Biographie

Sarkander, Johannes (Fleischmann)

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien), Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Pfarrer
* 20. September 1576 in Skotschau/ Teschener Schlesien
† 17. September 1620 in Olmütz/Mähren

Die „böhmischen Dörfer“ als Synonym für etwas, das wir nicht kennen, sind sprichwörtlich geworden: Das sind für uns böhmische Dörfer! Leider scheint dies auch für Heilige gelten, sonst hätte nicht in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts eine katholische (!) Nachrichtenagentur die Meldung verbreitet, der Papst wolle den böhmischen Bischof Johannes Sarkander heiligsprechen. Die Heiligsprechung wurde zwar seit langem betrieben, aber Johannes Sarkander war nicht Bischof, sondern Weltpriester. Er war kein Böhme, sondern Schlesier und starb als Märtyrer im mährischen Olmütz 1620 an den Folgen der Folterung. Seine Seligsprechung erfolgte 1859 in Rom, die Heiligsprechung 1995 beim zweiten Besuch von Papst Johannes Paul II. in der Tschechischen Republik.

In Mähren und Schlesien wurde er seit seinem Tode von Tschechen, Deutschen und Polen verehrt: Von den Polen, weil er in Skotschau im schlesischen Herzogtum Teschen geboren wurde; von den Deutschen, weil sein Familienname die gräzisierte humanistische Form von „Fleischmann“ ist, und von den tschechischsprachigen Mährern, weil er zuletzt Pfarrer in Holleschau war und vorher an anderen Orten der Diözese Olmütz tätig war.

Johannes Sarkander wurde am 20. September 1576 in Skotschau geboren, das damals in der Diözese Breslau lag. Der Vater Gregor war Bürgermeister in Skotschau, die Mutter Helena Gurecka aus altschlesischem Adel stammte aus Kornitz und war das zweite Mal verheiratet. Der zweiten Ehe entstammten vier Söhne, von denen der älteste Nikolaus hieß und bei dem die Familie in Freiberg (tschechisch Přibor) nach dem Tode des Vaters lebte. Als sich Johannes als 16-Jähriger an der Olmützer Jesuitenhochschule inskribierte, wurde er als Joannes Sarkander Priborensis Moravus eingetragen. Seit 1600 studierte er Philosophie in Prag, seit 1604 Theologie in Graz. 1609 erhielt er die Priesterweihe und wurde Pfarrer in Jaktar bei Troppau. Sein Bruder Nikolaus, der seit 1596 Priester war, hatte als Pfarrer in Troppau große Schwierigkeiten mit den protestantischen Ständen und wurde von diesen sogar ins Gefängnis geworfen. Da man seine Flucht aus dem Gefängnis auch der Hilfe seines Bruders zuschrieb, musste Johannes Sarkander bald Jaktar verlassen und ging als Pfarrvikar nach Mährisch Neustadt. Zeitweise wurde er wegen der Flucht seines Bruders selbst inhaftiert. In diesen unruhigen Zeiten der Glaubenskämpfe, in denen die protestantischen Stände katholische Seelsorge behinderten, war Johannes Sarkander 1611 Pfarrer in Charwath bei Olmütz, ein Jahr später in Zdounek, wo er bis 1615 blieb, ehe er als Seelsorger nach Boskowitz kam. Hier musste er nach einem Jahr weichen. Sein Nachfolger wurde nach wenigen Wochen verdrängt; ein weiterer Pfarrer sogar von der Kanzel hinabgeworfen.

Seit dem 24. April 1616 war Johannes Sarkander Pfarrer in Holleschau, wo 1614 der katholische mährische Oberstkämmerer und spätere mährische Landeshauptmann Ladislaus Popel von Lobkowitz die Pfarrkirche den Katholiken zurückgegeben hatte. Mit Hilfe der Jesuiten kehrten 250 Dorfbewohner wieder zur katholischen Kirche zurück, doch war dort der Protestant Wenzel Bitovsky als Grundherr einiger nach Holleschau eingepfarrter Orte bald Sarkanders erbittertster Gegner. Im November 1617 trug die Stadt Kremsier Sarkander die freigewordene Dechantenstelle an. Kardinal Dietrichstein von Olmütz stimmte zu, doch kam es nicht zur Ernennung. Im Jahre 1619 stürzten die Protestanten in Brünn Landeshauptmann Lobkowitz und wiesen die Jesuiten aus. Sarkanders Lage wurde so er­schwert, dass ihn seine Gläubigen baten, für einige Zeit Holleschau zu verlassen. Mit dem Stallmeister seines Patrons Lobkowitz ging Sarkander zunächst nach Krakau, dann allein für vier Wochen nach Tschenstochau. In Rybnik in Oberschlesien, wo die Lobkowitz Besitzungen hatten, erfuhr er, dass in Holleschau ein protestantischer Pfarrer eingesetzt sei. Da Sarkander glaubte, eine Rückkehr nach Holleschau sei aussichtslos, bewarb er sich – allerdings vergeblich – um eine Pfarrstelle in Krakau, kehrte aber dann doch Ende November 1619 nach Holleschau zurück.

Kaiser Ferdinand II. hatte indessen mit seinem Schwager Sigis­mund von Polen Verhandlungen ge­führt und polnische Hilfstruppen für den 1618 ausgebrochenen Krieg angeworben. Solch ein Kosakentrupp zog Anfang Februar 1620 über Schlesien und Mähren nach Wien, wobei die Soldaten überall plünderten. Am 6. Februar näherten sich die Kosaken auch Holleschau, von wo aus ihnen aber Sarkander mit seinen Gläubigen entgegen zog. Johannes Sarkander trug an der Spitze der Prozession eine Monstranz mit dem Allerheiligsten. Als die Soldaten dies sahen, sprangen sie von den Pferden und knieten nieder. Sie umritten dann Holleschau und sprengten bis Wien durch.

Dieser Vorfall wurde Sarkander von den Protestanten zum Vorwurf gemacht: er habe mit den Ko­saken im Einvernehmen gestanden, ja sie bei seiner Reise nach Tschenstochau sogar angeworben. Er sei deshalb schuld an den Plünderungen, die anderenorts stattgefunden hatten. Sarkander floh, wurde aber festgenommen und nach Olmütz gebracht. Hier wurde er verhört, und als er erklärte, in Tschenstochau und Krakau nichts mit den Kosaken zu tun gehabt zu haben, am 13. Februar der Folter unterzogen. Am 14. Februar traf der Winterkönig Friedrich von der Pfalz in Olmütz ein, wo ihm am nächsten Tag die Bürgerschaft huldigte. Deshalb fand das nächste Verhör erst am 17. Februar statt. Außer einer Reise nach Polen wurde ihm auch seine Tätigkeit in Holleschau vorgeworfen. Man brannte ihn mit Kerzen, am nächsten Tag auch mit brennenden Federn, die in Öl und Schwefel ge­taucht waren. Benesch Praschma, ein Vertreter der Stände, war überzeugt, dass Sarkander mehr wissen müsste: „Du sollst nicht wissen, was für Praktiken angestellt wurden? Es wird dir gewiss der Herr von Lobkowitz in der Beichte solches nicht geoffenbart haben?“ Sarkander erklärte, er wisse nichts, und wenn es ihm in der Beichte gesagt worden wäre, „so könnte er solches nicht offenbaren, auch wenn man ihn in Stücke zerteilen und zerreissen wollte, was er gerne erleiden wolle.“ Nach dreistündiger Folter wurde das Verhör eingestellt. Als ein viertes Verhör vorbereitet wurde, protestierte der Stadt­richter Scintilla dagegen, weil dies gegen jedes Gesetz verstoße. So wurde Sarkander in das Gefängnis zurückgebracht: Er konnte wegen der Verrenkungen auf der Folter die Arme nicht bewegen. An den Brandstellen waren die Rippen und Eingeweide zu sehen. Drei Kartäuser, die mit ihm im Kerker waren, suchten ihn zu pflegen, aber es war aussichtslos: Am 17. März erlag Sarkander den Verlet­zungen. Der Rat verbot zunächst eine Beerdigung und wollte ihn unter dem Galgen einscharren, doch konnte dann am 24. März Johannes Sarkander in der Pfarrkirche „Zu unserer Lieben Frau“ begraben werden: Er war 43 Jahre alt, elf Jahre war er Priester gewesen.

Schon während seiner letzten Lebenstage sahen die Katholiken von Olmütz in Johannes Sarkander einen Märtyrer. Sein beispielhafter Glaubensmut übertrug sich auf sie, so dass sie ihn im Gefängnis aufsuchten und nach seinem Tode um seinen Leichnam kämpften. Auf seinem Grabstein, der heute in der Sarkanderkapelle zu sehen ist, schrieben seine Brüder: „Dem hochwürdigen Herrn Johannes Sarkander aus Skotschau, Magister der Philosophie, Pfarrer von Holleschau, dem glorreichen Märtyrer Christi, dem geliebten Bruder. Bitte für die Brüder und alle Verwandten, seliger Märtyrer!“

Der Dreißigjährige Krieg hinderte zunächst die Verehrung, da von 1642 bis 1650 die Schweden Olmütz besetzt hielten. Doch schon 1661 wurde die ehemalige Folterkammer als Gedächtnisstätte ausgeschmückt und 1672 in eine Kapelle umgewandelt. 1704 wurde darüber eine neue Kapelle errichtet und bis 1724 erweitert. Maria Theresia sandte 1748 ein Bittgesuch um Seligsprechung nach Rom. Der Seligsprechungsprozess war bereits 1715 eingeleitet worden. In Mähren war der Name Sar­kander als Taufname bald gebräuchlich. Statuen des Märtyrers sind in Olmütz, Mährisch Neustadt und Freiberg zu sehen, auch Sarkanderkapellen gab es bald auch außerhalb von Olmütz. Oft wurde Sarkander zusammen mit dem heiligen Johannes Nepomuk dargestellt wie in der deutschen Nationalkirche Maria dell’anima in Rom, denn als 1859 die feierliche Seligsprechung von Sarkander in Rom erfolgte, wurde dort sein Bildnis für einen der linken Seitenaltäre gemalt. Zur Heiligsprechung kam der polnische Papst 1995 eigens nach Olmütz. Heute ist die dortige Sarkanderkapelle ein Wallfahrtsziel, die seit der Heiligsprechung noch mehr Pilger anzieht.

Lit.: Josef Matzke, Der selige Johannes Sarkander, Königstein 1960. – BBKL, Bd. 8, 1994, S. 1363-1364. – Rudolf Grulich, Der selige Johannes Sarkander, in: Forum für Kultur und Politik, Heft 9, 1994, S. 3-26

Bild: Stich von 1702, Wikipedia gemeinfrei.

Rudolf Grulich