Ereignis vom 17. März 1813

Die Stiftung des eisernen Kreuzes und der Aufruf des Preussischen Königs „An Mein Volk“

Beginn des Aufrufs An Mein Volk

Kaum eine Epoche hat die europäische politische Ordnung radikaler verändert als die der Napoleonischen Kriege. Das Heilige Römische Reich (Deutscher Nation) hat nach 1000 Jahren aufgehört zu existieren, Frankreich hat seine Hegemonie auf dem Kontinent ausgebaut und der junge preußische Staat schien in Trümmern zu liegen. Seit dem schmachtvollen Frieden von Tilsit im Jahre 1806, in dem Preußen zu horrenden Kontributionszahlungen an Frankreich verpflichtet worden war, mussten sieben Jahre vergehen, bis sich das Blatt für Preußen wendete. 1813 war ein schicksalsvolles Jahr für den preußischen Staat, welches das Ende der ruhmreichen Ära Napoleons besiegelte. Mit dem Aufruf „An Mein Volk“ und der Stiftung des Eisernen Kreuzes kam es zur patriotischen Mobilisierung des gesamten preußischen Volkes, das sich nicht nur als Preußen, sondern auch als Deutsche gegen den Feind erheben wollte. Beide Stiftungen wurden im Königsschloss zu Breslau initiiert, wo Friedrich Wilhelm III. die Dokumente unterzeichnete. Somit stand die schlesische Hauptstadt im Mittelpunkt dieser für den weiteren Verlauf der europäischen Geschichte bedeutenden Handlungen.

Bereits am 21. Januar 1813 musste Friedrich Wilhelm III. vor den anrückenden französischen Truppen aus Potsdam nach Breslau fliehen. Obwohl sich der Monarch noch auf diplo­matischem Wege um einen allgemeinen Waffenstillstand mit Frankreich bemühte, verhandelte er nach beiden Seiten und rüstete sich für den Krieg. Dazu drängte ihn sein engster Bera­terkreis, da die Stimmung beim Volk und Militär in ernsten Kriegswillen umschlug. Dem König selbst war nicht entgangen, dass der Widerstand der preußischen Bevölkerung in den östlichen Gebieten gegen den französischen Besatzer immer stärker wurde.

Im Februar erließ der König mehrere Edikte, die das Militär in Alarmbereitschaft versetzten. Am 14. Februar folgte ein landes­weiter Spendenaufruf, der das gesamte Volk mobili­sierte. Innerhalb weniger Wochen wurden 6,5 Mio. Reichstaler eingesammelt. Den Grundstein für die Stiftung des Eisernen Kreuzes legte unbewusst der Stettiner Lotterieeinnehmer Rollin, der seinen goldenen Ehering spendete und den Aufruf startete, stattdessen einen eisernen Ehering zu tragen.

Am 13. März 1813 erließen die Prinzessinnen des preußischen Königshauses in Berlin einen Aufruf an alle Frauen und Mädchen in Preußen, sich zum Wohle des Vaterlandes zu vereinigen, um somit dem Staat zum Sieg zu verhelfen. Dieser Tag gilt als der Gründungstag des „Frauen-Vereins zum Wohl des Vaterlandes“, der unter der Leitung von Marianne Prin­zessin Wilhelm von Preußen tätig wurde. Mit dem Leitspruch „Gold gab ich für Eisen“ verbreitete der Verein diese Tausch­bewegung und damit den Gedanken der „eisernen Zeit“ als Symbol der Stärke Preußens.

Zwischen dem 22. und 24. Februar fasste der König den Beschluss zur Stiftung des Eisernen Kreuzes. Die Idee für die Schaffung einer neuen Kriegsauszeichnung war jedoch nicht neu. Bereits 1811 hatte August Neidhardt von Gneisenau einen Plan zu einer Volkserhebung gegen Frankreich entworfen und zusammen mit Staatskanzler Hardenberg dem König vorgelegt, den der König jedoch ablehnte. Allerdings verfolgte der Monarch ernsthaft den Gedanken, preußische Milizen und Truppen mit einem neuen Orden zu mobilisieren. 1813 griff Friedrich Wilhelm III. die Idee der Stiftung eines neuen Ordens auf und nahm auch die inhaltliche Gestaltung des Eisernen Kreuzes selbst vor, indem er die Verleihungsgrundsätze genau umschrieb. Nach dem 27. Februar beauftragte der König den Leiter seines Geheimen Zivilkabinetts, Daniel Ludwig Al­brecht, Vorschläge dafür auszuarbeiten. Albrechts Idee sah vor, den Orden an untere Dienstgrade bis zum Feldwebel und an Bürgerliche zu verleihen, was der König jedoch vehement ablehnte. Stattdessen legte Friedrich Wilhelm ein Sechs-Punkte-Programm vor und schuf damit eine völlig neue Praxis der Verleihordnung. Das Eiserne Kreuz war der einzige Orden, der während des Krieges verliehen werden sollte. Einzigartig dabei war, dass alle Soldaten, unabhängig von Rang und Abstammung, diesen Orden verliehen bekommen konnten. Hier mag die napoleonische Ehrenlegion ein Vorbild dafür gewesen sein. Wie der König in seinem Sechs-Punkte-Katalog erläuterte, war das eiserne Material das sichtbare Zeichen und ein Andenken für die ganze Generation an die eiserne Zeit. Der Orden verkörperte daher nicht nur die Auszeichnung eines einzelnen Soldaten, sondern vielmehr die Mühen und Ent­behrungen des gesamten Volkes.

Die graphische Gestaltung des Eisernen Kreuzes geht auch größtenteils auf den König selbst zurück. Den vom Oberbergrat Graf Einsiedel vorgelegten ursprünglichen Entwurf lehnte Frie­drich Wilhelm III. ab und fertigte stattdessen eine Zeichnung an, die Friedrich Schinkel in Tusche und Bleistift umsetzte. Wie Veit Veltzke ausführt, seien alle wesentlichen Bestandteile des Eisernen Kreuzes auf den König zurückzuführen: die Form und das Material, die Schmucklosigkeit der Vorderseite und die Dekoration der Rückseite mit dem Namenszug unter der Krone im oberen Kreuzarm, ferner das dreiblättrige Eichenlaub im Zentrum und die Jahreszahl „1813“ im unteren Kreuzarm, als auch die Proportionen von Eisenkreuz und Silberrahmen.

Am 16. oder 17. März 1813 verfasste der König den Text der Stiftungsurkunde, den er auf den 10. März, den Geburtstag der Königin Luise, zurückdatierte. Das Eiserne Kreuz sollte damit an die vom Volk geliebte und bereits verstorbene Königin und ihre Tugenden der Opferbereitschaft für das Vaterland, die Standhaftigkeit, Reinheit und Religiosität erinnern. Gerade der religiöse Aspekt war hierbei nicht unbedeutend. Der Glaube an Gott als Sinnelement des preußischen Staates sollte als Gegensatz zu dem als gottlos geltenden napoleonischen Frankreich aufgefasst werden. Daher ist es kein Zufall, dass das Eiserne Kreuz in seiner Form an den Deutschen Orden erinnert.

Dass diese neue Auszeichnung beim Volk eine große Ver­breitung finden konnte, ist dem Monarchen selbst zu verdanken. Seit dem 17. März 1813 wurde das Landwehrkreuz aus weißem Blech in der Form des Eisernen Kreuzes hergestellt. Friedrich Wilhelm III. kreierte den Spruch „Mit Gott für König und Vaterland“. Am 5. Mai 1813 erließ der König die Anordnung, Gedächtnistafeln in Garnisonkirchen anzubringen. Darauf wurden unter der Abbildung des Eisernen Kreuzes die Gefallenen aufgelistet. Damit wurde eine Tradition initiiert, die mehr als ein Jahrhundert lang praktiziert wurde.

Eine der wichtigsten Handlungen des Königs, die zur Popularisierung des Eisernen Kreuzes beitrugen, war der Ent­schluss, die Quadriga am Brandenburger Tor mit dem Eisernen Kreuz zu schmücken. Die Quadriga, die von Feld­marschall Blücher von Paris nach Berlin zurückgebracht worden war, symbolisierte den Sieg gegen Frankreich. Das Eiserne Kreuz sollte eigentlich ganz sichtbar am Torbau des Baudenkmals angebracht werden. Nach massiven Protesten Friedrich Schinkels genehmigte der König die Schmückung des Paniers der göttlichen Wagenlenkerin mit dem Eisernen Kreuz.

Parallel zur Veröffentlichung der Stiftungsurkunde erließ Friedrich Wilhelm III. am 17. März 1813 seinen Aufruf „An Mein Volk“. Der Verfasser dieses Manifestes war der ostpreußische Staatsrat Theodor Gottlieb von Hippel (der Jüngere), der unter Staatskanzler von Hardenberg diente. In diesem kurzen Kriegsmanifest, das von den Kanzeln verlesen wurde, wandte sich der König erklärend und appellierend an sein Volk. Von der Form her zeigt sich der Aufruf wegen des direkten Einbezugs des Volkes und des Inhalts selbst vom Reformeifer des Königs geprägt. Darin bezeichnet der Monarch seine Untertanen nicht nur als Preußen, sondern als Deutsche. Diese deutsche Akzentuierung war in dem am selben Tag verfassten Aufruf des Königs „An Mein Kriegsheer“ noch deutlicher zu sehen. Beide Aufrufe wurden in der Schlesischen privilegirten Zeitung in der Ausgabe vom Samstag, 20. März 1813, abgedruckt.

Die Stiftung des Eisernen Kreuzes veränderte nicht nur das Wesen des preußischen Militärs nachhaltig, sondern sie wirkte sich gesellschaftsstiftend aus. Dadurch dass Offiziere und „Gemeine“ fortan mit demselben Orden ausgezeichnet wurden, wurde der ständemäßige Charakter des preußischen Militär­wesens überwunden. Durch die Mobilisierung des Volkes wurde das nationale Bewusstsein der preußischen Untertanen geweckt. Die in Breslau von Friedrich Wilhelm III. initiierten Schritte waren der Auftakt für die Befreiungskriege, welche die napoleonische Herrschaft in Europa beendeten und Preußen zur Großmacht aufsteigen ließen.

Anhang: An Mein Volk.

So wenig fuͤr Mein treues Volk als fuͤr Deutſche, bedarf es einer Rechenſchaft, uͤber die Urſachen des Kriegs welcher jetzt beginnt. Klar liegen ſie dem unverblendeten Europa vor Augen.

Wir erlagen unter der Uebermacht Frankreichs. Der Frieden, der die Haͤlfte Meiner Unterthanen Mir entriß, gab uns ſeine Segnungen nicht; denn er ſchlug uns tiefere Wunden, als ſelbſt der Krieg. Das Mark des Landes ward ausgeſogen, die Hauptfeſtungen blieben vom Feinde besetzt, der Ackerbau ward gelaͤhmt ſo wie der ſonſt ſo hochgebrachte Kunſtfleiß unſerer Staͤdte. Die Freiheit des Handels ward gehemmt, und dadurch die Quelle des Erwerbs und des Wohlſtands ver­ſtopft. Das Land ward ein Raub der Verarmung.

Durch die ſtrengſte Erfuͤllung eingegangener Verbindlichkeiten hoffte Jch Meinem Volke Erleichterung zu bereiten und den franzoͤſiſchen Kaiſer endlich zu uͤberzeugen, daß es ſein eigener Vortheil sey, Preußen ſeine Unabhaͤngigkeit zu laſſen. Aber Meine reinſten Abſichten wurden durch Uebermuth und Treuloſigkeit vereitelt, und nur zu deut­lich ſahen wir, daß des Kaiſers Vertraͤge mehr noch wie ſeine Kriege uns langſam verderben mußten. Jetzt iſt der Augenblick gekommen, wo alle Taͤuſchung uͤber unſern Zuſtand aufhoͤrt.

Brandenburger, Preußen, Schleſier, Pommern, Litthauer! Jhr wißt was Jhr ſeit faſt ſieben Jahren erduldet habt, Jhr wißt was euer trauriges Loos iſt, wenn wir den beginnenden Kampf nicht ehrenvoll enden. Erinnert Euch an die Vorzeit, an den großen Kurfuͤrſten, den großen Friedrich. Bleibt eingedenk der Guͤter, die unter ihnen unſere Vorfahren blutig erkaͤmpften: Gewiſſensfreiheit, Ehre, Unab­haͤn­gig­keit, Han­del, Kunſtfleiß und Wiſſenſchaft. Gedenkt des großen Beiſpiels unſerer maͤchtigen Verbuͤndeten der Ruſſen, gedenkt der Spanier, der Portugieſen. Selbſt kleinere Voͤlker ſind fuͤr gleiche Guͤter gegen maͤchtigere Feinde in den Kampf gezogen und haben den Sieg errungen. Erinnert Euch an die heldenmuͤthigen Schweitzer und Niederlaͤnder.

Große Opfer werden von allen Staͤnden gefordert werden: denn, unſer Beginnen iſt groß, und nicht geringe die Zahl und die Mittel unſerer Feinde. Jhr werdet jene lieber bringen, fuͤr das Vaterland, fuͤr Euren ange­bornen Koͤnig, als fuͤr einen fremden Herrſcher, der wie ſo viele Beiſpiele lehren, Eure Soͤhne und Eure letzten Kraͤfte Zwecken widmen wuͤrde, die Euch ganz fremd ſind. Vertrauen auf Gott, Aus- dauer, Muth, und der maͤchtige Beiſtand unſerer Bundesgenoſſen, werden unſe­ren redlichen Anſtrengungen ſiegreichen Lohn gewaͤhren.

Aber, welche Opfer auch von Einzelnen gefordert werden moͤgen, ſie wiegen die heiligen Guͤter nicht auf, fuͤr die wir ſie hingeben, fuͤr die wir ſtreiten und ſiegen muͤſſen, wenn wir nicht aufhoͤren wollen, Preußen und Deutſche zu ſeyn.

Es iſt der letzte entſcheidende Kampf den wir beſtehen fuͤr unſere Existenz, unſere Unabhaͤngigkeit unſern Wohlſtand; keinen andern Ausweg giebt es, als einen ehrenvollen Frieden oder einen ruhmvollen Untergang. Auch dieſem wuͤrdet ihr getroſt entgegengehen um der Ehre willen, weil ehrlos der Preuße und der Deutſche nicht zu leben vermag. Allein wir duͤrfen mit Zuverſicht vertrauen: Gott und unſer feſter Willen werden unſerer gerechten Sache den Sieg verleihen, mit ihm einen ſicheren glorreichen Frieden und Wiederkehr einer gluͤck­lichen Zeit.

Breslau den 17. Maͤrz 1813.     Friedrich Wilhelm

Lit.: Uta Motschmann (Hrsg.), Handbuch der Berliner Vereine und Gesellschaften 1786-1815. Supplement: Satzungen und program­ma­tische Schriften. Berlin / Boston 2016. – Veit Veltzke, Die Stiftung des Eisernen Kreuzes 1813. Ein „neuer preußisch-deutscher Orden“ für den Volkskrieg. in: Winfried Heinemann (Hrsg.), Das Eiserne Kreuz. Die Geschichte eines Symbols im Wandel der Zeit (Potsdamer Schriften zur Militärgeschichte, 24), Potsdam 2014, S. 9-20. – Frank Wernitz: Das Eiserne Kreuz 1813 – 1870 – 1914. Geschichte und Bedeutung einer Auszeichnung. Wien 2013.

Bild: Schlesische privilegierte Zeitung vom Samstag, 20. März 1813. / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Gregor Ploch