Biographie

Wilhelm I.

Beruf: Deutscher Kaiser, König von Preußen
* 22. März 1797 in Berlin
† 9. März 1888 in Berlin

König Wilhelm I. von Preußen war seit dem 18. Januar 1871 der erste „Deutsche Kaiser“. Wilhelm I., der mit fast 91 Jahren das höchste Lebensalter aller Regenten aus dem Haus Hohenzollern erreichte und unendlich viel erlebte, war – niemand erkannte das besser als er selbst – kein genialer Herrscher. Aber nach den drei großen Hohenzollern, dem Großen Kurfürsten, Friedrich Wilhelm I. und Friedrich dem Großen, wird man seinen Namen nennen müssen, wenn man von den Hohenzollern spricht, die Preußen und Deutschland geprägt haben. Er ist derjenige Hohenzoller, der im deutschen Volk am meisten geliebt und herzlich verehrt wurde.

Wilhelm war der zweite Sohn des nachmaligen Königs Friedrich Wilhelm III. und der Königin Luise aus dem Haus Mecklenburg-Strelitz. Seine Kindheit wurde durch die Flucht nach Königsberg und Memel 1806 überschattet. Am 1. Januar 1807 wurde Prinz Wilhelm in Memel, am äußersten Ende Preußens, in das Gardebataillon des vernichtend geschlagenen preußischen Heeres eingestellt.

Während der Märzrevolution in Berlin 1848 war Prinz Wilhelm als „Kartätschenprinz“ derart verhaßt, daß er für zwei Monate ins Londoner Exil gehen mußte. Noch Ende 1848 wurde der Prinz in Wirsitz (Provinz Posen) in die preußische Nationalversammlung gewählt und nahm das Mandat war.

1857 trat der Sechzigjährige an die Spitze Preußens, zunächst als Stellvertreter des erkrankten Bruders, dann als Regent und nach dessen Tod am 2. Januar 1861 als König. Am 18. Oktober 1861 setzte er sich in der Schloßkirche zu Königsberg in Preußen selbst die Krone aufs Haupt. Neben der Krönung vom 18. Januar 1701 ist dies die einzige preußische Königskrönung und die letzte Krönung, die in Deutschland stattgefunden hat. Von 1857 bis zur Berufung Otto von Bismarcks zum preußischen Ministerpräsidenten am 22. September 1862 hat der König versucht, liberalen Wünschen entgegenzukommen. 1862 kam es zum offenen Konflikt zwischen Krone und Parlament, weil der Landtag die von Wilhelm I. persönlich geforderte Heeresreform ablehnte. Der König zog eine mögliche Abdankung zugunsten des Kronprinzen in Erwägung. Nur Bismarck war bereit, ohne Budget gegen die Parlamentsmehrheit zu regieren und die Heeresreform einschließlich der dreijährigen Dienstzeit zu verwirklichen.

Die Berufung Bismarcks war das entscheidende Datum in der Regierungszeit Wilhelms I., denn hinfort bestimmte dieser Mann den Gang der Politik. Er wurde in der Zusammenarbeit mit Bismarck, in der beide Seiten Konflikten nicht aus dem Wege gingen, vor völlig neue Probleme gestellt. Gerade im Greisenalter leistete Wilhelm I. das Größte, indem er mit Bismarck zusammenarbeitete, ohne sich dessen Führung blind anzuvertrauen. Wilhelm I. blieb immer der König, der überzeugt sein wollte. Die Last der Taten hat er durchaus mitgetragen, und so ist die Zeit Bismarcks – in einem eingeschränkten Sinne – doch auch seine Zeit. Im Krieg war der König 1866 und 1870/71 nicht nur der nominell Oberkommandierende, sondern beriet mit großem Sachverstand alle Entscheidungen mit und gab den letztgültigen Ausschlag. In den Schlachten scheute er wie seine Vorväter das Feuer nicht und ermunterte die Soldaten durch seine Anwesenheit und seinen Zuspruch. Nach dem Sieg mahnte er die Feldprediger: „Wenn Sie heimkommen, predigen Sie Demut.“ Nur mit schweren Bedenken stimmte Wilhelm I. der Annexion Hannovers, Kurhessens und Nassaus 1866 zu. Im neuen Norddeutschen Bund übernahm er das Amt des Bundespräsidenten.

Zur Kaiserproklamation vom 18. Januar 1871 mit dem Hoch auf Kaiser Wilhelm, ausgebracht von seinem badischen Schwiegersohn, gehört der 18. Dezember 1870. Wilhelm I. empfing in Versailles die Kaiserdeputation des demokratisch gewählten Norddeutschen Reichstags unter Eduard von Simson. Bundespräsident Richard von Weizsäcker sagt dazu: 1849 „hatte der Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. das von demselben Eduard von Simson als Präsidenten der Frankfurter Nationalversammlung überbrachte Angebot der Kaiserwürde ausgeschlagen und die Hoffnungen auf eine Einigung Deutschlands sinken lassen. Das im Dezember 1870 wiederholte, diesmal erfolgreiche Angebot durch denselben Parlamentspräsidenten bezeugt, daß die Reichsgründung nicht allein nur ein Fürstenwerk ,von oben‘ war, sondern daß auch eine nach allgemeinem Wahlrecht gewählte Volksvertretung ,von unten‘ mit Überzeugung an diesem entscheidenden Ereignis mitgewirkt hat.“ Wilhelm I. hat das Kaiserreich als den ersten Großstaat mit einem freiheitlich-demokratischen Wahlrecht und das erste Land der Welt mit einer vorbildlichen Sozialgesetzgebung mitgeprägt. Die Deutschen erfreuten sich bei wachsendem Wohlstand einer für die damalige Zeit denkbar großen Freiheit und völligen Rechtssicherheit. Aus christlicher und preußischer Verantwortung bemühte sich der Monarch um die Sozialgesetzgebung für alte und kranke Arbeiter sowie deren Witwen und Waisen. Vier meist von Anarchisten verursachte Attentate mußte der Kaiser erdulden. Wie alle preußischen Könige, mit Ausnahme Friedrichs des Großen, war Wilhelm I. tief im christlichen Glauben verwurzelt. Wilhelm I. war darin groß, daß er Große ohne Neid, bei dankbarer Anerkennung ihrer Fähigkeiten, in seine Nähe zog und mit ihnen unermüdlich arbeitete, ohne sich kampflos deren Ansichten zu beugen. Er verkörperte die besten Seiten des Preußentums. Für das junge Deutsche Reich, dessen prägende Kraft uns noch heute beeinflußt, war der Kaiser entscheidend wichtig, strahlte er doch eine integrierende Wirkung aus und wurde aufrichtig geliebt.

Werke: Kaiser Wilhelms des Großen Briefe, Reden und Schriften. Hrsg. E. Berner, 2 Bde., Berlin 1906; Kaiser Wilhelms I. Weimarer Briefe. Hrsg. J. Schultze, 2 Bde., Berlin und Leipzig 1924; Jugendbekenntnisse des alten Kaisers. Briefe Kaiser Wilhelms I. an Fürstin Luise Radziwill 1817-1829. Hrsg. K. Jagow, Leipzig (1929); Kaiser Wilhelms I. Briefe an Politiker und Staatsmänner. Hrsg. J. Schultze, Berlin und Leipzig 1930.

Lit.: Karl Heinz Bornen Kaiser Wilhelm I.1797 bis 1888. Deutscher Kaiser und König von Preußen. Berlin (Ost) und Köln 1984; Franz Herre: Kaiser Wilhelm I. Der letzte Preuße. München 1980; Kurt Jagow: Wilhelm und Elisa. Die Jugendliebe des alten Kaisers. Leipzig 1930; Erich Marcks: Kaiser Wilhelm I. 9. Auflage. Leipzig 1943.