Biographie

Haase, Hugo

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Jurist, Politiker und Pazifist
* 23. September 1863 in Allenstein
† 7. November 1919 in Berlin

Der Politiker Hugo Haase war, so unglaublich es klingt, der erste und einzige sozialdemokratische Rechtsanwalt in Ostpreußen. Geboren am 29. September 1863 als Sohn eines jüdischen Schuhmachers in der Bezirkshauptstadt Allenstein, studierte er, nach dem Abitur am Rastenburger Gymnasium, Rechts- und Staatswissenschaften an der Albertina in Königsberg i.Pr. Dort war er auch zwischen 1890 und 1911 als Rechtsanwalt zugelassen und arbeitete nebenberuflich als Journalist für die Königsberger Volkszeitung, die er 1893 gemeinsam mit Otto Braun (1872-1955), dem späteren Ministerpräsidenten Preußens (1921/32), gegründet hatte. Redakteur seit 1897 war dort auch der spätere Reichswehr­minister (1919/20) Gustav Noske (1868-1946). Die Königsberger Volkszeitung wurde 1933 verboten.

Als Rechtsanwalt verteidigte Hugo Haase verarmte Land­arbeiter, die der Willkür von Großgrundbesitzern ausgesetzt waren. Auch politisch verfolgte Sozialdemokraten gehörten zu seinen Klienten. So erreichte er im „Königsberger Geheimbundprozess“ (12. bis 25. Juli 1904), gemeinsam mit seinem Berliner Kollegen Karl Liebknecht (1871-1919), einen Freispruch für neun Sozialdemokraten, unter ihnen Otto Braun, denen die illegale Ausfuhr „anarchistischer Schriften“ ins Zarenreich vorgeworfen worden war. Dabei deckte Hugo Haase die Zusammenarbeit der preußischen Behörden mit der zaristischen Geheimpolizei auf.

Schon frühzeitig, im Alter von 24 Jahren 1887, trat Hugo Haase der SPD bei und wurde 1911, nach Paul Singers (1844-1911) Tod, neben August Bebel schließlich SPD-Vorsitzender im Deutschen Reich. Um dieses Amt ausüben zu können, löste er seine Anwaltskanzlei in Königsberg auf und eröffnete eine neue in der Reichshauptstadt Berlin, allerdings unter finanziellen Verlusten. Noch in Königsberg wurde er 1894 als erster Sozialdemokrat in die Stadtverordnetenversammlung gewählt, 1897 bekam er ein Reichstagsmandat, das er bis 1907 innenhatte, 1912 wurde er erneut in den Reichstag gewählt und war dort neben Philipp Scheidemann (1865-1939) Vorsitzender der SPD-Fraktion.

Nachdem der sozialdemokratische Theoretiker Eduard Bernstein (1850-1932) 1899 mit seiner Schrift Die Voraussetzung des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie innerhalb der SPD-Führung den „Revisionismusstreit“ ausgelöst hatte, trat Hugo Haase auch als Vermittler zwischen den Revisionisten, die den „Klassenkampf“ ablehnten, und den Marxisten auf. Dieser Streit überdauerte den Ersten Weltkrieg, führte zur Abspaltung des „Spartakusbundes“ 1917 und zur KPD-Gründung 1918.

Als entschiedener Kriegsgegner im Deutschen Reichstag war Hugo Haase heftigen Vorwürfen der Kriegsbefürworter in seiner eigenen Partei ausgesetzt und wurde von Friedrich Ebert (1871-1925), der nach dem Tod August Bebels 1913 Mitvorsitzender der SPD geworden war, bis aufs äußerste bekämpft. Da ihm im Reichstag das Rederecht verweigert wurde, als er seine Kriegsgegnerschaft begründen wollte, kam es zu tumultartigen Szenen, die schließlich dazu führten, dass er und andere Kriegsgegner am 24. März 1916 aus der SPD-Fraktion ausgeschlossen wurden. Im Januar 1917 erfolgte dann auch der Ausschluss aus der SPD, weshalb es im April im thüringischen Gotha zur Gründung der „Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei“ (USPD) kam.

Noch in seinem Todesjahr 1919 verteidigte Hugo Haase als Rechtsanwalt den expressionistischen Dichter Ernst Toller (1893-1939) aus der preußischen Provinz Posen, der nach dem Scheitern der Münchner Räterepublik am 3. Mai 1919 steckbrieflich gesucht und am 4. Juni verhaftet worden war. Sein Rechtsbeistand konnte ihn vor dem Erschießungstod bewahren, er wurde zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt.

Am 8. Oktober 1919 wurde Hugo Haase von Johann Voss, einem angeblich gestörten Lederarbeiter, angeschossen und starb an den Schussverletzungen am 7. November. Sein Sohn Ernst Haase (1894-1961), der in Berlin als Neurologe und Physiotherapeut arbeitete, emigrierte im März 1938 nach England und von dort 1940 in die Vereinigten Staaten. Die beiden Töchter waren schon 1933 nach Palästina ausgewandert.

Lit.: Kenneth R. Calkins, Horst Haase, Demokrat und Revolutionär (1976). – Dieter Engelmann/Horst Naumann, Hugo Haase. Lebensweg und politisches Vermächtnis eines streitbaren Sozialisten (1999). – Ernst Haase, Hugo Haase. Sein Leben und Wirken (1929). – Wilhelm Matull, Ostpreußens Arbeiterbewegung (1970).

Weblink: https://www.ernst-albert-seils.de/buecher/hugo-haase-ein-juedischer-sozialdemokrat-im-deutschen-kaiserreich-html.html

Bild: „Der Weltspiegel“ vom 16.11.1919.

Jörg Bernhard Bilke