Biographie

Boldt, Paul

Herkunft: Westpreußen
Beruf: Schriftsteller
* 21. Dezember 1885 in Christfelde/Westpreußen
† 16. März 1921 in Freiburg/Breisgau

Der Lyriker Paul Boldt, der der Literaturbewegung des Expressionismus 1910/20 zuzurechnen ist, wurde in Christfelde im Landkreis Schwetz/Westpreußen geboren. Nach der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg und den Gebietsabtretungen an Polen lag der Landkreis Schwetz im Regierungsbezirk West­preußen in der Provinz Ostpreußen.

Paul Boldt, Sohn des Gutsbesitzers Heinrich Boldt (1850-1922) und der Therese Boldt (1856-1930), die der Glaubensgemeinschaft der Mennoniten angehörte, hatte zwei Brüder, von denen der eine schon im Kindesalter verstarb, während der andere 1917 an der Front in Frankreich fiel. Paul Boldt hatte noch eine Halbschwester, Jenny Horst (1876-1948), eine Tochter seiner Mutter aus erster Ehe, mit der ihn ein inniges Verhältnis verband.

Nach dem Abitur am Schwetzer Gymnasium ging er für zwei Semester zum Studium nach München, wo er Germanistik, Kunst­geschichte und verwandte Fächer belegte. Sein Berufsziel war, Gymnasiallehrer zu werden. Das Sommersemester 1907 verbrachte er in Marburg an der Lahn und ging dann für elf weitere Semester an die Friedrich-Wilhelms-Universität in der Reichshauptstadt Berlin, wo er am 9. Januar 1913 das Studium ohne Examen abbrach.

Nach ersten Gedichtveröffentlichungen in Franz Pfemferts (1879-1954), der aus Lötzen in Ostpreußen stammte, Zeitschrift Die Aktion (1911/32) erschien 1914 in der Reihe Der jüngste Tag des Kurt-Wolff-Verlags in Leipzig der einzige Lyrikband Junge Pferde! Junge Pferde! Dieses Buch machte den Autor berühmt und verschaffte ihm Anerkennung in Berlin und im untergehenden Kaiserreich.

Als am 1. August 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, wurde er als Kanonier eingezogen, kam aber nicht zum Fronteinsatz, sondern wurde wegen seines „Verwirrungszustands“ entlassen. In den Kriegsjahren nahmen seine Depressionen zu bis zur „geistigen Verstörtheit“, wie sein Biograf Wolfgang Minaty anmerkte; vereinzelt erschienen noch Gedichte in Zeitschriften, das letzte 1918.

Ein in Berlin 1918 aufgenommenes Medizinstudium wurde nach drei Semestern im Herbst 1919 in Freiburg/Breisgau fort­gesetzt, wo er 1920 die ärztliche Vorprüfung bestand. Am 7. März 1921 wurde er in die Chirurgische Klinik eingeliefert, wo er bei örtlicher Betäubung wegen eines Leistenbruchs operiert wurde. Am Nachmittag des 16. März starb er an einer Embolie, einem Blutgerinnsel im Herzen. Sein Leichnam wurde nach Stuhm in Westpreußen überführt und dort beigesetzt, das Grab nach dem Zweiten Weltkrieg eingeebnet.

Nicht nur das Leben, sondern auch das literarische Werk des westpreußischen Autors stand unter keinem guten Stern! Als seine Halbschwester Jenny Horst 1945 vor der Roten Armee aus der westpreußischen Hauptstadt Marienwerder floh, nahm sie einen Koffer mit, der auch Gedichte, Briefe, Fotos ihres verstorbenen Bruders Paul Boldt enthielt. Dieser Koffer aber mit unersetzlichen Materialien ging auf der Flucht verloren oder wurde, nach dem Tod der Schwester 1948 in einem Thüringer Altersheim, achtlos entsorgt.

Obwohl in Anthologien wie der Gottfried Benns Lyrik des expressionistischen Jahrzehnts (1955) oder der Silvio Viettas Lyrik des Expressionismus (1976) mehrere Gedichte Paul Boldts abgedruckt sind, ist sein Name heute nahezu vergessen und kommt in Literaturgeschichten höchstens noch in einer Fußnote vor. Auch der um seinen Nachruhm bemühte Germanist Wolfgang Minaty, der ihm seine Dissertation (1976) widmete und sein Gesamtwerk (1979) herausgab, konnte ihn nicht der Vergessenheit entreißen! Der Literaturhistoriker Paul Raabe nannte ihn „eine der rätselhaften Figuren des deutschen Expressionismus“.

Werke: Junge Pferde! Junge Pferde!, Leipzig 1914. – Junge Pferde! Junge Pferde! Das Gesamtwerk. Lyrik, Prosa, Dokumente, herausgegeben von Wolfgang Minaty, Freiburg 1979. – Auf der Terrasse des Café Josty. Gedichte und Prosa 1912-1918, Boppard und Frankfurt am Main 2009.

Lit.: Werner Riegel, Paul Boldt oder die Unzuverlässigkeit des Ruhms, in: Zwischen den Kriegen 12/1954. – Wolfgang Minaty, Paul Boldt und die „Jungen Pferde“ des Expressionismus. Erotik, Gesellschaftskritik und Offenbarungseid, Stuttgart 1976.

Jörg Bernhard Bilke