Biographie

Franckenberg, Johann Heinrich Ferdinand Graf von

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Kardinal
* 18. September 1726 in Glogau/Niederschlesien
† 11. Juni 1804 in Breda

Der aus Niederschlesien gebürtige Franckenberg war einer der schärfsten Kritiker der kirchlichen Reformpläne Josephs II., die darauf abzielten, die Kirche der uneingeschränkten Staatsaufsicht zu unterwerfen. Trotz seiner unbezweifelbaren Loyalität gegenüber dem Kaiserhof war er nicht bereit, Eingriffe in die rechtliche und soziale Autonomie der Kirche oder in seine geistliche Jurisdiktionsgewalt hinzunehmen. „Niemand“, so drückte Franckenberg Ende 1787 selbst seinen inneren Konflikt aus, „ist von größerer Ehrfurcht für die erhabene Person Sr. Majestät durchdrungen als ich, niemand eifriger, ihr die vollkommenste Unterwürfigkeit zu bezeigen. Nichts verursacht mir einen so empfindlichen Schmerz, als wenn die Pflichten meines Gewissens sich in Widerspruch mit Dero Willen befinden.“ Angesichts der schwer zu lösenden Pflichtenkollision zwischen der Loyalität gegenüber dem Landesherrn und den Belangen seines Hirtenamtes entschied sich der kämpferische, unbeugsame Kardinal schließlich für seine bischöflichen Pflichten und damit für den Widerstand gegen das österreichische Staatskirchentum. Er habe „nur diese Alternative, entweder Gott oder den Menschen zu gehorchen“, schrieb er Joseph II. im Januar 1788. „In der Sache Gottes gehe ich festen Schrittes, vergewissert durch ein sicheres Geleit.“

Die kirchliche Karriere Franckenbergs, dessen Familie mütterlicherseits bereits eine episkopale Tradition besaß, verlief zunächst glatt und unauffällig. Der 1726 auf dem Schloß zu Glogau geborene zweite Sohn des Landeshauptmanns Graf Otto Venantius von Franckenberg, Baron von Schellendorf und Herr von Gröditzberg, und der Gräfin Franziska Gaudentia von Khünburg, besuchte in den Jahren 1736 bis 1741 das Jesuitengymnasium der niederschlesischen Kleinstadt. Da sein Vater nach dem Einmarsch Friedrichs II. von Preußen seine schlesische Heimat verlassen hatte und nach Wien emigriert war, fühlte sich Maria Theresia auch dessen Kindern verpflichtet. Johann Heinrich war zunächst für die österreichische Offizierslaufbahn vorgesehen, fühlte sich bald aber zu einer geistlichen Tätigkeit hingezogen. Ausgebildet wurde er bei den Jesuiten in Breslau und am Collegium Germanicum et Hungaricum in Rom. In der Ewigen Stadt, in der er durch überdurchschnittliche theologische Leistungen sowie durch seine homiletische Begabung aufgefallen war, erhielt er auch die Priesterweihe. 1749 kam ihm die besondere Ehre zu, die traditionelle Allerheiligenpredigt vor Papst und Kardinalskollegium zu halten. Damals soll, wie mehrere Quellen berichten, der Pontifex Romanus begeistert über Franckenberg geäußert haben: „Die Kirche wird in diesem Jüngling einen großen Mann erhalten.“

Nach kurzer Seelsorgetätigkeit als Koadjutor des Erzbischofs von Görz, Karl Michael von Attems, wurde der junge Germaniker Dekan der Allerheiligen-Stiftskirche in Prag (1754) und infulierter Stiftsdekan an St. Cosmas und Damian in Altbunzlau (1755). Es sprach für das hohe Ansehen, das der als eifriger Seelsorger geltende Franckenberg am Kaiserhof genoß, daß ihn Maria Theresia 1759 nicht erst auf ein ordentliches Bistum nominierte, sondern sogleich zum Erzbischof von Mecheln und damit zum Primas der Österreichischen Niederlande ernannte. Die Bischofsweihe erhielt der 33jährige Graf in der Kapelle des kaiserlichen Schlosses Schönbrunn durch seinen ehemaligen römischen Kommilitonen, den kurz zuvor zum Erzbischof von Wien aufgestiegenen Christoph Anton Migazzi. 1778 erhielt Franckenberg den von Papst Pius VI. verliehenen Kardinalshut aus der Hand Josephs II., der bereits die Kaiserkrone trug und zwei Jahre später auch die Herrschaft in der österreichischen Monarchie übernehmen sollte.

In denzehn Jahren seiner Alleinregierung erfuhr der unter Maria Theresia eingeleitete Modernisierungsprozeß, der durch Motive und Ziele eng mit den Bewegungen der europäischen Aufklärung verknüpft war, eine unerhörte Dichte. Die neue Einstellung des Herrschers zu Staat und Untertanen, die Idee von der Gleichheit und der Gleichwertigkeit aller Menschen, änderte das Verhältnis von Staat und Kirche grundlegend. Von einer Stütze der Habsburgermonarchie wurde die katholische Kirche so zu einer jener Kräfte der Tradition, deren Sonderstellung und deren Eigenrechte nun beseitigt werden sollten. Auf schärfsten Protest stieß der österreichische Reformabsolutismus dabei an der Peripherie des Reiches: in Ungarn und in Belgien.

Der Widerstand, den Franckenberg dem josephinischen Staatskirchentum entgegenstellte, ähnelt denn auch in vielem der Opposition Jószef Batthyánys in Ungarn. Der Verordnung Josephs II., der 1786 im Rahmen der Vereinheitlichung und Verstaatlichung der theologischen Ausbildung das Mechelner erzbischöfliche Seminar aufgehoben und in Löwen ein Generalseminar eingerichtet hatte, stellte sich Franckenberg mit aller Kraft entgegen. Er war nicht gewillt, seine Alumnen an die staatliche Ausbildungsstätte zu schicken und so die Oberaufsicht des Ortsbischofs aufzugeben. Ein Jahr später wurde er nach Wien zitiert, doch auch hier ließ er sich nicht umstimmen. Unter Androhung der Temporaliensperre wurde ihm befohlen, sich von der Rechtgläubigkeit des theologischen Unterrichts in Löwen zu überzeugen. Franckenberg, der in seinem Widerstand von zahlreichen anderen Oberhirten unterstützt wurde, kam jedoch zu einem anderen Ergebnis: In einem Hirtenbrief verurteilte er die Lehrbücher und den Unterricht der Professoren als nichtorthodox. Mit seiner auf französisch verfaßten „Déclaration“, die 1790 in Mecheln illegal im Druck erschien, brach er zugleich die ihm auferlegte Schweigepflicht. Die kirchenpolitische Auseinandersetzung spitzte sich dann noch weiter zu, als die vereinigten Stände im Dezember 1789 unter Vorsitz Franckenbergs die Unabhängigkeit des Landes erklärten und die ‚Vereinigten Belgischen Staaten’ konstituierten. Der Kaiser, der im Primas das Haupt der ständischen und kirchlichen Opposition sah, verlangte von ihm das von seiner Mutter verliehene Großkreuz des Sankt Stephans-Ordens zurück, bat ihn aus politischer Rücksichtnahme aber kurze Zeit später um Vermittlung mit den Ständen.

Anders als in Österreich und Ungarn kehrte in Belgien nach dem Tod Josephs II. 1790 keine Ruhe ein. Der Einmarsch der französischen Revolutionstruppen in die ÖsterreichischenNiederlande zwang Franckenberg, der mutig Widerstand leistete, sich zu verbergen. Für kurze Zeit vertrieben, rückten die Franzosen 1794 erneut in das Land ein, das sie in kurzer Zeit militärisch niederwarfen und annektierten. Der Kardinal floh in die Niederlande, konnte aber 1795 nach dem Sturz Robespierres in seine Diözese zurückkehren, wo man ihm als Ersatz für die unterdessen konfiszierten Kirchengüter eine jährliche Rente zusicherte. Da er die von der Republik geforderte persönliche Loyalitätserklärung auf die Verfassung jedoch verweigerte, wurde Franckenberg 1797 – als letzter Bischof Belgiens – ausgewiesen. Der gesundheitlich angeschlagene Kardinal begab sich zunächst ins niederrheinische Emmerich auf das Gebiet des preußischen Herzogtums Kleve, wo er im Kloster der Tertiarinnen rund zwei Jahre lang Asyl fand. Auf Wunsch des Direktoriums aus Preußen ausgewiesen, begab er sich im Mai 1799 ins westfälische Borken, das zu jener Zeit noch dem Erzbischof von Köln unterstand. Eine von der päpstlichen Kurie in Aussicht gestellte Übersiedlung nach Rom lehnte Franckenberg, der unverändert auf eine Rückkehr in seine nahegelegene Diözese hoffte, ab. Nach Abschluß des Konkordats mit der französischen Republik vom Juli 1801 beugte er sich jedoch bereitwillig dem päpstlichen Ersuchen, sein Hirtenamt zur Verfügung zu stellen. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Franckenberg, der ein Jahr später, als Preußen im Zuge der Durchführung des Reichsdeputationshauptschlusses das Fürstbistum Münster besetzte, abermals ausgewiesen wurde, im apostolischen Vikariat von Breda auf dem Territorium der Batavischen Republik. Hier starb der gebürtige Schlesier, der von den Katholiken verehrt und in der antijosephinischen Publizistik als Glaubensverteidiger vom Schlage eines Athanasius gerühmt, der aber auch von protestantischer Seite respektiert wurde, im 78. Lebensjahr an einem Schlaganfall. Bestattet wurde er in der Kirche des nahegelegenen Dorfes Rijsbergen. Seine Gebeine wurden 1923 in die Kathedrale St. Rombaut nach Mecheln überführt, in der bereits im Jahr 1818 ein Grabmal für den zehnten Erzbischof von Mecheln errichtet worden war.

Werke: J. H. v. Franckenberg: Versameling der uytmuntende Sermoonen gemaekt in het Fransch door Syne Eminentie den Cardinael Arts-Bischop van Mechelen, ende door hem gepredickt zoo in de Collegiale en Parochiale Kerken van Brussel en Loven, als in de Metropolitaene Kerke van den Heyligen Rumoldus binnen Mechelen.Eerste Deel, Loven 1786. – Ders.: Déclaration de Son Éminence de cardinal de Franckenberg,archevêque de Malines, sur l’enseignement du séminaire-général de Louvain, Malines 1790. – Denkschriften in: Recueil des Représentations, Protestations et Réclamations faites à S. M. J. par les Représentants et Etats des Pays-Bas Autrichiens, Bde. 1-7, o. O. 1787-1790.

Lit.: J. Bahlcke : Ungarischer Episkopat und österreichische Monarchie. Von einer Partnerschaft zur Konfrontation (1686-1790), Stuttgart 2005. – H. Hoffmann: Glogauer Bischöfe, Breslau 1927. – Ders.: Johann Heinrich Graf von Franckenberg, in: F. Andreae u.a. (Hrsg.), Schlesier des 16. bis 19. Jahrhunderts, Sigmaringen21985 [Breslau11931], 191-196. – W. Romberg: Johann Ignaz von Felbiger und Kardinal Johann Heinrich von Franckenberg. Wege der religiösen Reform im 18. Jahrhundert, Sigmaringen 1999. – A. Theiner: Der Cardinal Johann Heinrich Graf von Franckenberg, Erzbischof von Mecheln, Primas von Belgien, und sein Kampf für die Freiheit der Kirche und die bischöflichen Seminarien, Freiburg i. Br. 1850. – A. Tihon: Catholicisme et politique.Justifications religieuses de la Révolution brabançonne, in: J. Lorette u.a. (Hrsg.): Handelingen van het Colloquium over de Bravantse Omwenteling 13-14 oktober 1983. Brussel 1984, 93-113. – A. Verhaegen: Le Cardinal de Franckenberg, Archeveque de Malines (1726-1804), Brügge 1890. – K. Wittstadt: Der Schlesier Johann Heinrich Graf von Franckenberg vor der Übernahme der Erzdiözese Mecheln im Jahre 1759, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 28 (1970) 237-243.

Bild: Kupferstich von N. Daindeleau nach einem Gemälde von A. B. de Quertenmont, 1787.

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Heinrich_von_Frankenberg

Joachim Bahlcke