Vortrag von Prof. Dr. Stefan Samerski, München/Potsdam
Eine Veranstaltung der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen
in Kooperation mit dem Stadtmuseum Bonn
10. März 2014, 19.00 Uhr,
Stadtmuseum Bonn, Franziskanerstr. 9, 53113 Bonn
Bis heute ist er unvergessen, der vor genau 50 Jahren, am 5. März 1964, in Düsseldorf verstorbene Danziger Bischof Dr. Carl Maria Splett. Aus Anlass des Todestages veranstaltete die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen in Kooperation mit dem Stadtmuseum Bonn einen Abend, an dem der in München und Potsdam lehrende Kirchenhistoriker Prof. Dr. Stefan Samerski über Splett als „Schwer geprüften Mittler zwischen Deutschen und Polen“ referierte.
Carl Maria von Splett, 1898 in Zoppot/Westpreußen geboren, hatte im Jahr 1938 mit der Nachfolge des Danziger Bischofs O’Rourke ein schweres Erbe angetreten, verschärften sich damals doch die politischen Spannungen in Danzig sowie zwischen dem Deutschen Reich und Polen, wovon die ausnahmslos der katholischen Kirche angehörende polnische Minderheit in Danzig in besonderem Maße betroffen war. Mit der Einbeziehung des Gebiets der Freien Stadt Danzig in das Deutsche Reich zu Kriegsbeginn kam es zu massiver Verfolgung der Kirche und insbesondere der polnisch-sprachigen Danziger, was in der Ermordung von sieben der zwölf polnischen und von vier deutschen Priestern der Diözese gipfelte. Als Apostolischer Administrator hatte sich Splett nun zudem um die Diözese Kulm zu kümmern, nachdem dort die kirchliche Verwaltung gänzlich zusammengebrochen war.
Nach der Einnahme Danzigs durch die Rote Armee 1945 bemühte sich Splett um den Wiederaufbau einer geordneten geistlichen Verwaltung in beiden Diözesen, doch wurde er auf Veranlassung des polnischen Justizministeriums bald verhaftet und in einem Schauprozess wegen Kollaboration mit dem nationalsozialistischen Regime und Unterdrückung des polnischen Volkes zu acht Jahren Zuchthaushaft verurteilt. Insbesondere das seitens der deutschen Behörden erzwungene und schließlich von Splett verkündete, wenngleich selbst von ihm bisweilen ignorierte Verbot der polnisch-sprachigen Seelsorge wurde ihm zur Last gelegt. Der von schweren Misshandlungen geprägten Haft folgte eine dreijährige Internierung, bis er Ende 1956 in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen konnte. Fortan war Splett, der nie auf seinen Danziger Bischofsstuhl verzichtete, unermüdlich für die vertriebenen Danziger Katholiken tätig, wirkte er dabei ohne Hass als Versöhner von Deutschen und Polen, bevor er, erst 66jährig, in Düsseldorf einem Herzleiden erlag.
Leben und Wirken Carl Maria Spletts entbehren nicht einer gewissen Tragik. Galt er den vertriebenen Danzigern in der Bundesrepublik als Bekennerbischof, so wurde er im sozialistischen Polen als Handlanger der deutschen Besatzer diskreditiert. Seine völlige Rehabilitation steht immer noch aus, doch hat sich die Sicht auf das Leben Spletts in jüngerer Zeit auch in Polen stark gewandelt, bis hin zu offizieller Bekundung der Wertschätzung seiner Person. Prof. Dr. Stefan Samerski zeigte diese neuere Sicht als ausgewiesener Kenner der kirchlichen Zeitgeschichte auf der Grundlage eigener Forschungen auf.
Dem Vortrag schloss sich eine rege Diskussion des auffallend fachkundigen und engagierten Publikums an.