PM: Kulturstiftung widmete Schlesiens Schlössern und Herrenhäusern eine große kunsthistorische Fachtagung

Vom 13. bis 15. Oktober 2021 begrüßte die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen interessierte Gäste und internationale Referierende aus den Fachbereichen Kunstgeschichte und Denkmalpflege im Kloster St. Marienthal bei Görlitz. Sie waren der Einladung zur kunsthistorischen Fachtagung „Schlösser und Herrnehäuser des Historismus in Nieder- und Oberschlesien und in der historischen Neumark – Baugeschichte und aktueller Denkmalschutz“ gefolgt.

Den Auftakt zur Tagung bildete die Begrüßung durch Reinfried Vogler, Vorstandsvorsitzender der Kulturstiftung, Thomas Konhäuser, Geschäftsführer der Kulturstiftung, und Birgit Aldenhoff, Wissenschaftliche Referentin der Kulturstiftung, sowie Stephan Rauhut, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien.

Den anschließenden Einführungsvortrag hielt der Kunsthistoriker und Autor Arne Franke. Er berichtete von den Anfängen der deutsch-polnischen Denkmalpflege in der Wendezeit und stellte ausgewählte Beispiele aus seiner seit den frühen 1990er Jahren geführten Datenbank vor, in der mehr als 3200 Schlösser und Herrenhäuser recherchiert werden können.

Dem schloss sich ein Vortrag Irma Kozinas an, die als Professorin für Kunst- und Designgeschichte an der Akademie der Bildenden Künste in Kattowitz (Katowice) lehrt. Sie widmete sich in ihrem Beitrag speziell den Schlössern Oberschlesiens und stellte unter besonderer Berücksichtigung der Eigentumsverhältnisse die Wohn- und Lebensbedingungen der Bewohner dar. Irma Kozina spannte einen Bogen vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis zum Ende des Ersten Weltkriegs und betrachtete auch die Einflüsse auf das ästhetische Empfinden der Bauherren.

Seinen Vortrag zum Beginn des zweiten Konferenztages widmete sich Arne Franke ausgewählten Studien zum Schlossbau Niederschlesiens. Mit der Vorstellung von Schloss Dyhernfurth (Brzeg Dolny) und dem frühen Klassizismus um Carl Gotthard Langhans bereite er das Fundament für eine anschließende Diskussionsrunde um Stil und Statussymbolik.

Tomasz Torbus, Professor für Kunstgeschichte an der Universität Danzig (Gdańsk), baute auf diesem Fundament an Werk- und Entwurfsbeispielen auf. Er analysierte in seinem Vortrag die Handschrift Karl Friedrich Schinkels am Beispiel des südlich von Breslau (Wrocław) gelegenen Schlosses Kamenz (Kamieniec Ząbkowicki). Schinkels Proportionslehre und sein Ziel „die Gotik durch die Antike zu läutern“ sei sowohl in Berlin als auch in Kamenz geglückt, stellte Torbus fest.

Den Übergang von der kunst- und architekturhistorischen Sektion zum nachmittäglichen Thema des Denkmalschutzes markierte der Vortrag von Romuald M. Łuczyński, Professor für Kunst- und Zeitgeschichte in Breslau. Er erläuterte anhand zahlreicher Werkbeispiele das Schicksal der Breslauer Schlösser und Herrenhäuser nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Wendezeit 1990/1991. Von positiven Beispielen wie Schloss Marschwitz (Marszowice) bis zum abgetragenen Palais Rosenthal (Różanka) resümierte Professor Łuczyński die Bestrebungen des Breslauer Stadtrates zum Erhalt der historischen Bausubstanz.

Dr. Grzegorz Grajewski, Direktor des Nationalen Instituts für Kulturerbe Breslau (NID Wrocław), referierte zur „Denkmalpflege schlesischer Residenzen vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis zur Gegenwart“. Der mehrfach ausgezeichnete und in Deutschland für seinen Einsatz für den deutsch-polnischen Denkmalschutz mit dem Bundesverdienstkreuz geehrte Denkmalpfleger konzentrierte sich dabei auf die Bauten außerhalb der Großstädte, die im Durchschnitt weniger kriegszerstört, aber nicht zwangsläufig besser erhalten seien.

Aus ehrenamtlicher Perspektive beurteilte der Historiker Maciej Mischok das denkmalpflegerische Geschehen um Schloss Koppitz (Kopice), im oberschlesischen Grottkau (Grodków) gelegen. Er zitierte aus seinem Buch über Schloss Koppitz, in dem er nicht nur die Baugeschichte, sondern auch die wertvolle Ausstattung mit ca. 1300 Skulpturen beschrieb und dessen Verkaufserlöse vollständig in die Pflege des Schlosses und benachbarten Mausoleums fließen.

Tomasz Kwaterski, Denkmalpfleger, Ingenieur und Eigentümer des Schlosses Birkholz in Niederschlesien (Pałac Gruszów, Marcinowice) stellte die Restaurierung seines Schlosses als Herzensangelegenheit der ganzen Familie vor. Im Jahr 2006 hatten Kinga Zabokrzycka und er es erworben und mit großem Aufwand und viel Eigenleistung saniert. Schloss Birkholz wird heute als Hotel, Tagungsstätte und Privatresidenz genutzt.

Den Abschluss der Sektion „Denkmalpflege und Nutzungsmöglichkeiten“ bildete ein Vortrag von Dr. Peter Schabe, Kunsthistoriker und Geschäftsführer der Deutsch-Polnischen Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz. Er stellte die Arbeit der Stiftung vor und verwies auf einen wichtigen, ihr zugrundeliegenden Gedanken: die Zukunft für die gemeinsame Vergangenheit von Polen und Deutschen gemeinschaftlich zu gestalten.

Für den zehnten und letzten Vortrag der Tagung wurde Professor Paul Zalewski vom Institut für Denkmalkunde der Europa-Universität Viadrina/Collegium Polonicum in Frankfurt/Oder (Słubice) online zugeschaltet. Der Vortrag mit dem Titel „Zeugnisse von Innovation und Scheitern – Ein Ritt durch die märkischen und neumärkischen Herrenhäuser“ lenkte den Blick auf Schlösser und Residenzen in Brandenburg und der historischen Neumark.

Eine abschließende Diskussion über kunsthistorische Begriffe, Normen, soziale wie materielle Verflechtungen der Baukunst, untermauerte die Erkenntnis, dass die Architektur die öffentlichste aller Künste ist. Grzegorz Grajewski unterstrich jedoch in leisen, wenig optimistischen Schlussbetrachtungen, dass die Denkmalpflege der schlesischen Schlösser und Residenzen trotz dieses Bewusstseins einer größeren Unterstützung bedarf.

Unter dem Eindruck einer inhaltlich reichen Vorbereitung startete am dritten und letzten Veranstaltungstag die „Tagung vor Ort“. Im Rahmen einer Busexkursion führte Arne Franke die Teilnehmenden in das benachbarte, von der Literatur des 19. Jahrhunderts so bezeichnete „Schlesische Elysium“. Das für seine Schlösser und Herrenhäuser berühmte und am Fuße des Riesengebirges gelegene Hirschberger Tal, polnisch Kotlina Jeleniogórska, lud bei vielversprechender, aufgehender Sonne zur Besichtigung ein.

  • Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen / (bal) & (tra)

 

Text der Pressemitteilung als pdf:
2021-11-14-KS-26-Tagung-Schlesische-Schlösser

Tagungsbericht als pdf:
Tagungsbericht Schlesische Schloesser in Marienthal

 

Gruppenfoto: Exkursion
Die Exkursionsteilnehmerinnen und -teilnehmer im Hirschberger Tal
Foto: Birgit Aldenhoff am Rednerpult
Birgit Aldenhoff, Wissenschaftliche Referentin für Kunstgeschichte der Kulturstiftung, leitete die Tagung im Kloster St. Marienthal
Foto: Tagungsraum mit Teilnehmern und Arne Franke am Rednerpult
Kunsthistoriker Arne Franke stellte seine umfassende Datenbank schlesischer Schlösser vor
Foto: Schloss Schildau Außenaufnahme
Das Schloss Schildau (Pałac w Wojanowie) wird heute als Schlosshotel mit einer großzügigen Parkanlage genutzt und ist eines der Beispiele für gut erhaltene Baudenkmäler