Gertrud Staats zählt zu den führenden Vertretern der schlesischen Landschaftsmalerei Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie ist zugleich eine der bedeutendsten Persönlichkeiten unter den Künstlerinnen Schlesiens, denn ihr Œuvre – vor allem Landschaftsbilder, später aber auch Stillleben und Gartenansichten – belegt exemplarisch die hohe Qualität weiblichen Kunstschaffens in dieser Zeit. Ihre Werke, die weit über Schlesien hinaus bekannt wurden, sind von der stimmungshaften, realistischen Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts geprägt, dokumentieren aber mit der Integration neuer Impulse von Seiten der Freilichtmalerei und des aufkommenden Impressionismus bereits den Übergang zur Moderne.
Am 21. Februar 1859 wurde Gertrud Staats als Tochter des Breslauer Kaufmanns und Stadtrats Adolf Staats in Breslau geboren. Mit ihren vier Schwestern wuchs sie in Neudorf-Kommende auf, wo der Vater 1856 ein großes Haus gebaut hatte. Das Gebäude mit dem großem Gartengelände lag damals südlich der Stadtgrenze Breslaus und erhielt erst durch spätere Eingemeindungen die Adresse Kaiser-Wilhelm-Straße 23 (heute: ul. Powstańców, Gebäude nicht erhalten).
Schon im Schulalter erhielt Gertrud Staats Unterricht bei einer Breslauer Malerin namens Fahlbusch. Da Frauen ihrer Generation der Zugang zu den Kunstakademien verwehrt war, nahm sie Mitte der 1870er Jahre Unterricht bei Hermann Bayer und wechselte um 1878 zum Landschaftsmaler Adolf Dressler, der in Breslau das Meisteratelier für Landschaftsmalerei am neu gegründeten Schlesischen Museum der bildenden Künste leitete und sie maßgeblich prägen sollte. Nach Dresslers Tod 1881 arbeitete sie in Berlin, ein halbes Jahr bei Hans Frederik Gude und 1883 einen Monat bei Franz Skarbina. Danach vervollkommnete sie ihre Kenntnisse bis 1884 bei Carl Coven Schirm, Dresslers Nachfolger in Breslau.
Durch die Berliner Kontakte erhielt sie vermutlich 1881 die Gelegenheit zu einer ersten Beteiligung an einer Ausstellung der Kgl. Akademie der Künste. In Breslau trat Gertrud Staats ebenfalls früh an die Öffentlichkeit, zuerst 1884 in der Galerie Lichtenberg, später in Hirschberg und Beuthen. In Breslau war sie außerdem als Mitbegründerin und Vorsitzende der 1902 gegründeten Vereinigung Schlesischer Künstlerinnen aktiv und beteiligte sich an Präsentationen des Schlesischen Kunstvereins. Bekannt wurden ihre Arbeiten des Weiteren in Dresden (bereits 1884!), Wien, Hamburg, München und Danzig. 1891 erhielt sie die Bronzemedaille auf der deutschen Ausstellung in London sowie eine Medaille in Chicago.
Parallel zu dieser erfolgreichen Ausstellungstätigkeit unternahm sie zahlreiche Reisen. Sie erkundete die weitere Umgebung Breslaus und besuchte Skarsine, Pohlschildern, Sibyllenort, Obernigk und Dyhernfurth. Hinzu kamen Reisen ins Waldenburger Land (Fürstenstein), ins Eulengebirge (Kynau, Peterswaldau) und ins Glatzer Land (Grafenort). Immer wieder fuhr sie außerdem ins Riesengebirge, dessen malerischen Reiz sie zuvor durch Malstudien mit Adolf Dressler in Hain, Jannowitz, Schreiberhau und Krummhübel kennengelernt hatte. Bekannt sind Aufenthalte in Berthelsdorf (1892), in Saalberg (1894 und 1897), in Fischbach (1899 und 1901), in Kiesewald (1903 und 1910) und in Buchwald (1910 bis 1912).
1897 präsentierte sie eine Kollektion ihrer Bilder erstmals in Hirschberg, nahm jedoch keinen Kontakt zu den Künstlern des Riesengebirges auf. Stattdessen suchte sie Anregungen in der Künstlerkolonie Dachau (und später in Neu-Dachau) in der Nähe von München, wo es zu wichtigen Begegnungen mit Adolf Hölzel und Ludwig Dill kam. München selbst war ein häufiges Reiseziel, ebenso andere Orte in Bayern. Reisen führten sie außerdem an die Ostsee, in das malerische Spreewalddorf Lehde, in die Altmark, nach Mecklenburg, Holstein, Thüringen und nach Tirol.
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges endete ihre Reisetätigkeit, vermutlich wegen der finanziellen Schwierigkeiten der Kriegs- und Nachkriegsjahre. Zurückgezogen lebte sie seitdem mit ihren Schwestern Martha und der früh verwitweten Elise (verheiratete Goerlitz) im Breslauer Elternhaus. Die Schwestern lebten vor allem von zwei im Haus vermieteten Wohnungen. Auch im geräumigen Atelieranbau von 1890, in dem Gertrud Staats malte, arbeiteten zeitweilig noch weitere Künstler, unter ihnen Arnold Busch, Johanna Pistorius und Wilhelmine Melzer.
In den 1920er Jahren war Gertrud Staats Schaffen allgemein anerkannt, fand jedoch in den hitzigen Debatten um die neuen Kunstströmungen weniger Beachtung. Erst acht Monate nach ihrem Tod – Gertrud Staats starb an Brustkrebs –, wurde ihr im Schlesischen Museum der bildenden Künste in Breslau eine Gedächtnisausstellung gewidmet. In diesem Zusammenhang kamen zahlreiche Arbeiten den Besitz des Museums, vor allem durch eine Schenkung von Seiten des Landgerichtsdirektors Schlawe, des Schwiegersohns ihrer Schwester Elise.
Viele Werke befinden sich heute im Nationalmuseum in Warschau (Muzeum Narodowe w Warszawie), im Nationalmuseum in Breslau (Muzeum Narodowe we Wrocławiu), in der Gemäldesammlung des Museums für Historischen Hausrat in Münsterberg (Muzeum Sprzętu i Gospodarstwa Domowego w Ziębicach) sowie im Kulturhistorischen Museum Görlitz, im Schlesischen Museum zu Görlitz, im Haus Schlesien in Königswinter und in der Staatlichen Galerie Moritzburg (Halle). Ein großer Teil ihres Nachlasses wird von ihrer Großnichte Hertha Gerlinger-Brandes verwaltet.
Lit.: Schlesische Landschaftskunst vor 30 Jahren, Gertrud Staats-Gedächtnis-Ausstellung, Eugen Burkert, Robert Sliwinski, Ausstellungskatalog Schlesisches Museum der bildenden Künste, Breslau 1939. – Ernst Scheyer, Gertrud Staats und die Landschaftsmalerei in Schlesien, in: Schlesien. Kunst, Wissenschaft, Volkskunde, 25. Jg., 1980, Heft 2, S. 108-112. – Hubertus Lossow, Gertrud Staats. Der schlesische Beitrag zur Geschichte zur deutschen Freilichtmalerei, in: Schlesien. Kunst, Wissenschaft, Volkskunde, 34. Jg., 1989, Heft 3, S. 162-166. – Gertrud Staats 1859 (Breslau) – 1938. Eine Malerin zwischen Tradition und Moderne, Ausstellungskatalog Haus Schlesien – Museum für schlesische Landeskunde Königswinter-Heisterbacherrot, Grafschaftsmuseum Wertheim a.M., Königswinter 1997. – Rollenwechsel. Künstlerinnen in Schlesien um 1880 bis 1945, Ausstellungskatalog Schlesisches Museum zu Görlitz, Görlitz/ Zittau 2009, S. 60-71, 225-227, 248-259.
Bild: Schlesisches Museum zu Görlitz