Jubiläumsveranstaltung zum 40-jährigen Bestehen der Kulturstiftung

Ostdeutsches Kulturerbe als Auftrag

 

festakt15Den Begriff Festakt hatte die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen bei der Veranstaltung aus Anlass ihres 40-jährigen Bestehens wohlweislich vermieden, geht die die Existenz dieser wie auch der weiteren Vertriebeneneinrichtungen in der Bundesrepublik doch auf eine der größten Tragödien des 20. Jahrhunderts zurück. Zudem erscheint die Zukunft dieser Organisationen, einschließlich der Kulturstiftung, nicht wirklich gesichert. Gleichwohl galt es, mit berechtigtem Stolz auf das seit 1974 Geleistete zurückzublicken und Perspektiven für die Arbeit in der Zukunft aufzuzeigen.

festakt6Dass diese Arbeit hohe Wertschätzung genießt, zeigte bereits die fast übergroße Zahl der Gäste, die der Vorstandsvorsitzende Hans-Günter Parplies am 17. September im Bonner Universitäts-Club willkommen heißen konnte, unter Ihnen zahlreiche hochrangige Vertreter von Bund, Ländern, Kommune sowie konsularischem Korps, von Verbänden, Kirchen, der Wissenschaft und Partnerinstitutionen.

Bfestakt13egrüßen konnte Parplies auch Christine Czaja, Tochter des Gründers und langjährigen BdV-Präsidenten Dr. Herbert Czaja sowie zwei von dessen Enkelinnen, die für eine würdige musikalische Umrahmung der Veranstaltung sorgten. In den vergangenen Jahrzenten, so Parplies bei seiner Eröffnungsrede, habe die Stiftung bei der Pflege und Weiterentwicklung des ostdeutschen Kulturerbes die einschneidenden Veränderungen in Europa stets mit wachem Geist begleitet. Dieses Kulturerbe zu weiterhin pflegen, sich der eigenen kulturellen Identität zu vergewissern, sei zugleich wesentliche Voraussetzung für ein Gelingen des Dialogs der Deutschen mit ihren östlichen Nachbarn. Nicht zuletzt hierin bestehe die besondere Bedeutung der Kulturstiftung, deren Arbeit es in der Gegenwart effektiv zu gestalten und für die Zukunft nachhaltig zu sichern gelte.

festakt1Glückwünsche des Landes Baden-Württemberg überbrachte Dr. Christiane Meis, Ltd. Ministerialrätin im Stuttgarter Innenministerium, die auf die engen Verbindungen der Stiftung zu Baden-Württem­berg sowie seiner Landeshauptstadt verwies. Seit der Gründung dort durch Dr. Herbert Czaja, unter Mitwirkung des Staatssekretärs im Innenministerium Dr. Karl Mocker, habe die Kulturstiftung zahlreiche wissenschaftliche Veranstaltungen in Stuttgart durchgeführt, werde sie, auch in Zeiten knapper Haushaltsmittel, von der Landesregierung institutionell gefördert. Frau Dr. Meis hob hervor, dass die Kulturstiftung bei ihrer Arbeit die neuen Perspektiven nach dem Fall des Eisernen Vorhangs genutzt und sich modernen Medien bedient habe, wie das gemeinsam mit der Stiftung deutsche Kultur im östlichen Europa – OKR geschaffene „Kulturportal West-Ost“ zeige, eine Fundgrube für alle an den Schätzen des ostdeutschen Kulturerbes Interessierten.

festakt7Seitens der Stadt Bonn, des Sitzes der Geschäftsstelle der Stiftung, dankte der 1. Bürgermeister Limbach für die geleistete Arbeit in 40 Jahren, die der Bewahrung und Bewusstmachung des Kulturerbes der Heimatvertriebenen diene und damit kultureller Identität, die nicht Abgrenzung, sondern Gewinn für die gesamte Gesellschaft bedeute.

Dass die von der Kulturstiftung seit 40 Jahren geleistete Arbeit von unveränderter Gültigkeit sei, betonte auch der als Hauptredner fungierende Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB. Er überbrachte die Glückwünsche der Bundeskanzlerin Angela Merkel, die erst jüngst in ihrer Grundsatzrede zum Tag der Heimat in Berlin die Bedeutung des ostdeutschen Kulturerbes als Teil der kulturellen Identität in Deutschland und ganz Europa hervorgehoben hatte.

festakt10Koschyk zeichnete die Entwicklung der Stiftung nach, deren Gründung in deutschlandpolitisch bewegter Zeit dadurch motiviert war, dass die Kulturarbeit der Vertriebenenverbände aus den emotionalen Auseinandersetzungen um die Ostverträge herausgehalten werden sollte. Standen zunächst Dokumentationen und Veranstaltungen zum staats- und völkerrechtlichen Status der DDR und der Ostgebiete im Mittelpunkt, so dehnte der weitsichtige Gründervater Dr. Herbert Czaja die Arbeit bald auch auf geisteswissenschaftliche Disziplinen aus. Daneben schuf man bedeutende, bis heute wirksame Vorarbeiten für ein europäisches Minderheiten- und Volksgruppenrecht. Vor diesem Hintergrund nannte Koschyk die Entscheidung der Bundesregierung, im Jahre 2000 die institutionelle Förderung aus dem Bundeshaushalt ganz zu streichen, als nicht sachgerecht, und die Umgewichtung auf eine stärker projektbezogene Förderung, wie sie bis heute allgemein betrieben werde, als zu schnell und zu drastisch. Umso bemerkenswerter jedoch sei die Leistungsbilanz der Stiftung seit jener Krisenzeit. Zwar sei ein Wiederaufleben institutioneller Förderung allenfalls in einem schwierigen parlamentarischen Verfahren zu erreichen, doch ermunterte er die Stiftung zu verstärkter Vernetzung mit Kooperationspartnern sowie dazu, sich in der Weiterentwicklung der bestehenden Konzeption zur Bundesförderung der Kulturarbeit auf der Grundlage von § 96 BVFG, wie sie im Koalitionsvertrag der gegenwärtigen Bundesregierung angesprochen ist, mit konstruktiven Ideen einzubringen und hierbei auch unkonventionelle Lösungen nicht zu scheuen.

festakt12Koschyk dankte der Kulturstiftung und allen in ihr Tätigen für ihre Arbeit, die nicht nur der Sache der Vertriebenen diene, sondern wertvoll sei und bleibe für alle Deutschen und die im besten Sinne weit auf ganz Europa ausstrahle. Herr Parplies fügte seinem Dank für diese Ausführungen die Ankündigung bei, wegen einer über Projektmittel hinaus gehenden Förderung, wie sie allein die Existenz der Stiftung zu sichern vermöge, weiter das Gespräch im politischen Raum zu suchen und gemeinsam intelligente Lösungen zu erarbeiten.

festakt14Es schloss sich eine von dem Publizisten Dr. Bernhard Bilke, Coburg, geleitete Podiumsdiskussion an, in der Vertreter der von der Kulturstiftung gepflegten Wissenschaftsbereiche zu Bedeutung und Perspektiven ihrer Arbeit Stellung nahmen. Neben dem Politikwissenschaftler und Historiker Prof. Dr. Tilman Mayer, Bonn, und dem Staats- und Völkerrechtler Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Gilbert H. Gornig, Marburg, nahmen hieran zwei polnische Kollegen teil: der Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Dr. Kazimierz Pospieszny, Marienburg/Malbork, und der Literaturwissenschaftler und Publizist Prof. Dr. Karol Sauerland, sämtlich der Kulturstiftung seit Jahren eng verbunden.

festakt9Was die Bedeutung des ostdeutschen Kulturerbes für die heutigen Deutschen anbetrifft, so bedauerte Prof. Gornig die kaum mehr vorhandenen Kenntnisse bezüglich dieses Erbes, konstatierte er aber auch ein wachsendes Interesse insbesondere bei der Jugend. Dass dieses Kulturerbe nicht nur ein deutsches, sondern ein nationenübergreifendes sei, machte Dr. Pospieszny am Beispiel der Marienburg, der mittelalterlichen Hochmeisterresidenz des Deutschen Ordens, deutlich. Die stark symbolhafte Architektur als Zeugnis für den europäischen Kulturaustausch zu erleben, werde allerdings durch aktuelle Tendenzen der Kommerzialisierung des Denkmals gefährdet. Für Prof. Mayer gehört das ostdeutsche Kulturerbe selbstverständlich zu dem gesamtdeutschen, wie es mit seinen erfreulichen und unerfreulichen Seiten anzunehmen sei. Die verbreitete Verdrängung dieses Erbes führt er darauf zurück, dass man die Vertriebenen über lange Zeit stellvertretend für alles von Deutschen begangene Unrecht verantwortlich gemacht habe. Gerade in der Literatur erkennt Prof. Sauerland indes hoffnungsvolle Anzeichen dafür, dass man sich zunehmend der Herkunft aus dem Osten zuwende, eine Einschätzung, die Moderator Bilke besonders unterstrich. Die wissenschaftliche Aufarbeitung, wie die etwa die Kulturstiftung betreibe, könne gemäß Prof. Sauerland dabei sogar ein Vorbild für die Beschäftigung Polens mit der Kultur seiner ehemaligen Ostgebiete sein.

festakt16In einer zweiten Fragerunde lieferte Prof. Mayer verschiedene Beispiele für die Gegenwart ostdeutscher Traditionen auch im Westen. Als bedeutende und für den europäischen Raum vorbildliche kulturelle Leistung der Vertriebenen nach 1945 wertete er zudem deren frühen Verzicht auf eine gewaltsame Rückgewinnung der Heimatgebiete. Dass es gleichwohl ein Recht der Vertriebenen auf die Heimat und nicht auf irgendeine Heimat gebe, die Gegenstand verstärkter wissenschaftlicher Untersuchung sein möge, stellte Prof. Gornig heraus. Wie Dr. Pospieszny für den Bereich der Denkmalpflege ausführte, kann allein die wissenschaftliche Beschäftigung über Grenzen hinweg eine nachhaltige Sicherung des gemeinsamen Kulturerbes bewirken. Ein solches Bemühen dient, so Prof. Sauerland, nicht allein der Verständigung unter den Völkern, sondern auch der gegenseitigen Bereicherung.

festakt8In ihrem Schlusswort dankte Dr. Barbara-Drufar Loeffke, Vorstandsmitglied der Kulturstiftung, allen politisch Verantwortlichen sowie Privatpersonen, die über die Jahrzehnte hinweg der Kulturstiftung die Treue gehalten, sie gefördert und unterstützt haben. Insbesondere die Podiumsdiskussion habe gezeigt, welche Lücke in der grenzüberschreitenden Aufarbeitung des ostdeutschen Kulturerbes mit der Gründung der Stiftung im Jahre 1974 geschlossen worden sei. Die von Hartmut Koschyk zitierten jüngsten Aussagen der Bundeskanzlerin zum Wert der Kulturarbeit der Vertriebenen stimmten sie hinsichtlich einer weiteren Förderung durch Bund und Länder und damit des künftigen Wirkens der Kulturstiftung optimistisch.

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Über die Arbeit der Kulturstiftung informiert die im Herbst 2014 herausgegebene Broschüre

Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen – 40 Jahre Erhaltung, Pflege und Weiterentwicklung des Kulturerbes des historischen Deutschen Ostens