Ereignis vom 14. September 1345

Rücktritt des Hochmeisters Ludolf König

Ludolf König von Weizan

Als der Hochmeister des Deutschen Ordens Ludolf König am 14. September 1345 von seinem Amt zurücktrat, war er wohl nur wenig mehr als 40 Jahre alt. Einer Halberstädter Ministerialenfamilie entstammend, wird er zuerst im Jahre 1326 als Deutschordensbruder im Königsberger Konvent urkund­lich genannt. 1328 war er bereits Hauskomtur in Königsberg, drei Jahre später rückte er als Oberster Treßler in den Kreis der Großgebietiger auf, 1328 wurde er Großkomtur. Als Hochmei­ster Dietrich von Altenburg am 10. Juni 1341 überraschend starb, leitete er zunächst den Orden als Hoch­mei­ster­statthalter und wurde im folgenden Jahr zum Hochmeister gewählt. Die stei­le, durch keine Rückschläge unterbrochene Laufbahn, die Lu­dolf König in 16 Jahren vom einfachen Ordensbruder an die Spitze des Ordens führte, läßt auf außergewöhnliche Fähigkei­ten schließen. Allerdings gibt es vom Oktober 1344 eine ur­kund­liche Nachricht über eine gefährliche Krankheit des Hoch­meisters. Im Jahre 1345 brach seine Laufbahn jäh ab.

Für den Januar dieses Jahres hatte der Deutsche Orden wie gewohnt zu einer Kriegsfahrt gegen das heidnische Litauen aufgerufen. Diese „Litauerreisen“ des Deutschen Ordens zo­gen regelmäßig Scharen aus allen Schichten des europäischen Adels ins Ordensland, die im Heidenkampf ihre Ritterschaft üben und dazu die für das Seelenheil der Heidenkämpfer aus­gesetzten Ablässe erwerben wollten. Im Januar 1345 versam­melte sich in Königsberg die wohl glänzendste Teilnehmerschaft, die im 14. Jahrhundert an einer solchen Unternehmung teilgenommen hat. Es kamen König Ludwig von Ungarn, König Johann von Böhmen und sein Sohn Markgraf Karl von Mähren (der spätere Kaiser Karl IV.), Herzog Peter I. von Bourbon, die Grafen Wilhelm IV. von Holland, Günther von Schwarzburg (der spätere Gegenkönig), Heinrich II. von Hol­stein, Burggraf Albrecht I. von Nürnberg und weitere Grafen, Ritter und Adlige in großer Zahl.

Doch von Anfang an lastete Unglück auf dem Unternehmen. Der Winter zeigte sich ungewöhnlich milde, die Sümpfe und Gewässer der Grenzzone zwischen dem Ordensland und Li­tauen froren nicht zu und blieben unpassierbar, die hochge­stimmten Erwartungen der Gäste des Ordens wurden durch eine zermürbende Wartezeit gedämpft. Was den Gästen offen­bar verborgen blieb, war ein Weiteres: Es scheint, als sei der Hochmeister schon vor ihrer Ankunft in Untätigkeit versun­ken, in einen Zustand, der sich zu einer Depression steigerte. Of­fenbar hat der Kreis der Großgebietiger um Ludolf König versucht, dies vor den Gästen verborgen zu halten. Weder Markgraf Karl (der spätere Kaiser Karl IV.), der in seiner Autobiographie über den Zug schreibt, noch die anderen zeit­genössischen Historiker außerhalb Preußens, die von den Er­eignissen berichten, wissen etwas von der Geisteskrankheit des Hochmeisters.

Doch beschuldigt der Historiograph Matthias von Neuenburg Ludolf König der Trägheit. Es wurde von den Teilnehmern übel vermerkt, daß die Litauerreise, als sie endlich am 10. Fe­bru­ar doch noch beginnen konnte, nicht vom Hochmeister ge­führt wurde, sondern vom Obersten Marschall Winrich von Kniprode. Ludolf König blieb, umgeben von den übrigen Großgebietigern, in Königsberg zurück.

Weitaus schlimmer war dann aber, daß sich die in Königsberg verbliebene Ordensführung durch eine List des Gegners täu­schen ließ. Ein litauisches Heer war nördlich am Ordensheer vorbei durch Samaiten westwärts vorgestoßen. In der Befürch­tung, es könne sich südwärts gegen Königsberg wenden, rief die Ordensführung ihr Heer eilends zurück. Doch die Litauer wandten sich nun nach Norden zu einem verheerenden Ein­fall in Livland. Das nach nur elftägiger Abwesenheit zurück­ge­kehrte Ordensheer mit der großen Zahl seiner Gäste wartete vergeblich auf einen Gegner. Dann setzte Tauwetter ein und machte weitere Unternehmungen unmöglich.

Für die Teilnehmer an dem Feldzug bedeutete dessen klägli­ches Ende einen Skandal. Nach dem Bericht der Älteren Chronik von Oliva beschuldigten die Könige den Hochmei­ster, er habe sie absichtlich um ihre Hoffnungen betrogen. Aber nicht nur sie und die anderen Adligen, sondern auch die eige­nen Ordensbrüder machten ihn verächtlich. Die vorneh­men Gäste verließen das Ordensland verärgert. Der Orden selbst aber war in eine tiefe Krise gestürzt. Sein Ansehen in der Welt des europäischen Adels hatte Schaden genommen, der Ruf seiner Züge gegen Litauen empfindlich gelitten.

Auch als die Gäste das Land verlassen hatten, blieb Ludolf König anscheinend weiterhin von der Entschlußlosigkeit seiner Depression gelähmt in Königsberg. Erst im Juli scheint sich sein Zustand geändert zu haben. Er begann wieder zu urkunden und begab sich Mitte August nach Marienburg. Auf dem Generalkapitel des Ordens am 14. September trat er von sei­nem Amt zurück. Als Komtur von Engelsburg ist er 1348 gestorben, nachdem er schon bald seine volle geistige Ge­sundheit zurückerlangt hatte.

Der Rücktritt setzte das nach außen hin nötige deutliche Zei­chen. Wie sehr die Vorgänge den Orden erschüttert hatten, zeigte sich danach. Nachfolger Ludolf Königs wurde keiner aus dem Führungskreis der Großgebietiger, sondern mit Hein­rich Dusemer ein älterer, bald auch kranker Ordensbruder, der 1335-1339 Oberster Marschall gewesen war. Seine Wahl be­deutete eine Verlegenheitslösung für eine Übergangszeit. Au­ßer dem Hochmeister wurden in den beiden folgenden Jahren auch die Großgebietiger ausgewechselt. Nur Winrich von Kniprode, der an der Fehlentscheidung in Königsberg als Füh­rer des Feldzuges unbeteiligt war, stieg zum Großkomtur auf und wurde 1352 Dusemers Nachfolger. Der Schaden für das Ansehen des Ordens konnte begrenzt werden. Die Kriegsrei­sen des Ordens zogen weiterhin Adlige aus allen Teilen Euro­pas ins Land und erreichten in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhun­derts erst eigentlich ihren Höhepunkt.

Lit.: Klaus Conrad: Der dritte Litauerzug König Johanns von Böh­men und der Rücktritt des Hochmeisters Ludolf König, in: Festschrift für Hermann Heimpel. Bd. 2. Göttingen 1972, S. 382-401. – Werner Paravicini: Die Preußenreisen des europäischen Adels. Teil 1. Sig­ma­rin­gen 1989.

Foto: Ludolf König von Weizan / Quelle: Von Autor unbekannt – Bildarchiv Austria, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=64941805

Klaus Conrad