Biographie

Dolezich, Norbert Ernst

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Schriftsteller, Maler, Graphiker
* 16. Februar 1906 in Bielschowitz/Oberschlesien
† 4. Dezember 1996 in Recklinghausen

Ein Felsblock füllt das Mittelschiff einer menschenleeren Kirche. Eine riesenhafte Schnecke entwächst seiner Landschaft. Eine gotische Kirche ertrinkt in Sandbergen. Es sind „Visionen aus Erlebnissen“, wie sich der Oberschlesier Norbert Ernst Dolezich äußerte, die er in seine Radierungen und Zeichnungen überträgt. In solch surrealistisch-makabren Bildern erscheinen auch Brücken, der Rhein, der „brennende Dom“, wie der Titel einer Radierung von 1970 lautet. Zerbombte Häuser, Trümmer, entlaubte Bäume, Schnee und Tierschädel sind Symbole der Vergänglichkeit. Dolezichs Wunsch ist es, der Betrachter möge spüren, daß in diesen Arbeiten „ein Geheimnis drin“ steckt.

Der Künstler, der durch seine surrealistischen Werke populär geworden ist, wurde auch als Schriftsteller bekannt. Vom Wort läßt sich ein Bogen zu seinen erzählenden Bildern schlagen. An der Spitze seiner umfangreichen Publikationen steht der autobiographische Roman „Johannes Standorfer“. Hierüber schrieb Hans Lipinski-Gottersdorf im Dolezich-Katalog des Oberschle­sischen Landesmuseums Ratingen-Hösel (1986) u. a.: „… die Sprache ist diskret und aufrichtig, eindringlich und leise. Erleben von Welt und Umwelt, von Landschaften und Zeitgenossen, von Glück und Unglück, Geburt und Tod ergänzen und durchdringen einander. So entsteht scheinbar ohne Anstrengung poetische Wirklichkeit …“.

In Dolezichs Leben nimmt die Musik einen wichtigen Platz ein. Als Kind spielte er Klavier und Geige, blies die Quer- und Blockflöte und gehörte dem Schulorchester an, das er bisweilen auch dirigierte, und war im Schulchor. Doch dann wandte er sich der Bildenden Kunst zu, studierte an den Kunstakademien in Königsberg und Berlin und legte 1933 das Staatsexamen für das künstlerische Lehramt ab. Seine pädagogische Tätigkeit an Schulen in Ostpreußen und nach seiner Flucht in den Westen in Recklinghausen sicherte ihm seinen Lebensunterhalt, doch populär wurde er durch sein surrealistisches Œuvre, und das in einer Zeit, da die sog. abstrakte Kunst die deutschen Galerien beherrschte. Überraschend, daß von Dolezichs Liebe zur Musik sein Weg nicht zur ebenfalls absoluten Kunst, also zur gegenstandsfreien Malerei und Grafik, führte. Mag sein, daß seine literarische Tätigkeit den bildenden Künstler eher beeinflußte. Auszeichnungen erhielt er sowohl für seine Erfolge auf dem druckgrafischen Gebiet wie auf dem des Schriftstellers: Kunstpreise des Kunstvereins Königsberg, der Provinz Oberschlesien, des Westfälischen Heimatbundes, der Künstlergilde Eßlingen sowie Eichendorff-Literaturpreis und Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland.

Lit.: Vollmer, Allgemeines Lexikon der Bildenden Künste des XX. Jahrhunderts, Bd. 1, Leipzig 1953. – A. M. Kosler, Ernst Dolezich – 70 Jahre, in: Schlesien, Bd. 21, 1976. – Alfons Perlick (Hrsg.), N. E. Dolezich – Maler und Poet, in: Mitteilungen des Beuthener Geschichtsvereins, Dortmund/Bottrop 1975. – H. Schütte, Norbert Dolezich – Maler und Literat, in: Kulturpolitische Korrespondenz, Bonn 1977. – Günther Ott, Künstlerprofile – Im Osten geboren – Im Westen Wurzeln geschlagen, hrsg. von der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat, Düsseldorf 1980. – Werner Timm, Norbert Dolezich – Das druckgraphische Werk 1929-1974, Ostdeutsche Galerie Regensburg 1982. – Werner Timm/Hans Lipinski-Gottersdorf/Johannes Hoffmann/Sibylle Dotti, Norbert Dolezich – Ein oberschlesischer Maler und Schriftsteller, Oberschlesisches Landesmuseum Ratingen-Hösel, 1986.

Bild: Privatarchiv des Autors.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Norbert_Dolezich

Günther Ott