Ereignis vom 1. Oktober 1648

Teilung Pommerns im Westfälischen Frieden

Der Westfälische Frieden vom Oktober 1648 bewirkte nicht nur eine grundlegende Umgestaltung der Binnenstruktur des Reichs, sondern zeigte auch deutlich, wie sehr der Kaiser und die einzelnen deutschen Territorien gegenüber Frankreich und Schweden an Macht verloren hatten. Während sich der Einigungsprozeß in Münster mit Frankreich zügig seinem Ende näherte, erwiesen sich die Verhandlungen mit Schweden in Osnabrück als nicht nur überaus langwierig, sondern lange Zeit als nahezu aussichtslos. Zu den am heftigsten umstrittenen Punkten, an denen das gesamte Vertragswerk zu scheitern drohte, gehörte da¬bei die Frage, inwieweit Schweden Pommern ganz oder teilweise als Satisfaktion für sich beanspruchen konn¬te.

Zur Disposition der am Osnabrücker Friedensschluß beteiligten Staaten stand Pommern auf Grund des Todes des letzten pommerschen Herzogs Bogislav XIV. am 20.3.1637. Zwar war die Erbfrage seit 1529 klar zu Gunsten Brandenburgs geregelt, doch gelang es dem brandenburgischen Kurfürsten Georg Wil-helm zu keinem Zeitpunkt, seine Ansprüche gegen das militärisch übermächtige Schweden durchzusetzen, das seit längerem sein Interesse an Pommern bekundet und die Erbfolge Brandenburgs durch geschicktes Taktieren behindert hatte. Nach¬¬dem Georg Wilhelm 1640 gestorben war, bemühte sich sein Nachfolger, der erst 20jährige Friedrich Wilhelm (der spätere Große Kurfürst), durch eine hinhaltende Politik der unbewaffneten Neutralität Pommern für Brandenburg zu retten. Dieser Versuch scheiterte jedoch spätestens 1642, woraufhin eine Klärung der pommerschen Frage nur noch im Rahmen der Neuverteilung der Länder durch den Westfälischen Frieden zu erwarten stand.

Erschwert wurden die hierüber geführten Verhandlungen durch die fehlende Kompromißbereitschaft beider Seiten: Schweden benötigte Pommern als Flottenbasis gegen Dänemark und zur Erlangung von Sitz und Stimme im Reichstag, Friedrich Wil-helm war auf die pommerschen Häfen angewiesen, wenn er seine Pläne zum Ausbau Brandenburgs zu einer See- und Handelsmacht nach holländischem Vorbild umsetzen wollte. Hinzu kam, daß die schwedische Politik durch die Konflikte zwischen dem schwedischen Kanzler Axel Oxenstierna und der zunächst noch minderjährigen Königin Christine lange Zeit eine einheitliche Linie vermissen ließ. Die Lage spitzte sich zu, nachdem 1646 die Einigung zwischen allen anderen am Friedensschluß beteiligten Parteien vollständig oder doch weit-gehend herbeigeführt war. Entgegen früherer Versprechungen war der Kaiser nun nicht mehr länger bereit, Pommern nur mit Zustimmung der Brandenburger den Schweden als Entschädigung anzubieten. Erst nach monatelangem Ringen und auf Grund der Vermittlertätigkeit des sowohl an einer Schwächung der Habsburger als auch an einer Beschränkung der schwedischen Übermacht interessierten Frankreichs, vertreten durch Graf d’Avaux,  konnte Anfang 1647 schließlich doch noch ein Vergleich zwischen Schweden und Brandenburg herbeigeführt werden.

Dieser sah die im Folgejahr in das Friedenswerk von Osnabrück (Art. X, XI) übernommene Regelung vor, wonach Schweden (neben Bremen, Verden und Wismar) Vorpommern mit Rügen sowie die Odermündungen (Peene, Swine, Dieve¬now) und Stettin zugesprochen bekam. Der brandenburgische Kurfürst hingegen behielt lediglich das restliche Hinterpommern, wurde aber als Ausgleich, „weil er zur Förderung des allgemeinen Friedens auf seine Rechte… Verzicht geleistet hat“, zusätzlich mit den säkularisierten (protestantischen) Bistümern Halberstadt, Minden und Kammin sowie einer Anwartschaft auf das Erz-bistum Magdeburg (die sich 1680 verwirklichte) entschädigt. Mit dieser – erstmals in der deutschen Geschichte vom Kaiser angeregten – Herabstufung zuvor reichsunmittelbarer geistlicher Stifter zur Manövriermasse für Entschädigungsleistungen an weltliche Landesherrn begann der Mediatisierungs- und Säkularisierungsprozeß, der sich bis zum Reichsdeputationshauptschluß von 1803 hinzog und zunehmend zu einem Verschwinden der ehemals für das alte Reich so prägenden geistlichen Fürstentümer führte.

In den Jahren nach dem Westfälischen Frieden zeigte sich schnell, daß die Ankündigung des Großen Kurfürsten von 1648, „ob Wir gleich lieber gesehen, daß man Uns Unsere so ansehnliche Lande gelassen und anderen die dagegen pro Aequivalente offerirte Stücke gegeben hätte, … um Friedens Willen solchen alles zu vergessen und hingegen dasjenige, was bei den Tractaten wohlbedächtlich verabredet und verglichen, steif, fest und unverbrüchlich zu halten“, nicht allzu viel Bedeutung beizumessen war. Vielmehr gelang es Friedrich Wilhelm in den folgenden Jahrzehnten, in denen ständiges Taktieren und häufige Bündniswechsel zu den wesentlichsten Kennzeichen der brandenburgischen Politik wurden, mehrfach, ganz Pommern zu besetzen. Letztlich mußte Brandenburg jedoch in allen diesen Fällen alsbald wieder auf Vorpommern verzichten und erneut die Machtverhältnisse von 1648 herstellen. Erst im Frieden von Stockholm vom 1.2.1720, mit dem Brandenburg-Preußen aus dem Nordischen Krieg ausschied, konnte König Friedrich Wilhelm I. endgültig die gesamten pommerschen Gebiete der schwedischen Herrschaft entziehen. Die weitreichenden Pläne, die der Große Kurfürst mit diesem Ziel verbunden hatte, waren zu diesem Zeitpunkt allerdings seit langem obsolet geworden: Preußen hatte sich in der Zwischenzeit längst zu einer Binnenmacht entwickelt.

Lit.: F. Dickmann: Der Westfälische Frieden, Münster 51985. – O. Hintze: Die Hohenzollern und ihr Werk, Berlin 1915. – H. Langer: 1648, der Westfälische Frieden: Pax Europaea und Neuordnung des Reiches, Berlin 1994. – A. Reese: Pax sit Christiana. Die westfälischen Friedensverhandlungen als europäisches Ereignis, Düsseldorf 1988. – H.-J. Schoeps: Preußen. Geschichte eines Staates, Frankfurt a.M./Berlin 1992, v.a. S. 30 ff. – K. Zernack: Schweden als europäische Großmacht der frühen Neuzeit, in: HZ 232 (1981), S. 327 ff.

Bild: Triumph des Osnabrücker und Nürnberger Friedens, allegorische Darstellung des Religionsfriedens, 1649 / Quelle: Gemeinfrei, ttps://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=497587

Ina Ebert