Biographie

Liszt, Franz

Herkunft: Donaugebiet
Beruf: Klaviervirtuose, Komponist
* 22. Oktober 1811 in Raiding/Burgenland
† 31. Juli 1886 in Bayreuth

Im Goethe-Museum in Weimar ist das bekannte Liszt-Bild von A. Scheffer ausgestellt, und der in Raiding bei Ödenburg geborene Künstler hat in der „Hauptstadt der deutschen Klassik“ lange Zeit gelebt und gewirkt. Ebenso wie Nikolaus Lenau, dessen „Faust“-Dichtung Liszt faszinierte (seinem Mephisto-Walzer liegt eine Szene aus Lenaus Dichtung zugrunde), hat sich Liszt zu seiner Geburtsheimat Ungarn bekannt, die ungarische Sprache aber nie gesprochen und in Europa eher ein Zuhause gefunden als in Budapest. Seine 15 „Ungarischen Rhapsodien“ sind gleichwohl ein beredtes Zeugnis der Verbundenheit mit dem Land, dem auch Lenau seine vielbeachteten Verse gewidmet hat; daß Liszt dabei nicht, wie er annahm, alte Volksmusik der ungarischen Zigeuner zum Ausgangspunkt nahm, sondern Kaffeehausmusik, ändert an seiner Absicht nichts, den Geist der temperamentvollen Pußtabewohner in Töne zu fassen.

Von Busoni stammt der Ausspruch: „Bach ist der Grund des Klavierspiels; Liszt ist die Spitze.“ Es ist bekannt, daß im Jahre 1831 bei einem Aufeinandertreffen der renommiertesten Klaviervirtuosen der Zeit, Franz Liszt und Sigismund Thalheim, Liszt der Sieg zugesprochen wurde. Als Pianist hatte er in seiner Zeit keinen ebenbürtigen Konkurrenten. Als Komponist war – und zum Teil bleibt – Franz Liszt umstritten; während ihn die einen bewundern und verehren, finden andere seine Musik salonhaft, unecht, allzu auf Effekt bedacht. Fest steht, daß Liszt unaufhörlich versuchte, Neues zu entdecken, daß er nicht die ausgetretenen Bahnen wählte. „Seine Phantasie entzündet sich an einem knappen, äußerst plastischen Motiv oder, besser gesagt, einer Formel (in extremen Fällen kann es sogar nur ein Intervall oder ein Rhythmus sein), die aber im Moment des Entstehens schon einer bestimmten Klangvorstellung zugeordnet und sofort verarbeitet wird. Das ist kein Bauen im klassischen Sinn, kein Formen und Abwägen der Proportionen, sondern ein quasi improvisatorisches Gestalten aus der Fülle innerer Vorstellungen“ (Klaus Wolters). Liszts Vater war Amtmann der Schäferei des Fürsten Esterházy in Raiding, sein Großvater war Organist in Pottendorf gewesen; die Familie seiner Mutter stammte aus Krems. Den ersten Klavierunterricht erhielt Franz Liszt von seinem Vater. 1822 übersiedelt die Familie nach Wien, wo Carl Czerny (Klavier) und Antonio Salieri (Komposition) das Wunderkind betreuen, das schon mit acht Jahren eigene Kompositionen vorgetragen hatte. 1823 wird Liszt beim Pariser Konservatorium abgewiesen, unternimmt anschließend lange und erfolgreiche Konzertreisen durch Frankreich und England. Als 1827 sein Vater stirbt, muß er für den Unterhalt der Familie sorgen. In ganz Europa ist sein Namen bekannt, seine Konzertreisen bringen ihn überall zu Ansehen. 1834 flieht er mit der Gräfin Marie d‘Agoult, die unter dem Pseudonym Daniel Stern als Schriftstellerin hervorgetreten war. Von den drei Töchtern wird die 1837 geborene Cosima am bekanntesten (als Gattin Richard Wagners). Liszt, der sich sehr gründlich mit zeitgenössischer französischer Literatur beschäftigt hatte (Victor Hugo, Lamartine), widmet sich jetzt Bearbeitungen von Schubert (der durch diese Klavierparaphrasen einem breiteren Publikum bekannt wird), Beethoven, Bach. Heinrich Heine konstatiert in den dreißiger Jahren eine europäische „Lisztomanie“. 1842 lädt der Großherzog Carl Friedrich von Sachsen-Weimar Liszt an seinen Hof. 1844 dirigiert Liszt hier Beethoven. Etwas später lernt er in Kiew die Fürstin Caroline von Sayn-Wittgenstein kennen. Sie veranlaßt ihn, sich fast ausschließlich dem Komponieren zu widmen. In den Jahren 1849-1858 dirigiert Liszt als Hofkapellmeister in Weimar Konzerte und Opern. Als wichtiger Vertreter der neudeutschen Schule sammelt er Schüler um sich (Hans von Bülow, Carl Tausig). Nachdem die Aufführung der Cornelius-Oper „Der Barbier von Bagdad“ in Weimar ausgezischt wurde, nachdem die Fürstin von Sayn-Wittgenstein ihn 1860 verlassen hatte, zieht Liszt nach Rom, wo er sich der geistlichen Musik widmet und 1865 die niederen Weihen empfängt (Abbé Liszt). 1859 war der Künstler als Ritter von L. in den österreichischen Adelsstand erhoben worden. Rom, Weimar und Budapest sind die hauptsächlichsten Aufenthaltsorte der letzten Jahre. Sie bringen ihm die Versöhnung mit Richard Wagner. 1876 und 1882 (bei der „Parsifal“-Aufführung) ist Liszt in Bayreuth. Nach einer Englandreise hält er sich auch 1886 in Bayreuth auf, wo er am 31. Juli stirbt.

Liszts kompositorisches Werk umfaßt Sinfonische Dichtungen (Tasso, 1849, 1854; Les préludes, 1848, 1854; Prometheus, 1850, 1855; Mazeppa, 1851; Heldenklage, 1850, 1854; Hungaria, 1854; Hamlet, 1858; Die Ideale, 1857); Sinfonien (Faust, 1854, 1857; Dante, 1855, 1856), Kammermusik, Messen, Psalmen, Kantaten, Oratorien (Die Legende von der heiligen Elisabeth 1865; Christus, 1862). Von herausragender Bedeutung sind die Klavierwerke (Klavierkonzert in Es- und A-Dur), die brillante „Spanische Rhapsodie“ (1867) und die „Ungarischen Rhapsodien“ (1851-1854). Die temperament- und glanzvolle Spielmusik Liszts soll um 1850 ihren Höhepunkt erreicht haben. Das Spätwerk soll dagegen weniger Schöpfungen von Eigenwert umfassen. Erwähnung verdienen in diesem überreichen Œuvre, das in sechzig Schaffensjahren entstand, die musiktheoretischen Schriften der Weimarer Jahre, die Bekanntmachung bedeutender Komponisten durch Liszts Vermittlung (Bearbeitungen von Wagner- und Verdi-Opern fürs Klavier, Bachbearbeitungen für romanische Länder), die enge Verbindung zwischen Poesie und Musik, wie sie in Liszts Gesamtwerk zu erkennen ist.

Werke: Gesamtausgabe 1907-1936; Neuausgabe seit 1970; Gesammelte Schriften 1880-1893 (6 Bde.); Briefe 1893-1905 (8 Bde.).

Lit.: Allg. Deutsche Biographie (ADB), 1875ff., Bd. 52; Neue Deutsche Biographie (NDB), 1985, Bd. 14; J. Kopp: F.L., 1909; J. Chantavoine: F.L., 1931 (2 Bde., Werkverzeichnis),21968; Z. Gardonyi: Die ungarischen Stileigentümlichkeiten in den musikalischen Werken F.L.s, 1931; Z. v. Harsányi: Ungarische Rhapsodien, 1936 (dt.),21955; H. Searle: The music of L., 1954,21966; B. Szabolcsi: F.L. an seinem Lebensabend, 1959; J.B. Klingohr: Zur Herkunft F.L.s, in: Genealogie, 7, 1964/1965, S. 422/428; K. Wolters: Handbuch der Klavierliteratur, 1967, 21977, S. 361/378.