Ereignis vom 1. Januar 1648

Westfälischer Frieden und die Religionsfreiheit in Schlesien

Der Friedensvertrag von Osnabrück

Der Westfälische Frieden von 1648 sicherte – in Art. V des Osnabrücker Vertrages (IPO) – für das Gebiet des Alten Reichs weitgehend die Gleichstellung der beiden christlichen Konfessionen. Hiervon ausgenommen waren jedoch, neben den anderen österreichischen Erblanden, weite Teile Schlesiens: Lediglich den Herzögen von Brieg, Liegnitz und Münsterberg-Oels mit ihren jeweiligen Untertanen sowie der Stadt Breslau wurde die freie Ausübung ihrer (protestantischen) Religion garantiert (Art. V, § 38 IPO). Hinsichtlich der schlesischen Protestanten in den Erblanden beschränkte man sich dagegen auf eine Aufhebung des Emigrationszwangs, die Gewährung freier Religionsausübung im Ausland und die Erlaubnis, auf eigene Kosten vor den Toren der Städte Schweidnitz, Jauer und Glo-gau drei (wegen ihrer Veranke¬rung im Westfälischen Frieden) sogenannte Friedenskirchen für Angehörige der Augsburgi-schen Konfession zu errichten (Art. V, §§ 39 f. IPO). Ursächlich für diese Regelungen, die für die schlesischen Protestanten kaum eine Verbesserung zu den Bestimmungen des Prager Friedens von 1635 bedeuteten, waren die seit spätestens 1626 in Schlesien zunehmend erfolgreichen gegenreformatorischen Bestrebungen, die lange vor 1648 jegliche politische Widerstandskraft der protestantisch-schlesischen Fürstenhäuser gebrochen hatten. Immerhin gingen die den Schlesiern gewährten Privilegien, dank der massiven Intervention Schwedens und der Unterstützung der benachbarten evangelischen Kurfürsten, vor allem Brandenburgs und Sachsens, aber noch deutlich über die entsprechenden Rechte der Protestanten in den anderen Erblanden hinaus, für die der Westfälische Frieden keinerlei besondere Garantien vorsah.

Obwohl die schlesischen Protestanten sich nach 1648 umgehend um die Realisierung der ihnen im Westfälischen Frieden zugestandenen Rechte bemühten, insbesondere trotz verheerend schlechter wirtschaftlicher Lage den Bau der Friedenskirchen vorantrieben und ab 1651 durch Kirchenvisitationen die protestantisch-kirchliche Rechtsordnung zu festigen suchten, begann in Schlesien schon bald ein intensiver, von den Habsburgern geförderter Rekatholisierungsprozeß, der durch das Aussterben der Piasten 1675 – des ältesten und angesehensten schlesischen Fürstengeschlechts – noch beschleunigt wurde. Diese österreichische „Politik der Nadelstiche“ gegen die schlesischen Protestanten, die auf eine systematische Aushöhlung der diesen in Art. V IPO zugestandenen Vorrechte zielte, konnte auch durch den Protest der Schutzmächte über Jahrzehnte hinweg nicht gestoppt werden. Vielmehr gelang es innerhalb von 30 Jahren den Katholiken in Schlesien nicht nur, den Protestanten 109 von 241 Kirchen zu entfremden, sondern auch weitgehend das Schul- und Vormundschaftswesen unter ihre Kontrolle zu bekommen. Äußere Zeichen dieses Wiederaufblühens des katholischen Glaubens in Schlesien waren etwa die Gründung der Jesuitenhochschule in Breslau 1702 und der Liegnitzer Ritterakademie 1708. Noch schlechter als den Lutheranern erging es den Reformierten und Pietisten, die von den Schutzbestimmungen des Westfälischen Friedens nicht erfasst wurden, weshalb einigen Gemeinden nur die Flucht ins Ausland blieb. Einen gewissen Rückhalt fanden die schlesischen Protestanten jedoch in den protestantisch gebliebenen Fürstentümern, die zudem nach dem polnisch-schwedischen Krieg (1655-60) auch eine Zufluchtsinsel für Glaubensflüchtlinge aus Polen bildeten. Außerdem erleichterten sogenannte Grenzkirchen, die vornehmlich in Brandenburg und der Lausitz in den an Schlesien angrenzenden Gebieten errichtet wurden, den schlesischen Protestanten ihre Religionsausübung.

Eine deutliche Verbesserung der Situation der evangelischen Schlesier bewirkte die Altranstädter Konvention vom 1.9.1707 (umgesetzt und ergänzt durch 1709 in Breslau getroffene Vereinbarungen), mit der der schwedische König Karl XII. seinen schlesischen Glaubensbrüdern wieder die Rechtsposition verschaffte, die ihnen der Westfälische Frieden zugestanden hatte. Wichtigstes Ergebnis dieser Übereinkunft war die Rückgabe zahlreicher den Protestanten nach 1648 widerrechtlich entzogener Kirchen sowie die Erlaubnis zum Bau von sechs sogenannten Gnadenkirchen in den Erbfürstentümern (in Hirsch-berg, Landeshut, Freystadt, Sagan, Militsch und Teschen). Die habsburgischen Übergriffe gegen die Rechte der protestantischen Bevölkerung Schlesiens fanden damit allerdings noch lange kein Ende, sondern steigerten sich nach dem Regierungsantritt Kaiser Karls VI. 1711 eher noch. Erst 20 Jahre später führte dann die Erkenntnis, daß sich die ohnehin unzeitgemäße Diskriminierung der Protestanten wegen der daraus folgenden nicht unerheblichen Abwanderung dieser in andere Gebiete, nachteilig auf die wirtschaftliche Lage Schlesiens auswirkte, zu einer gewissen Milderung des Konflikts. Trotz dieser Einschränkungen festigte die Altranstädter Konvention aber doch die im Hinblick auf die freie Religionsausübung bevorzugte Stellung Schlesiens gegenüber den übrigen Erblanden. Zu einem vollständigen konfessionellen Ausgleich kam es dann jedoch erst im Rahmen der Prussifizierung Schlesiens im Nachgang zu den Schlesischen Kriegen im Anschluss an den Tod Kaiser Karls VI. 1740.

Lit.: E. Birke: Schlesien, in: Geschichte der deutschen Länder – „Territorien-Ploetz“ I, hrsg. von G.W. Sante, Würzburg 1964, v.a. S. 602 ff. – N. Conrads: Die Durchführung der Altranstädter Konvention in Schlesien 1707-1709, Köln 1971. – G. Grundmann: Der evangelische Kirchenbau in Schlesien, Frankfurt a.M. 1971. – L. Petry/J.J. Menzel: Geschichte Schlesiens II (1526-1740), Sigmaringen 21988.

Bild: Der Friedensvertrag von Osnabrück, Ausfertigung von 1649 für den Kurfürsten Maximilian I. von Bayern. Siegel der kaiserlichen und der schwedischen Gesandten sowie des Mainzer Gesandten. München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Kurbayern Urk. 1698 / Quelle: Von parties of the Peace of Westphalia – 2d copy, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=48540806

Ina Ebert