Als Müller 1898, im Alter von 64 Jahren, einem Herzversagen erlag, hatte er sich als Sprachforscher und Ethnograph, besonders auf dem Gebiet der vergleichenden Sprachwissenschaft, Weltruf erworben. Der gebürtige Böhme, Sohn eines Apothekers, genoß seine Schulbildung in Rötz (Niederösterreich), am Josephsstädter Gymnasium in Wien, am Gymnasium in Znaim (Mähren) und noch einmal in Wien, wo er sich 1853 am Gymnasium der Theresianischen Ritterakademie der Maturitätsprüfung unterzog. Im selben Jahr beschloß er die klassisch-philologische Laufbahn einzuschlagen und Gymnasiallehrer zu werden. Er belegte an der Wiener Universität Philosophie und Altphilologie, widmete sich aber bald, nachdem er eine Hauslehrerstelle gefunden hatte, mit Eifer und Erfolg dem Studium der orientalischen Sprachen (Arabisch, Persisch, Hebräisch, Äthiopisch) und des Sankskrit. Nach Beendigung seiner Universitätsstudien im Jahre 1856 nahm Müller zunächst eine Stelle als Korrektor für orientalische Sprachen an der k. k. Hof- und Staatsdruckerei an und wurde zwei Jahre später mit einer in den Sitzungsberichten der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften veröffentlichten Abhandlung über „Der Verbalausdruck im arisch-semitischen Sprachkreise“ von der Universität Tübingen zum Dr. phil. promoviert. Seine Dissertation, zusammen mit einigen anderen Abhandlungen, erschloß ihm 1860 die wissenschaftliche Laufbahn. Er habilitierte sich als Privatdozent für Allgemeine Sprachwissenschaft und Orientalistik an der Wiener Universität und erhielt den für seine spätere Laufbahn bedeutungsvollen Auftrag, die von der Novara-Expedition – die österreichische Fregatte „Novara“ war gerade von einer zweijährigen wissenschaftlichen Weltreise zurückgekehrt – gesammelten sprachlichen Materialien zu bearbeiten und zu publizieren.
Das von der deutschen, englischen und französischen Kritik einhellig als eine der vorzüglichsten Leistungen der modernen Sprachwissenschaft bezeichnete Ergebnis war Müllers „Linguistischer Teil des Novara-Reisewerkes“ (1867), in dem der Verfasser eine anschauliche Übersicht über die ost- und südafrikanischen, indischen, australischen und malaisch-polynesischen Sprachen vorlegte. Diese Abhandlung trug Müller einen Ruf der englischen Regierung an die Puna-Hochschule in Indien ein, den er jedoch ablehnte. 1868 folgte der ebenso beifällig aufgenommene „Ethnographische Teil“ des Novara-Reisewerkes. Beide Arbeiten bildeten die Grundlage für Müllers internationalen Ruf. Als Anerkennung für seine wissenschaftliche Leistung verlieh ihm der österreichische Kaiser die Goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft, wählte ihn die kaiserlich-königliche Akademie der Wissenschaften zum korrespondierenden – ein Jahr später zum wirklichen – Mitglied. Auch war Müller inzwischen – 1866 – zum außerordentlichen Professor der orientalischen Linguistik ernannt worden, und schon 1869 wurde er, als Nachfolger A. Boilers, ordentlicher Professor des Sanskrit und der Sprachvergleichung an der Universität Wien. Müllers 1873 verfaßte „Allgemeine Ethnographie“, in der er Sprachwissenschaft und Naturforschung in einen inneren Zusammenhang brachte, machte seinen Verfasser zum Hauptvertreter der aufstrebenden linguistischen Ethnographie. Seine unter dem sprachlichen Aspekt aufgestellte Einteilung des Menschengeschlechtes in zwölf verschiedene Rassen, die sich nach Müllers genealogischer Übersicht wiederum in achtundsiebzig Volksstämme aufteilen, schließt sich an die von Ernst Häckel an und fand weite Verbreitung, obwohl sie später anderen Auffassungen weichen mußte.
Ein ihn bis auf den heutigen Tagüberdauerndes Denkmal seines Wissens schuf sich Müller als Linguist schließlich mit seinem berühmten vierbändigen „Grundriß der Sprachwissenschaft“ (1876-88), Frucht seiner sowohl intensiven wie extensiven Beschäftigung mit fast allen Sprachen der Erde. Er enthält eine Einleitung in die Sprachwissenschaft als auch eine umfassende Darstellung sämtlicher Sprachstämme mit Textproben aus den einzelnen Sprachen. Zahlreich und zugleich vielfältig sind auch die kleineren Arbeiten und Abhandlungen, die Müller trotz einer fortschreitenden Erblindung unermüdlich für die Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften und die führenden Fachzeitschriften verfaßte.