Ereignis vom 1. Januar 1567

Geistliche Lieder und Psalmen von Johann Leisentritt aus Ölmütz

Johann Leisentritt, Kupferstich

Die mährische Bischofsstadt Olmütz (Olomouc) hat eine Reihe bedeutender Kirchenmänner hervorgebracht und manche Bischöfe, Fürstbischöfe und Kardinäle des Bistums Olmütz spielten in der Kirchengeschichte eine wichtige Rolle. Gebürtige Olmützer haben der Kirche auch außerhalb des Bistums erfolgreich gedient wie Johann Leisentritt, der 1527 in Olmütz geboren wurde und am 24. November 1586 in Bautzen starb. 1567 erschien in Bautzen sein Gesangbuch Geistliche Lieder und Psalmen, das bedeutendste Gesangbuch der Gegenreformation.

Nach dem Schulbesuch in Olmütz studierte Leisentritt in Krakau, wo ihn ein Magister Gregorius mit Texten und Liedern Luthers bekannt machte. Im Jahre 1545 wird Leisentritt in Krakau zum Priester geweiht und arbeitet in Prag als Erzieher junger Adliger. 1551 wird er auf Empfehlung des böhmischen Königs Kaiser Ferdinand I. in das Bautzener Kollegiatskapitel berufen, das ihn 1559 zum Dekan wählte. Es gelang Leisentritt, in unermüdlichem Einsatz, den vollständigen Untergang des Bistums Meißen wenigstens in der Umgebung von Bautzen zu verhindern und sorbische und deutsche Ortschaften katholisch bleiben zu lassen. Das geschah durch den Gebrauch der Volkssprache im Gottesdienst, durch deutsche Lieder, vor allem durch das 1567 erschienene Gesangbuch Geistliche Lieder und Psalmen der Alten Apostolischen recht und wargläubiger Christlicher Kirchen. Es wird als das umfangreichste und am schönsten ausgestattete und in ganz Deutschland verbreitete Gesangbuch bezeichnet. Es enthält 250 Lieder und 181 Melodien. Leisentritt griff dabei auch auf protestantische und noch ältere hussitische Vorbilder zurück. Etwa 70 Lieder stammen aus seiner eigenen Feder. Bereits 1584 erschien die dritte Auflage. Manche Lieder werden heute gesungen, denn ins katholische Gotteslob von 1975 wurden noch acht Lieder nach Texten und Melodien von Leisentritt aufgenommen. Unter dem Titel Der getreue Verwalter hat Johannes Derksen Leisentritt einen historischen Roman gewidmet, der die Tätigkeit dieses Mannes zutreffend beschreibt, denn Leisentritt war auch ein begnadeter Organisator, der trotz mancher Widerstände Erfolg hatte. Im Bautzener Kapitel musste er sich zum Beispiel gegen den Vor­wurf des Nepotismus und der Vetternwirtschaft wehren. So sträubte sich die innerkirchliche Opposition 1572 gegen die Berufung seines Vetters Gregor zum Senior des Domkapitels in Bautzen. Erst nach Leisentritts Tod wurde Gregor Domdekan und Apostolischer Administrator. Mit Kaspar und Benno waren zwei weitere Leisentritts im Domkapitel vertreten. Leisentritt hatte seit 1561 den Titel eines Apostolischen Administrators und damit in der Lausitz bischöfliche Gewalt.

Obwohl sich die Reformation in Bautzen und weiteren Städten der Oberlausitz durchgesetzt hatte, blieb so das Kollegiatsstift und eine katholische Minderheit beim alten Glauben. Leisentritt erreichte durch lange und mühsame Verhandlungen, dass die Petrikirche dem Kollegiatskapitel verblieb und als Kirche von beiden Konfessionen genutzt wurde. Das Bautzener Kapitel bestand ab 1560 aus dem Probst, einem Lutheraner, dem Scholastikus, dem Kustos, dem Kantor, dem Plebanus und vier Vikaren. Es gab residierende und nicht residierende Domherren. Die nicht residierenden Domherren waren Pfarrer in der Lausitz oder im benachbarten Böhmen, denn zur Zeit der Reformation gehörten zahlreiche nordböhmische Pfarreien zum Bistum Meißen.

Über das Gesangbuch und Verwalter hinaus hat sich Leisentritt als Seelsorger und theologischer Autor verdient gemacht. So stammt von ihm ein Taufbuch, das sechs Auflagen erlebte, und ein Trauungsbuch. Dabei grenzte er sich von der lutherischen Lehre ab, übernahm aber auch pastoraltheologische Ansätze der Reformation, nicht nur im Gebrauch der Volkssprache, sondern auch durch Übernahme von protestantischem und hussitischem Liedgut. Ähnliche Grundsätze zeigt Leisentritt auch in seinem Gesangbuch bei seinen Einführungen in die jeweiligen Zeiten des Kirchenjahres.

Als er am 24. November 1586 in Bautzen starb, starb mit ihm ein Priester mit einer großen Treue zum katholischen Glauben, der „das religiöse Leben in der Lausitz gefestigt und mit neuem Leben erfüllt hatte. Man kann die Bemühungen Leisentritts als erste erfolgreiche Operation der beginnenden gegenreformatorischen Bewegung auf dem Gebiet Deutschlands werten“ (Helmut Gehrmann).

Lit.: Reprint des Gesangbuches von 1567, mit einem Nachwort von Walter Lipphard im Anhang, Kassel 1966, S. 1-38. – W. Gerblich, Leisentrit und die Administratur des Bistums Meißen in den Lausitzen, Görlitz 1931, Neudruck Leipzig 1959 (Erfurter Theol. Studien, Bd. 4). – J. Gülden, Leisentrits pastoralliturgische Schriften, Leipzig 1964 (Studien zur kath. Bistums- und Klostergeschichte, Bd. 5). – S. Seifert (Hrsg.), Johann Leisentrit, 1527-1586. Zum vierhundertsten Todestag, Leipzig 1987. – J. Derksen, Der getreue Verwalter, Leipzig 1960 (Historischer Roman). – H. Gehrmann, Leisentritts Bedeutung für die Pastoral, in: Mitteilungen Haus Königstein 2/2017, S. 2-7.

Bild: Johann Leisentritt, Kupferstich / Quelle: Wikipedia. Gemeinfrei.

Angelika Steinhauer (OGT 2017, 273)