz darauf begnadigt, durfte aber nicht in seine Diözese zurückkehren, was er jedoch im Oktober 1839 tat. Daraufhin wurde er erneut verhaftet und auf die Festung Kolberg verbracht.
Nach dem Tod Friedrich Wilhelms III. am 7.6.1840 schien sich jedoch unter seinem Sohn Friedrich Wilhelm IV. eine veränderte Politik anzubahnen. Bereits am 29.7.1840 gestattete der neue König Erzbischof Dunin die Rückkehr nach Posen, wo diesem ein triumphaler Empfang bereitet wurde. Am 10.8.1840 erließ der König den Teilnehmern am Aufstand von 1830/31 die restlichen Strafen und am 15.4.1842 wurde die von den adligen Gutsbesitzern seit langem gewünschte Erweiterung des Landschaftlichen Kreditvereins durchgeführt. Vor diesem Hintergrund muß auch die Rede Graf Edward Raczynskis am 11.9.1840 in Königsberg gesehen werden, in der er ausführte, daß von der 1815 versprochenen Gleichstellung der Polen, die in Posen die Mehrheit bildeten, nur noch Reste vorhanden seien. Die polnische Sprache sei in allen Bereichen eingeschränkt worden und durch die Abschaffung der Statthalterwürde gebe es auch keine Vertretung der polnischen Belange mehr in Berlin. Da aber Raczynski dem König treu ergeben war, konnten seine Beschwerden nicht einfach ignoriert werden, wie es Flottwell gern gesehen hätte, und es war zweifellos ein persönlicher Erfolg Raczynskis, daß der König ihn aufforderte, seine Beschwerden zu präzisieren. Daraufhin reichte Raczynski am 27.11.1840 eine Denkschrift beim König ein, die Beispiele für die Zurücksetzung des Polnischen beibrachte. So konnten Prozesse immer weniger auf polnisch geführt werden, es sei die „…Justizverwaltung im Großherzogthum Posen für Polen auf Uebersetzungen begründet, ein System, welches seine Majestät, der höchstselige König, …ausdrücklich verbot“.
Nur 30 % der Beamten bis hinunter zu den Distriktkommissaren sei der polnischen Sprache mächtig, während an den Schulen der Anteil polnischer Lehrer zurückginge.
Diese und andere Mißstände kamen auf zwei Ministerkonferenzen unter Vorsitz des Königs zur Sprache. Im Ergebnis wurde die Zahl der zweisprachigen Beamten in Posen erhöht, die Verhandlungssprache eines Prozesses sollte sich nun nach der Sprache in der eingereichten Klageschrift richten, die Möglichkeit des Unterrichts in polnischer Sprache an den Gymnasien geprüft und das Straßennetz besser ausgebaut werden. All das entsprach zwar noch nicht den Vorstellungen Raczynskis, zeigte aber den guten Willen des neuen Königs, der zudem den eher unbeliebten Flottwell zum Oberpräsidenten der Provinz Sachsen ernannte.
Auf dem Provinziallandtag von 1841 stellte sich dann Raczynski gegen eine preußische Ständeversammlung, weil er zu Recht befürchtete, daß dadurch der Germanisierung der Polen des Großherzogtums Vorschub geleistet würde. In gewisser Weise ging der König auch in seinem Landtagsabschied darauf ein, indem er von der Verschiedenheit der Deutschen und Polen sprach, die aber in der Monarchie ihre Vereinigung fänden, „…des Staates, dem sie gemeinsam und für immer angehören, in dem Namen Preußen.“ Das war nun ein deutlicher Hinweis darauf, daß Posen vor allem ein Teil der preußischen Monarchie war, und wie der preußische Innenminister Rochow in einer Denkschrift vom 5.6.1841 formulierte, könne die polnische Sprache nur insoweit anerkannt werden, als ihre Anerkennung der Verschmelzung mit dem Gesamtstaat nicht widerspreche. Noch schärfer bezog Flottwells Nachfolger Graf Adolf Heinrich von Arnim-Boitzenburg gegen Raczynski Stellung, der vom „…feindlichen Gegenüberstehen gegen das preußische Element“ sprach: „Man wird und muß diese Gesinnung bekämpfen.“ Daß dies mehr oder weniger erfolglos blieb, zeigte die Adresse der Posener Stände aus dem Jahre 1843, in der diese betonten, daß sie zwar dem König gegenüber loyal sein wollten, diese Loyalität aber eben kein Ersatz für ihr polnisches Nationalbewußtsein sei.
Zu substantiellen politischen Konzessionen allerdings war auch Friedrich Wilhelm IV. nicht bereit, immerhin wurde der Kampf gegen Klerus und Adel eingestellt, weil dieser in einem ständisch gegliederten Staatswesen nach den Vorstellungen des Königs keinen Platz hatte. Dies wiederum führte zu einer Verbesserung des Verhältnisses zur polnischen Szlachta, zu dem auch beitrug, daß 1842 die Kartellkonvention mit Rußland nicht erneuert wurde, so daß sich Flüchtlinge aus dem Königreich Polen in Posen niederlassen konnten. Andererseits blieben das behördliche Mißtrauen und die Überwachung der polnischen Intelligenz bestehen, ohne daß damit der Aufschwung der polnischen Kultur in Posen verhindert werden konnte. Posen war zwischen 1830 und 1846 das geistige Zentrum des geteilten Polens, und die Auslösung eines allgemeinen Aufstandes in Kongreßpolen hielt man seit 1840 nur von Posen aus für möglich. Die Förderung der polnischen Interessen liefen quasi auf zwei Schienen: Während einerseits eine möglichst weitgehende polnische Autonomie im Großherzogtum Posen mit legalen Mitteln angestrebt wurde, existierte andererseits die illegale und konspirative Tätigkeit der revolutionären Radikaldemokraten, die von der „Polnischen Demokratischen Gesellschaft“ TDP (Towarzyzstwo Demokratyczne Polskie) gesteuert wurde. Eine herausragende Rolle in beiden Bereichen spielte dabei der Philosoph Karol Libelt, der die legalen Aktivitäten unterstützte, zugleich aber das geheime, fünfköpfige Komitee der TDP für Posen leitete, das dort den Aufstand vorbereiten und planen sollte. Dieses Komitee agierte aber zunächst äußerst vorsichtig und zurückhaltend, worauf der Posener Buchhändler Walenty Stefañski Ende 1841 eine eigene Gruppe bildete, den Bund der Plebejer (Zwi¹zek Plebejuszy). Dieser verfolgte die Idee eines baldigen Aufstandes zur Wiederherstellung Polens, er wollte alle Standesunterschiede abschaffen und den Großgrundbesitz enteignen. Außerdem sollte das Komitee Libelts, das als zu gemäßigt galt, durch ein revolutionäres Komitee für ganz Polen ersetzt werden. Wiederholte Versuche Libelts, Stefañskis Aktivitäten unter die Kontrolle des Komitees zu bringen, scheiterten um die Jahreswende 1844/45 endgültig. Daraufhin sah Libelt die Aufstandsvorbereitungen durch Stefañskis unkoordinierte Aktivitäten als so gefährdet an, daß er diesen anzeigen ließ, worauf Stefañski mit 23 weiteren „Plebejern“ am 9.11.1845 verhaftet wurde. Um die Vorbereitungen voranzutreiben, bildete Libelt nun ein gesamtpolnisches Komitee unter Einschluß der „Plebejer“, und obwohl die preußischen Behörden nach der Verhaftung Stefañskis ca. 100 Personen in Posen und Westpreußen festnahmen und außerdem am 13.1.1846 eine Kommission zur Untersuchung von Stefañskis Aktivitäten einsetzten, blieb Libelts TDP-Komitee unentdeckt. Im Dezember 1845 hatte das TDP in Versailles Ludwik Mieros³awski nach Posen geschickt, um dort die militärische Leitung des geplanten Aufstandes zu übernehmen. Dessen Ablauf war von Mieros³awski gegenüber Libelts Gruppe bereits im März 1845 umrissen worden und von daher wird verständlich, daß Libelt in Stefañskis Aktivitäten eine Gefährdung der gesamten Aktion sah. Geplant war der Einmarsch von polnischen Truppen aus Posen und Galizien in Kongreßpolen. Die daraufhin erwartete Revolution in Polen sollte durch ein weiteres Aufgebot in den österreichischen und preußischen Teilungsgebieten unterstützt werden, während zugleich in Litauen und Weißrußland ebenfalls ein Aufstand beginnen sollte. Entscheidend war dabei die Aufstellung regulärer Truppen, die zum einen die Unterstützung der Szlachta gewährleisten, zum anderen einen Aufstand der Bauern gegen den Adel verhindern sollte. Ziel war die Einbindung der bäuerlichen Truppen in militärische Disziplin, um so einen konventionellen, umfassenden Krieg gegen die Teilungsmächte führen zu können.
Libelts Komitee hatte diesem Plan Mieros³awskis schon im März zugestimmt, so daß dieser sich im Dezember 1845 auf einen größeren Verschwörerkreis stützen konnte. Mieros³awski bildete nun im Januar 1846 in Krakau eine Nationalregierung, die den Aufstand koordinieren und leiten sollte, später sollte dann ein Kongreß über eine polnische Verfassung entscheiden. Der Termin für den Aufstand wurde von Mieros³awski auf die Nacht zum 22. Februar 1846 festgesetzt.
Dazu kam es jedoch nicht mehr, denn einer der Eingeweihten, Graf Henryk Poninski, unterrichtete den Posener Polizeipräsidenten Minutoli über die ihm bekannten Einzelheiten der Verschwörung. Poninski war offenbar gegen seine Überzeugung in die Aufstandsvorbereitungen involviert worden, kannte daher nur wenige Details, doch waren ihm die Namen der wichtigsten Verschwörer bekannt. Minutoli schlug daraufhin sofort zu und ließ Mieros³awski am 12.2.1846 verhaften, der davon so überrascht wurde, daß er seine Unterlagen nicht mehr rechtzeitig vernichten konnte. Weitere 70 Teilnehmer des geplanten Aufstandes wurden in den folgenden Tagen festgenommen, darunter auch Libelt, der bereits auf dem Wege nach Krakau war. Damit war die Revolution schon gescheitert. Als am 22.2.1846 in Krakau ein Aufstandsversuch unternommen wurde, war das für Österreich ein willkommener Vorwand, Krakau nunmehr österreichischer Verwaltung zu unterstellen. Schlimmer aber für die polnische Sache war, daß es den österreichischen Behörden gelang, die in Galizien unterdrückten ukrainischen Bauern gegen den polnischen Gutsadel zu mobilisieren. Diese Gegenerhebung kostete über 400 polnischen Gutsbesitzern und Verwaltern das Leben. In Kongreßpolen kam es nur zu einigen Schießereien mit regulären russischen Truppen, während in Westpreußen ein Handstreich von Florian Ceynowa und Jozef Puttkamer-Kleszczynski auf Preuß. Stargard am 22.2.1846 scheiterte, weil diese von ihren Bauern im Stich gelassen wurden.
Die preußischen Behörden verhängten am 7.3.1846 über Posen das Standrecht, bis zum Sommer wurden über 600 Personen verhaftet. Im folgenden Jahr kam es dann vom 2.8.-17.11.1847 zum Prozeß gegen die Aufständischen, in dem jedoch nur noch 254 angeklagt und 117 verurteilt wurden. Die preußische Politik verhärtete sich nach dem Aufstandsversuch zusehends, das Standrecht wurde beibehalten und die bis dahin traditionelle polnische Verwaltung des Landschaftlichen Kreditvereins wurde einem Kommissar des Innenministeriums unterstellt. Das Mißtrauen der Behörden erstreckt sich auch auf die gesamt Szlachta, die als notorisch antipreußisch und unzuverlässig betrachtet wurde. Die Tatsachen jedoch rechtfertigten diese Sicht nur sehr eingeschränkt, denn unter den Angeklagten befanden sich lediglich 66 Adlige, von denen überhaupt nur 28 verurteilt wurden. Tatsache war außerdem, daß sich die selbständigen Bauern nicht an den Vorbereitungen beteiligt hatten und auch 1848 rekrutierte sich die Masse der polnischen Truppen aus den landlosen Bevölkerungsschichten.
Festzuhalten ist, daß bis 1848 zwar die nationale Agitation mehr oder weniger in alle Volksschichten getragen wurde, ohne daß diese damit von der Masse der Bevölkerung unterstützt wurde, da die nationale Integration der polnischen Unterschicht noch nicht vollzogen war. Trotz positiver Ansätze in der Entwicklung des preußisch-polnischen Verhältnisses zwischen 1840 und 1846 konnte das Mißtrauen zwischen den preußischen Behörden und dem polnischen Adel nicht überwunden werden, der sich schließlich zum wichtigsten Träger der nationalen polnischen Bestrebungen entwickelte.
Lit.: Martin Broszat: 200 Jahre deutsche Polenpolitik. 2. Aufl. Frankfurt/Main 1972. – Manfred Laubert: Studien zur Geschichte der Provinz Posen in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. 3 Bde. Posen 1908, 1927; Posen-Leipzig 1943. – Ders.: Die Verwaltung der Provinz Posen 1815-1847, Breslau 1923. – Ders.: Minutolis amtliche Berichte über den Posener Aufstand von 1846, in: Arthur Kronthal, Werke der Posener bildenden Kunst, Berlin-Leipzig 1921, S. 69-76. – Karl Heink Streiter: Die nationalen Beziehungen im Großherzogtum Posen (1815-1848), Bern 1986.
Bild: Flachrelief des polnischen Aufstandes in der Kaiserburg / Quelle: Autorstwa MOs810 – Praca własna, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11817233
Romedio Graf Thun