Ereignis vom 1. Januar 1675

Schlacht bei Fehrbellin

Karte der Schlacht von Fehrbellin

Im preußisch-deutschen Geschichtsverständnis nimmt die am 28. Juni 1675, also vor 325 Jahren, geschlagene Schlacht bei Fehrbellin in der brandenburgischen Mittelmark einen heraus-ragenden Platz ein. Ausdruck dieser Auffassung war die Aufstellung mehrerer Standbilder des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, des Siegers über die schwedische Armee, am Ort des Geschehens im Laufe der letzten 200 Jahre.

Seit den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts waren in Deutschland zwei auswärtige Mächte in höchstem Maße aktiv: Schweden und Frankreich. Die schwedischen Feldzüge seit der Landung des Königs Gustav II. Adolf auf der Insel Usedom im Jahre 1630 und der 1635 beginnende militärische Einsatz Frankreichs schwächten die konfessionell und politisch ohne-hin polarisierten, sich bekämpfenden Lager des alten Reiches.

Die dominierende Rolle Frankreichs und Schwedens in Mittel-europa wurde im Westfälischen Frieden von 1648 deutlich. Beide Königreiche waren an der Regelung interner Fragen Deutschlands wie der Verfassungs- und der Religionsangelegenheiten entscheidend beteiligt. An Frankreich musste das Deutsche Reich die Territorien der lothringischen Bistümer Verdun, Metz und Toul, alle habsburgischen Besitzungen im Elsaß, die Dekapolis (Bund von zehn Reichsstädten) und sogar rechts des Rheins die Stadt Breisach abtreten. Unter schwedische Herrschaft gerieten Vorpommern, die Stadt Wismar, das Herzogtum Bremen und das Fürstentum Verden, ohne dass diese Gebiete jedoch aus dem Reichsverband entlassen wurden. Die mitteleuropäische Suprematie Frankreichs und Schwedens wird in der Tatsache, dass diese beiden Mächte von allen Signatarländern offiziell zu Garanten des Westfälischen Friedens erklärt wurden, überdeutlich.

Unter Kardinal Mazarin und dem jungen Ludwig XIV. baute Frankreich in den folgenden Jahrzehnten seine Vormachtstellung aus. Es seien hier nur der Erste Rheinbund (1658-1668) als Instrument französischer Machtpolitik, der Pyrenäenfrieden von 1659 und der Devolutionskrieg 1667/1668 genannt, der Frankreich mit dem Frieden von Aachen zwölf flandrische Festungen, die bis dahin formell zum Deutschen Reich gehört hatten, eintrug.

Schweden, die zweite Hegemonialmacht, konnte nach der Jahrhundertmitte sein Dominium maris Baltici ausweiten. 1658 musste das Königreich Dänemark seine Stammlande in Südschweden (Schonen, Halland, Blekinge) an Schweden unter König Karl X. Gustav abtreten. Da zu dessen Herrschaftsbereich auch Finnland, Ingermanland, Estland und Livland gehörten, war die Ostsee fast zu einem schwedischen Meer geworden. Für Schweden war die Zeit der größten Macht-entfaltung gekommen. Daran änderte auch die vorübergehende Besetzung großer Teile des schwedischen Pommern durch größtenteils kaiserliche Truppen in den Jahren 1659 und 1660 nichts.

Ein Zusammenwirken der beiden europäischen Großmächte führte zur militärischen Konfrontation des aufstrebenden Brandenburg-Preußen mit Schweden bei Fehrbellin. Da der brandenburgische Kurfürst mit einem Heer von 20.000 Soldaten in der zweiten Hälfte des Jahres 1674 an dem Reichskrieg gegen Frankreich teilnahm, konnte der französische König Schweden zum Kriegseintritt gegen Brandenburg-Preußen – insbesondere durch die Aufstockung der jährlichen Subsidien auf 900.000 Reichstaler – bewegen. Ende Dezember 1674 brach der schwedische Reichsmarschall und Generalgouverneur von Schwedisch-Vorpommern Carl Gustav Wrangel aus Vorpommern auf, um mit einem aus 28.000 Mann bestehen-den Heer in Brandenburg einzufallen. Ende Mai 1675 eilte der Kurfürst mit 15.000 Soldaten aus den Winterquartieren in Franken nach Magdeburg, das er mit seiner Kavallerie bald erreichte.

Die Schweden kontrollierten die Havelübergänge in Havelberg, Rathenow und Brandenburg, ihr Oberkommandeur hielt sich bei Neuruppin auf. Nachdem der Kurfürst überraschend Rathenow eingenommen hatte, wo sich insbesondere Feld-marschall Reichsfreiherr von Derfflinger auszeichnete, zogen sich die Schweden von Havelberg und Brandenburg zurück, wollten bei Fehrbellin den Rhin überqueren und sich bei Neuruppin sammeln. Da die brandenburgischen Truppen den Schweden folgten und Prinz Friedrich II. von Homburg diese vielfach attackierte, stellten diese sich bei dem Dorf Haken-berg, ca. sechs Kilometer südöstlich von Fehrbellin, zur Schlacht auf. Die Schweden boten 4.000 Reiter, 7.000 Infanteristen und 38 Geschütze auf, der Kurfürst hatte dagegen nur 4.200 Reiter, 1.500 Infanteristen und 13 Geschütze zur Verfügung. Ein Angriff der schwedischen Infanterie auf die nur von der Kavallerie geschützte brandenburgische Artillerie scheiterte. Nach blutigen Verlusten zogen die Schweden über die Fehrbelliner Brücke über den Rhin ab, verfolgt und attackiert von den Brandenburgern und dem 55jährigen Kurfürsten selber, der auf seinem Schimmel wiederholt persönlich in das Kampfgeschehen eingegriffen hatte. Insgesamt hatten die Schweden 2.100 Mann verloren, die Brandenburger nur 500.

„Eine eigentliche Niederlage haben sie [die Schweden, d. Vf.] nicht erlitten; aber den Brandenburgern war eine seltene Waffentat gelungen. Einem größeren und besser zusammengesetzten Heere hatten sie nur mit Kavallerie und nicht sehr zahlreichem Geschütz einen empfindlichen Schlag beigebracht, der doch so viel wirkte, dass die Feinde entmutigt das Land verließen. Fehrbellin ist die erste Schlacht von Bedeutung, welche die Brandenburger allein gewannen, in gerechter Verteidigung begriffen.“ (Ranke, S. 84)

Auch die Zeitgenossen erkannten die Bedeutung der Fehrbelliner Schlacht. In einem Lied, das im Elsaß entstand, dem Kriegsschauplatz des brandenburgischen Kurfürsten 1674/75, wurde er nun als der Große Kurfürst besungen.

Sein Fehrbelliner Triumph über die starke Militärmacht Schweden ließ den Kurfürsten die Hoffnung schöpfen, nun endlich Vorpommern, auf das die brandenburgischen Kurfürsten nach dem Aussterben des pommerschen Herzogsgeschlechts im Jahre 1637 (vgl. OGT 1987, S. 254-256) einen klaren Erbanspruch hatten, zu gewinnen. Es gelang ihm auch, bis Ende des Jahres 1678 dieses Territorium, das ihm der Westfälische Frieden vorenthalten hatte, in seinen Besitz zu bringen. Doch alle militärischen Anstrengungen und Erfolge nützten ihm nichts: Im Frieden von St. Germain-en-Laye von 1679 musste der Kurfürst Vorpommern wieder herausgeben. Nur den Gewinn eines unbedeutenden Gebietsstreifens im westlichen Hinterpommern und die Aufhebung einer Wirtschaftsbestimmung konnte er gegenüber Schweden verbuchen.

Dieser Krieg zeigte, dass militärischer Erfolg nicht immer in erfolgreiche Politik umzusetzen ist, aber auch, dass ohne militärischen Rückhalt kaum politische Erfolge erzielt werden konnten. Die Fehrbelliner Schlacht war das erste, allerdings deutliche Signal, dass in Brandenburg-Preußen ein militärisch-politischer Faktor entstanden war, mit dem die europäische Politik rechnen musste. Ein Jahrhundert später – nach dem Siebenjährigen Krieg – war das Königreich Preußen unter Friedrich II. als europäische Großmacht anerkannt.

Lit.: Leopold von Ranke: Preußische Geschichte. Aus dem Gesamtwerk ausgewählt und bearbeitet von Hans-Joachim Schoeps. Darmstadt 1956, S. 81-85. – Peter Mast: Die Hohenzollern. Von Friedrich III. bis Wilhelm II. Wien 1994, S. 68f. – Frank Bauer: Fehrbellin 1675. Brandenburg-Preußens Aufbruch zur Großmacht. Berg 1998. – Dietmar Lucht: Pommern. Geschichte, Kultur und Wirtschaft bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges (Historische Landeskunde – Deutsche Geschichte im Osten, Bd. 3, hrsg. v. d. Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen), 2. Aufl. Köln 1998, S. 96. – Werner Buchholz: Das schwedische Pommern vom Westfälischen Frieden bis zum Wiener Kongress, in: Pommern, hrsg. v. Werner Buchholz, Berlin 1999, S. 275. – Martin Schoebel: Hinterpommern als brandenburgisch-preußische Provinz, in: Pommern, hrsg. v. Werner Buchholz, Berlin 1999, S. 318f.

Bild: Karte der Schlacht von Fehrbellin / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Dietmar Lucht