„Es kommt selten vor, daß ein Siebenbürger Sachse auf den Schauplatz großer geschichtlicher Ereignisse tritt. Das geschah in den Maitagen des Jahres 1809, da der Hauptmann Friedrich Hensel als sächsischer Leonidas mit 300 Mann in den karnischen Alpen beim Engpaß von Malborghetto das große aus Italien zur Verstärkung Napoleons heranrückende französische Heer tagelang aufhielt und dadurch den Sieg von Aspern ermöglichte.“
Bis ins Detail und nicht ohne Stolz beschreibt ein siebenbürgisch-sächsisches Lesebuch für Mittel- und Bürgerschulen aus den 1920er Jahren den Ablauf der dramatischen Ereignisse, schildert es den heldenhaften Tod des jungen Hauptmanns, der die schier aussichtsloseAufgabe übernommen hatte, eine kleine österreichische Befestigungsanlage gegen die französisch-italienische Übermacht zu verteidigen.
Der „sächsische Leonidas“ Friedrich Hensel wurde in Kronstadt am 13. August 1781 geboren und wuchs auf in der ehemaligen Schwarzgasse (Strada Nicolae Bălcescu),woran heute noch eine marmorne Gedenktafel erinnert, die 1893 vom Offizierskorps der Garnison angebracht wurde. Nach frühem Tod seines Vaters kam der 15-jährige Friedrich nach Wien, wo er am 11. Mai 1797 in die Ingenieurakademie eintrat. Dort nahm er einen schnellen Aufstieg vom Ingenieur-Korps-Kadett zum Oberleutnant (1802) und zum Hauptmann (1807). Mitte 1808 ernannte der Generaldirektor des Genie- und Fortifikationswesens, Erzherzog Johann von Österreich, den 27-jährigen Hensel zum Bauleiter einer Befestigungsanlage in Malborghet/ Malborghetto, gelegen im Tal des Flusses Fella in den Karnischen Alpen, die an Italien, Österreich, Kärnten und Slowenien grenzen.
Nach winterbedingter Unterbrechung wurden dort die Baumaßnahmen im April 1809 wieder aufgenommen – in großer Eile, hatte der „Engpass von Malborghetto“, doch infolge der Niederlage von Regensburg eine ernorme strategische Bedeutung erlangt: Es galt, den Rückzug der österreichischen Südarmee aus Oberitalien nach Innerösterreich zu sichern und ein Nachrücken der von Prinz Eugen Beauharnais, dem Vizekönig von Italien geführten napoleonischen Armee zu verhindern. Auf eigenen Wunsch hin erhielt Hensel, der seit dem 11. Mai die Bauarbeiten wieder leitete, von Erzherzog Johann das Kommando über die kleine Bergfestung mit ihrer Besatzung von etwa 300 Mann. „Ein herrliches Grab, wie das des Leonidas und seiner Spartaner bei den Thermopylen“, soll Hensel bereits bei Ausbruch des Krieges über die Anlage gesagt haben.
Am 14. Mai nähern sich die ersten französischen Schützenlinien den Verschanzungen. Aus dem Fort werden Warnschüsse abgegeben. Prinz Beauharnais drängt zum großen Angriff. Doch auch am 15. Mai werden die wiederholten französischen Angriffe abgeschlagen, die Beauharnais den steilen Hang empor befiehlt, ohne das Heranrücken der eigenen Artillerie abzuwarten. Die Ungeduld des Vizekönigs setzt dann auf nächtliche Überrumpelung. Doch wachsame österreichische Posten vereiteln dies – und ständige erneute Angriffe bringen den Durchbruch nicht. Schließlich gelingt die Umgehung des Forts über das Fellatal und über die Höhen. Die auf Seiten Hensels noch lebenden Verteidiger, nun von zwei Seiten bedrängt, können die Erstürmung der Feste nicht mehr aufhalten. Die Aufforderung, sich zu ergeben, lehnt Hauptmann Hensel mit den Worten ab: „Ich habe den Befehl, mich zu verteidigen und nicht zu unterhandeln.“ Er fällt nach Schussverletzung und Bajonettstichen. Später werden die Toten von den Siegern in Malborghets Pfarrgarten begraben, wo sie heute noch ruhen. Von den 300 Verteidigern ist ein Drittel tot, ein Drittel schwer verwundet, und ein Drittel geht in Gefangenschaft. Die Verluste bei den Franzosen aber betragen allein an diesem letzten vierten Tag 1300 Mann!
Mit geringen Mitteln und großem Mut war es Hensel gelungen, ein großes aus Italien heranrückendes französisches Heer vier Tage lang aufzuhalten, wodurch in der Tat Österreich der erste Sieg über Napoleon – bei Aspern am 21. Mai – ermöglicht wurde. Selbst der Feind zollte dem Achtung, wie der französische General Jean-Jacques Germain Pelet in seinem Werk über den Feldzug von 1809: „Ehre den braven Österreichern, dem Hauptmann Hensel und seinen Offizieren, die sich durch die glänzende Verteidigung mit Ruhm bedeckten. Die Besiegten erwarben sich die Bewunderung der Sieger!“
Der Vergleich des Hauptmanns Friedrich Hensel und seiner Kampfgenossen mit Leonidas und seinen Spartanern an den Thermopylen drängte sich förmlich auf. Zur Erinnerung an ihren Heldentod ließ Kaiser Ferdinand I. ein Denkmal errichten, das heute noch den Wanderer, der durch das Fellatal zieht, grüßt: Eine auf breitem Sockel sich erhebende Pyramide, an ihrem Fuß in Eisen gegossen ein Löwe, den todbringenden Speer in seiner Brust – eine Inschrift benennt den gefallenen Hauptmann und seinen Todestag. Die ab 1866 ausgebaute Festung in Malborgeth benannte man zu seinen Ehren „Fort Hensel“.
Sicher hätte es Sinn, über das Leben dieses hervorragenden Menschen noch mehr zu berichten. Es würden die Geschehnisse, die damals Europa erschütterten, in mancher Hinsicht noch verständlicher. Und wir werden bei solchem Rückblick von Dankbarkeit erfüllt, dass durch die „Vereinten Nationen“ und durch die europäische Einigung uns Menschen heute ein neues Bewusstsein für Frieden und Zusammenarbeit zusammenschließt. Kein noch so hehrer Zweck rechtfertigt unangemeldete, unbegründete und waffenunterstützte Angriffe! Aber erst recht haben wir auch Grund, in Dankbarkeit und Respekt derer zu gedenken, die für die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der Völker bereit sind, auch das eigene Leben einzusetzen.
Lit.: ADB, Hensel, Friedrich, Bd. 50, S. 205ff. – Eugen Lassel, Ein sächsischer Kriegsheld, in: Deutsches Lesebuch für Mittel- und Bürgerschulen, II. Teil, o.O., o.J. – Heinrich Zillich, Friedrich Hensel ein deutscher Leonidas. Sein Lebensbild in Briefen, München 1967 (Südostdeutsches Kulturwerk, Kleine Südostreihe, Heft 8). – Karl Neuhofer, Malborgeth 1809. Österreichischer Milizverlag, Salzburg 1997. – Ulrike Weiss, Malborgeth 1881-1916 Fort Hensel. Pallasch Sonderdruck 2, Österreichischer Milizverlag, Salzburg 2004.
Bild: Ölgemälde, Maler unbekannt, Privatbesitz.