Biographie

Kohnert, Hans

Herkunft: Posener Land, Westpreußen
Beruf: Politiker
* 28. Juni 1905 in Bromberg/Posen
† 26. Juni 1972 in Unterpfaffenhofen-Harthaus/München

Hans Kohnert wuchs in Bromberg auf. Nach seinem Abitur 1923 am deutschen Privatgymnasium erlernte der spätere politische Vertreter der deutschen Minderheit in Polen auf zwei Gütern die praktische Landwirtschaft. 1927 leistete er seine Dienstpflicht beim polnischen Militär ab. Danach absolvierte er an der Technischen Hochschule in Danzig ein agrarwissenschaftliches Studium, das er 1930 mit der Prüfung als Diplomlandwirt abschloß. Er blieb dort als Assistent im Institut für landwirtschaftliche Betriebslehre, wo er 1931 promoviert wurde. Danach wechselte er zur Landwirtschaftlichen Bank in Danzig, für die er als Sachverständiger für das Kreditwesen und Berater für Betriebswirtschaft in Pommerellen und dem Kulmer Land tätig wurde.

Der Abschluß des deutsch-polnischen Nichtangriffspaktes im Jahre 1934 bot die Voraussetzung zur Gründung der ”Deutschen Vereinigung für Westpolen” (DV). Sie sollte die einheitliche Volkstumsorganisation für Posen und Pommerellen mit Sitz in Bromberg sein. Auf deren Gründungsversammlung am 24. Mai 1935 wurde der kaum 30jährige Kohnert zum Hauptgeschäftsführer berufen und schon ein Jahr später geschäftsführender Vorsitzender der DV. In seiner offenen und geraden Art, pflichtbewußt und einsatzfreudig, mit einem ansprechenden Rednertalent und geschickter Verhandlungsgabe versehen, wurde er von seinen Landsleuten verehrt und von politischen Gegnern geachtet. Mit großem Einsatz widmete er sich dem organisatorischen Aufbau der DV, entwickelte eine reiche Versammlungstätigkeit und betrieb Jugendarbeit. Nach Gründung von 280 Ortsgruppen erreichte er die Rekordzahl von 70.000 Mitgliedern. Zu den Aufgaben seiner Geschäftsstelle gehörten insbesondere die Rechtsberatung, die Schulabteilung, die Erarbeitung von Interpellationen und Beschwerden. Mit Vehemenz vertrat er die Anliegen der bedrängten Volksgruppe gegenüber dem polnischen Staat.

Zudem arbeitete Kohnert in dem 1934 vom Senator Ervin Hasbach gegründeten ”Rat der Deutschen in Polen” mit und gewährleistete damit die Zusammenarbeit aller Gruppen der Deutschen im damaligen Polen. Die Wirkungen der polnischen Entdeutschungspolitik bereiteten der Volksgruppe erhebliche Sorgen, zumal Polen den Minderheitenschutzvertrag einseitig gekündigt hatte (13.9.1934) und dadurch der –  wenn auch schwache – Rückhalt durch den Völkerbund entfiel. So konnte Kohnert nur noch auf den diplomatischen Weg Berlin –  Warschau und die internationale europäische Minderheitenbewegung setzen. Er nahm an deren Kongressen teil und entwickelte in Wort und Schrift aufgrund seiner Erfahrungen programmatische Vorschläge und Forderungen und arbeitete an Resolutionen mit.

Da die Anwendung des sogenannten Grenzzonengesetzes sich auf den Besitz und den Erwerb von Grundstücken durch Angehörige der deutschen Minderheit auswirkte und deren Lage zunehmend verschärfte, veröffentlichte Kohnert 1938 eine Sammlung der Eingaben der DV. Das Grenzzonengesetz galt in einem breiten Grenzstreifen, so im gesamten “Korridor” ohne Bromberg und Thorn; es machte Aufenthalt, Zuzug und Grunderwerb, auch im Erbfall, von Genehmigungen abhängig, die vorwiegend versagt wurden, und ermöglichte Ausweisungen ohne Angabe von Gründen. Die Sammlung der Eingaben verdeutlichte das Ausmaß der Bedrückung und Nöte, denen die Deutschen ausgesetzt waren. Die Veröffentlichung einer weiteren Ausgabe im Februar 1939 wurde durch Beschlagnahmung seitens der polnischen Behörden verhindert. Gleichzeitig verweigerte der Starost Kohnert ein das Ausreisevisum. Die Verbindung nach Berlin sollte unterbunden werden. Vergeblich ersuchte er in Vorsprachen bei Repräsentanten des polnischen Staates angesichts polnischer Übergriffe auf die Deutschen um Schutz der deutschen Minderheit. Um nicht von sich aus zur Verschärfung der Lage beizutragen und damit die eigene Situation weiter zu erschweren, stellten die DV und die anderen Organisationen ihre ohnehin eingeschränkte Arbeit ein.

Als in den Frühjahrs- und Sommermonaten 1939 die Bedrückung durch die polnischen Behörden in eine offene Verfolgung überging und eine große Fluchtbewegung nach Danzig und in das Reich einsetzte, blieb Kohnert trotz persönlicher Gefährdung bei seinen Landsleuten in Bromberg. Er lehnte eine Flucht ab, weil er befürchtete, Polen würde später eine Rückkehr nicht erlauben und den Besitz einziehen. Als am 1. September 1939 der verhängnisvolle Krieg ausbrach, wurden er und tausende anderer ”verdächtiger” Deutsche verhaftet und unter drangvollen Begleitumständen in das Innere Polens verschleppt. Vor Warschau, bei Lowitsch, von deutschen Truppen befreit, wurde er durch einen Unfall schwer verletzt und nach Berlin überführt. Der bekannte Berliner Chirurg Professor Sauerbruch rettete zwar sein Leben, aber ein Bein war verloren. Währenddessen wurden alle maßgebenden Funktionen in der Heimat an NS-Parteigänger vergeben. Kohnert wurde am Krankenbett mit dem von Hitler verliehenen Goldenen Parteiabzeichen und von Himmler mit einem höheren SS-Rang ”ehrenhalber” abgefunden.

Nach Rückkehr in die Heimat wollte sich Kohnert jeglicher politischer Arbeit enthalten und ging zur Wehrmacht. Doch die enttäuschten Landsleute setzten seine Ernennung zum Landesbauernführer im Wartheland durch. Diese Tätigkeit übte er bis zum Kriegsende zum Wohle des Landes aus, allen Widerständen zum Trotz, auch zum Wohle des polnischen Bevölkerungsteiles. Nachdem ihn die Engländer nach dem Kriege in Haft genommen hatten, wurde er bald wieder entlassen, weil die Polen auch in jenen haßerfüllten Jahren nicht seine Auslieferung forderten und weil bekannt wurde, daß Kohnert Beziehungen zum Widerstand, vor allem zur Abwehr (Admiral Canaris) unterhalten und sich in mehreren Fällen für verfolgte Personen eingesetzt hatte.

Im folgenden wurde Kohnert zum Geschäftsführer des ”Niedersächsischen Landvolks” berufen. Einige Jahre später übernahm er die Hauptgeschäftsführung des ”Verbandes deutscher Fleischwarenfabriken” in Bonn. Dem Ruf seiner Landsleute folgend, war er von 1956 bis 1960 Sprecher der Landsmannschaft Westpreußen. Aus seiner 1932 mit Eda, geb. Schlubach, eingegangenen Ehe stammen zwei Töchter und drei Söhne. Kohnert lebte zuletzt bei München, wo er vor seinem 67. Geburtstag unerwartet verstarb. Er trug Verantwortung in schwerer Zeit und erwies sich als Kämpfer für die deutsche Minderheit in Polen.

Quellen und Lit.: Angaben seines Sohnes Hans K. – Westpreußen-Jahrbuch 1990 Bd. 40 S. 68. – Zs. Kulturwart Nr. 183/1991 S. 24. – Altpreußische Biographie S. 1408 (mit Angabe weiteren Quellenmaterials).

Bild: Bidegast-Vereinigung, Wilhelmshaven.

 

  Hugo Rasmus