Ereignis vom 1. Januar 1489

Übernahme der Grenzburg und Grundherrschaft Törzburg durch Kronstadt

Schloss Bran

Auf nördlicher, siebenbürgischer Seite der Paßstraße durch das Bucegigebirge in die Donautiefebene erhebt sich noch heute auf dem Dietrichstein die gut erhaltene Schlossanlage Törzburg, die über vierhundert Jahre lang – mit wenigen kurzen Unterbrechungen von 1498 bis 1919 – in der Pflegschaft der von ihr geschirmten Stadt Kronstadt (Brassó, Braşov) gestanden hat. Die Geschichte der Törzburg ist mit der siebenbürgischen hospites-Stadt eng verbunden.

Entlang dem inneren südöstlichen Karpatenbogen, nahe den seit alters bekannten Paßhöhen, ließen die ungarischen Könige im 13. und 14. Jahrhundert Grenzburgen errichten, die zunächst nur Wehrfunktion hatten. An einigen von ihnen richtete die Krone bald auch Mautstellen ein. Als Erbauer und Betreiber zog der König in unmittelbarer Nähe lebende Siedlergemeinschaften heran und setzte einen adeligen Vogt als ›Kastellan‹ ein. König Andreas II. vertraute zwischen 1211 und 1225 dem Deutschen Orden den Grenzburgenbau in dieser Gegend, im Burzenland, an. Damals entstanden in rascher Folge fünf Ordensburgen an den Grenzen zum Kumanenland. Die Deutschenburg (sl. Hrodgrad, rum. Rucăr) der Ordensritter – an diesem Paßübergang, aber weiter südlich gelegen – kann als Vorläufer der Törzburg gelten. Nach dem zerstörerischen Mongoleneinfall im Jahr 1241 berief Béla IV. die Johanniter mit ähnlichen Aufgaben in das Severiner Banat. Zwischen diesen beiden Grenzabschnitten fielen den hospites und weiter östlich den Szeklern Verteidigungspflichten zu. Westlich des Burzenlands lagen im Kammbereich der Südkarpaten die Landskrone, der Rote Turm u.a. Befestigungsbauten: Die Burgen Deva, Logos, Krassófő/Carasova, Miháld/Mehadia, Sebes, Illyéd/Iladia, Severin, Orsova u.a. setzten die Ver¬tei-digungskette bis ans Donauknie fort.

Um 1370 nahm König Ludwig I. aus dem Hause Anjou die Verbesserung der Grenzsicherung im Südosten seines Reiches wieder energisch auf. Der Bau der Burg Landskrone wurde in diesem Jahr den Hermannstädtern aufgetragen und 1377 den Kronstädtern die Errichtung einer neuen Befestigung an der Paßstraße nach Süden, und zwar aus eigenen Mitteln: das castrum de Therch (Thersz, ung. Törcz), die Törzburg, entstand kurz darauf. Die Könige bestellten den Vogt und statteten die Burg mit einem Domänengut für den Unterhalt der Mannschaft aus. Dazu gehörten einige rumänische und ungarische Dörfer in der Umgebung – Tohan und Zărneşti, Apáca/Apaţa, Krebsbach/Crizbav und Terch/Törcs/Bran wie die sog. Siebendörfer (Baachfalva/Baciu, Langendorf/Hosszufalu/Satulung, Pürkerec/ Pur¬căreni, Tatrang¬/Dominicusfalva/Tărlungeni, Türkeschdorf/ Türkös/-Turcheş, Villa Michaelis/Csernátfalu/Cernatu, Zaisendorf/Zajzon/¬Zizin),¬ von denen einige um die Mitte des Jahrhunderts zum Grundbesitz des Kronstädter Grafen Jakob [Som¬bori] gehörten. Diese Form der Bewirtschaftung scheint wenig effizient gewesen zu sein, denn schon 1395 werden Tohan und Zărneşti von der Domäne der Törzburg abgetrennt und dem Pleban von Kronstadt verliehen, der aus dem Ertrag eine jährliche Abgabe an den Vogt zu leisten hatte. Die Grenzburgen blieben zwar – wohl auch nach der Erfahrung mit dem Deutschen Orden – den vom König berufenen Vögten unterstellt, doch in ihre Fähigkeit zum Wirtschaften setzte er offensichtlich wenig Vertrauen. Denn für Instandhaltung, Bestückung und für die Verpflegung der Besatzung hatten immer wieder die deutschen Siedler zu sorgen.

Für die Krone war der Burgenbau ebenso wichtig geworden wie für die deutschen hospites- und die ungarischen Szeklersiedlungen in Grenznähe. Auf die durchziehenden Völker aus dem Süden und dem Osten, die Mongoleneinfälle (1241, 1285 u.a.) waren seit dem frühen 14. Jahrhundert Nachbarreiche mit festen Grenzen gefolgt – die beiden rumänischen Fürstentümer Walachei und Moldau außerhalb des Karpatenbogens. Zudem zeichnete sich an der unteren Donau als neue Bedrohung die osmanische Militärmacht ab. 1395 erfolgte der erste von zahlreichen türkischen Beutezügen in das Burzenland und nach Südsiebenbürgen, ohne daß die Besatzung auf der Törzburg die Verheerung von Kronstädter Vororten hätte verhindern können. Rumänische Fürsten sahen sich als den Türken tributpflichtig gezwungen, an diesen Raubzügen teilzunehmen, so 1432 Alexandru Aldea, 1479 Basarab d.J. Tepeluş. In Friedenszeiten aber wurde der Handel der siebenbürgischen Kaufleute nach Süd und Ost durch die rumänischen Fürsten gefördert, die im 14. und 15. Jahrhundert auch Lehnsträger der ungarischen Krone waren. Am Törzburger und am Rotenturm-Paß waren die wichtigsten Mautstationen des Transithandels nach der Walachei, Byzanz und dem Osmanischen Reich bzw. nach Ofen und Wien untergebracht. Die Einnahmen aus dem Zoll waren nicht unerheblich, ebenso aber auch die Unregelmäßigkeiten, die die Kronstädter und die walachischen Händler und Fürsten während des ganzen 15. Jahrhunderts nicht müde wurden zu beklagen. Besonders im Umland der Törzburg waren Überfälle und Plünderungen seitens der Burgmannschaft wie der Vögte üblich  geworden, deren die Krone nicht Herr werden konnte. Schließlich wurde gerade der Törzburger Paß wegen allgemeiner Unsicherheit gemieden, die Einnahmen aus dem Zoll schwanden.

Die Stadt Kronstadt war von den ungarischen Königen Sigismund v. Luxemburg, Matthias I. Corvinus und Wladyslaw II. wiederholt zu Leistungen für die königliche Törzburg befohlen worden – Verproviantierung und Verstärkung der Burgbesatzung, Reparaturarbeiten, Waffenlieferungen. Das kann man in Urkunden von 1428, 1460, 1462, 1476, 1479 nachlesen. Dafür erhielten die Kronstädter und der Burzenländer freie Dörferverband immer wieder die Zollfreiheit an diesem Paß verbrieft. Daß dieses Recht von manchen Vögten nicht anerkennt wurde, zeigen häufige Bestätigungsurkunden für Kronstadt, beispielsweise von 1428, 1467 und 1468. Es erstaunt daher nicht, daß die Krone, wohl auch auf Betreiben der Kronstädter, seit 1486 plante, die Törzburg und ihre Sicherung ganz in die Hände des Rates dieser Stadt zu legen: 1498 wurde die Törzburg mit ihren Donänialgütern und ihren Nutzungsrechten wie den Zolleinnahmen gegen eine Zahlung von 1.000 Gulden vom König für zehn Jahre an Kronstadt verpfändet. Befestigung und Bewachung der Burganlage waren für den Stadtrat verpflichtend. 1508 stieg die „Inskriptionssumme“ auf 6.500 Gulden, die Pacht auf 25 Jahre, und die Stadt durfte dieses Pfand auch manu militari gegen jedermann verteidigen. 1513 wurde Kronstadt der Pfandbesitz an der Törzburg bestätigt. Doch setzten sich immer wieder einzelne Fürsten über dieses Anrecht Kronstadts hinweg und vergaben die Törz¬burg mit ihren Einnahmen kurzzeitig an einzelne ihrer Parteigänger. Schließlich legte Fürst Georg I. Rákóczi 1652 in einer Schenkungsurkunde für die Domäne von Törzburg an die Stadt Kron¬stadt deren damit verbundene militärische und bau-technische Verpflichtungen fest. Dieses wird in der Gesetzessammlung des Fürstentums Siebenbürgen von 1653, den Approbaten, als Kronstädter Rechtsanspruch auf die Törzburg gegen Zahlung von 12.000 Gulden jährlich in die Schatulle des Landesfürsten, unter Titel 82, Art. 1 festgehalten.

Für besondere Schäden kam Kronstadt auf, als beispielsweise 1593 der wohlgefüllte Pulverturm in die Luft flog oder als 1617 durch Blitzschlag weite Teile des Schlosses niederbrannten. 1878 verursachte im Russisch-türkischen Krieg österreichisch-ungarisches Militär in Sicherungsabsicht bedeutende Schäden an der Burg, die bis 1888 von den Kronstädtern wieder behoben wurden. Damals kam die Törzburg in den Verwaltungsbereich des Forstamtes. Mit dem Bau einer modernen Straße und der Eisenbahnlinie über den Predealpaß, östlich der Törzburg, ging gegen Ende des letzten Jahrhunderts die Bedeutung dieser alten Maut- und Paßstraße zurück.

Nach dem Ersten Weltkrieg trennten die Kronstädter sich von der mittelalterlichen Burg auf dem Dietrichstein, indem sie sie 1919 Königin Maria von Rumänien, ihrer neuen Souveränin, schenkten. Die Grenz- und Mautbauten, die heute noch zu er-kennen sind, waren obsolet geworden. Die Schloßanlage Törzburg in reizvoller Hochgebirgslandschaft wurde vom königlichen Hofarchitekten Karel Limat renoviert und zu einem der Sommersitze der Hohenzollern-Sigmaringen, zuletzt der Prinzessin Ileana, vereh. Anton von Habsburg, und ihrer Familie gestaltet. Heute befindet sich ein Museum in der Törzburg. Filme- und Tourismuswerbung statteten in den letzten zwanzig Jahren die prächtige mittelalterliche Anlage der Törzburg, ›Castelul Bran‹, mit einer gängigen, freiem Fabulieren allen Raum lassenden Legende aus – hier solle es spuken, hier habe der Vampir Dracula gehaust. Natürlich werden jetzt unter der Burg auch Dracula-Souvenirs angeboten.

Quellen: Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen. Begr. v. Franz Zimmermann. Bd. 4, Hermannstadt 1937; Bd. 5 (1975), Bd. 6 (1981), Bd. 7 (1991), Bukarest.

Lit.: Jekelius, Erich (Hrsg.): Das Burzenland. Bd. 4. Kronstadt 1929, S. 87-96. – Gündisch, Gustav: Aus Geschichte und Kultur der Siebenbürger Sachsen. Köln, Wien 1987. – Gündisch, Konrad G.: Das Patriziat siebenbürgischer Städte im Mittelalter. Köln, Weimar, Wien 1993.

Bild: Schloss Bran / Quelle: By Vislupus – Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=72806481

Krista Zach