Biographie

Hahn, Joseph

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Maler, Lyriker
* 20. Juli 1917 in Bergreichenstein/ Böhmen
† 31. Oktober 2007 in Middlebury/ USA

Als 2007 der deutsch-amerikanische Maler und Lyriker Joseph Hahn in Middlebury in US-Bundesstaat Vermont starb, gab es zwar zwei Nachrufe im Addison County Independent, aber nicht in Publikationen seiner eigentlichen Landsleute, der Sudetendeutschen.

Hahn war als Sohn eines jüdischen Lehrers am 20. Juli 1917 in Bergreichenstein im Böhmerwald geboren, wuchs aber im süd­mährischen Pohrlitz (Pohořelice) auf, wohin sein Vater aus beruflichen Gründen zog. Schon in der Realschule in Brünn (Brno) war er mit Franz Peter Kien befreundet, der aus Warnsdorf (Varnsdorf) stammte. Kien war wie Hahn Künstler und Dichter, schrieb Gedichte und Erzählungen, malte und zeichnete. Hahn begann zwar 1935 ein Pädagogikstudium in Brünn, ging aber dann 1937 an die Akademie der Bildenden Künste nach Prag, wo auch Kien studierte. Während Hahn 1939 noch die Flucht nach England gelang, kam Kien ins Ghetto Theresienstadt (Terezín), wo er das Libretto zu Viktor Ullmanns Oper Der Kaiser von Atlantis schrieb und 1944 mit seiner Frau und seinen Kindern nach Auschwitz deportiert wurde und dort die ganze Familie den Tod fand.

Hahn wollte eigentlich von England nach Palästina, was aber durch den Krieg nicht mehr möglich war. So schlug er sich als Fabrikarbeiter auf einem englischen Bauernhof durch, ehe er einen Studienplatz an der School of Fine Art erhielt. 1945 konnte ihm seine alte Brünner Jugendfreundin und spätere Frau Olga Kleinmünz, der die Ausreise nach Amerika gelungen war, ein Visum für die USA besorgen. Hier setzte Hahn sein Studium an der Art Students League of Art New York fort. Bald aber musste er als Foto-Retuscheur sein Geld verdienen, weil seine Frau an Multipler Sklerose erkrankte. Er malte und zeichnete und schrieb zahlreiche Gedichte, da er eine echte Doppelbegabung hatte. Nach dem Tod seiner Frau heiratete er die Malerin Henriette Lerner, mit der er aus der Großstadt New York in das ländliche Middlebury zog.

Als Zeichner hatte Hahn mehr Beachtung und Erfolg als durch seine Lyrik. Seine in Bern und Paderborn erschienenen Gedichtausgaben und kurzen Prosatexte illustrierte er mit eigenen Bildern, so die Titel Gedichte und fünf Zeichnungen 1987 und Eklipse und Strahl 1997. Obwohl in seiner Familie nach dem Zweiten Weltkrieg meist englisch gesprochen wurde, dichtete er nur in seiner deutschen Muttersprache. Seine Gedichte sind von David Scrase Burlington übersetzt worden und als Holocaust Poems 1965-1975 englisch erschienen.

Nach Hahns Tod hat der in den USA lehrende Germanist Wolfgang Mieder mit David Scrase Hahns Gedichte, Prosa und Zeichnungen unter dem Titel Die Doppelgebärde der Welt herausgegeben. Jürgen Serke hat ihn in seinem Buch Böhmische Dörfer. Wanderungen durch eine verlassene literarische Landschaft gewürdigt, ebenso John M. Spalek in Band 3 des Werkes Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933. Über Die Doppelgebärde der Welt schrieb der Literaturwissenschaftler Dieter Sudhoff in der Neuen Züricher Zeitung, es gäbe „nicht viele deutschsprachige Lyriker unserer Tage, die sich mit solch beinahe magischer Sprachbeherrschung messen können.“

 

Hahn hatte seine erste Frau 18 Jahre lang gepflegt und schrieb:

„Was noch blieb
sind die Erschütterungen deines Gewesens
die Inschrift deines Lächelns
auf erloschenen Spiegeln.

Was noch blieb
ist die Tiefe deines Blicks
als sich in Seelenhellen
auftat die Unendlichkeit
.“

Weblink: https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Hahn_(Lyriker).

Bild: Cover Eklipse und Strahl. Gedichte mit zehn Zeichnungen, Paderborn 1997.

Rudolf Grulich